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Max Bär: Die Behördenverfassung in Westpreussen seit der Ordenszeit.  


Die Behördenverfassung
in Westpreußen seit der
Ordenszeit


Von
Max Bär

1912

Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text IV. Westpreußen seit 1772.
5. die Erwerbung der Städte Danzig und Thorn und die Einrichtung ihrer Verwaltung:
B. Thorn.1)
 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[133]

Nach vorangegangener Besetzung der Stadt durch preußische Truppen seit dem 24. Januar2) fanden sich am 6. April 1793 die Besitznahmekommissarien ein, der Oberpräsident von Schroetter, der Kammerpräsident von Korckwitz, der Regierungsvizepräsident von Meyer und einige Kriegsräte. Tags darauf wurden die bisherigen Beamten ihrer Ämter entlassen und - ebenso wie in Danzig - eine vorläufige Verwaltung durch Einsetzung einer Deputation eingerichtet. Diese sogenannte Ratsdeputation bestand aus dem Bürgermeister von Geret als Präsidenten, den bisherigen Bürgermeistern Reiher, Wachschlager und Eisner und weiteren 12 Mitgliedern. Sie hat bis zum 12. Mai 1794 die Geschäfte der Stadt geführt. Inzwischen wurde seitens der preußischen Provinzial- und Zentralbehörden die Einrichtung der künftigen Verfassung der Stadt durch eingehende Beratungen festgestellt. Sie ist in Übereinstimmung mit der Verfassung von Elbing, nicht nach der Danziger, eingerichtet worden, indem für die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten ein Kombinierter Magistrat bestellt wurde, der in ein Polizei- und ein Justizdepartement zerfiel.

[134] Das "Reglement für den Magistrat der Stadt Thorn" wurde unterm 20. März 1794 erlassen1). Es war bestimmt für den Kombinierten Magistrat und dessen Polizeidepartement. Nach Maßgabe des Patentes vom 2. Juni 17932) wurden ausdrücklich alle Kollegien, Gerichte und Ämter in der Alt- und Neustadt Thorn aufgehoben und ein Vereinigter Magistrat, der in zwei verschiedene Departements, in den Polizeimagistrat und das Stadtgericht, eingeteilt wurde, angeordnet. Die bisherige dritte Ordnung wurde nicht wieder hergestellt.

Das Kombinierte Magistratskollegium bestand danach aus dem Oberbürgermeister und Polizeidirektor, der zugleich Commissarius loci war - d. h. die Stadt stand nicht unter einem Steuerrat, sondern unmittelbar unter der Kriegs- und Domänenkammer in Marienwerder - ferner aus einem Justizbürgermeister und Oberrichter, einem Polizeibürgermeister, 3 Stadträten und 2 kaufmännischen Assessoren3). Von diesen gehörten zum Polizeimagistrat der Oberbürgermeister, der Polizeibürgermeister und 4 Stadträte, zum Stadtgericht der Justizbürgermeister und die übrigen 4 Stadträte. Der Vereinigte Magistrat hatte seine eigenen Mitglieder und sämtliche städtischen Beamten zu wählen, nur die Ernennung des Oberbürgermeisters und des Justizbürgermeisters blieb dem Könige vorbehalten. Die gewählten Mitglieder wurden von der Kammer, die des Stadtgerichts von der Regierung bestätigt.

Unter der Verwaltung und Gerichtsbarkeit des Magistrats und seiner Departements standen die Alt- und Neustadt Thorn mit den Vorstädten und sämtliche im Weichbilde und Territorium der Stadt belegenen Ortschaften mit Ausnahme der Eximierten. Sachlich blieben ausgenommen die Gegenstände, die das Interesse des Fiskus betrafen und die die Amtspflichten der Geistlichen und der Kirchen- und Schulbedienten angingen. Das Patronatrecht dagegen behielt der Magistrat unter Aufsicht der Regierung.

Zum Geschäftsbereiche des Vereinigten Magistrats gehörte die Wahl der Beamten, der Prediger und der Kirchen- und Schulbedienten, die Verwaltung des Vermögens der Kirchen, Schulen, Stiftungen und Armenanstalten und alle den statum publicum angehende Sachen, welche die städtischen Rechte, Besitzungen, Grenzen, Abzugsgelder und das Kadukrecht betrafen.

Dem Polizeimagistrat wurden übertragen alle den Statum [135] oeconomicum angehende Sachen, die Verwaltung und Bewirtschaftung der Kämmereipertinenzien, die Erhebung der städtischen Einkünfte, die Ausgaben zur Unterhaltung der öffentlichen Gebäude, Straßen und Brücken, die Beförderung des Handels und der Entscheid in Streitigkeiten, welche Handelsvergehen betrafen. Weiter waren dem Polizeimagistrat zugewiesen alle Fabriken-, Manufaktur- und Handwerksachen, die Aufsicht über Maß und Gewicht, die Lebensmitteltaxen, Feueranstalten und Nachtwachwesen, Gesundheitspflege, Bausachen, Sicherheitspolizei, Militär- und Servisangelegenheiten und Gesindesachen.

Dem Stadtgericht wurden ganz allgemein durch das Reglement zugewiesen alle Zivil-, Konkurs- und Liquidationsprozesse, die Vormundschaften und das Hypothekenwesen. Auch die Handlungs- und Schiffahrtsachen gehörten vor das Stadtgericht, da in Thorn hierfür nicht, wie in Danzig, besondere Gerichtshöfe eingerichtet worden sind. Die bisherigen in Thorn geltenden statutarischen Rechte, das Kulmische Recht und die Thorner Willkür von 1634, blieben in Kraft. Als Hilfsrecht wurde im Januar 1795 auf Bitte der Stadt selbst das Allgemeine Landrecht vorgeschrieben1). Unterm 8. Juli 1794 erhielt das Stadtgericht eine eigene Instruktion2).

Am 12. Mai 1794 wurde die zur Verwaltung der Geschäfte vorläufig eingesetzte Ratsdeputation durch den Regierungspräsidenten von Schleinitz und den Kammerpräsidenten von Korckwitz aufgehoben und der neue Magistrat unter Übergabe des Reglements eingeführt und vereidigt. Seine Mitglieder waren der Oberbürgermeister Ledrich3), bisher Kriegs- und Domänenrat in Gumbinnen, der Justizbürgermeister und Oberrichter Schmidt, bisher Justizrat in Angermünde, ehrenhalber die vormaligen Bürgermeister Reyher und von Geret, der Polizeibürgermeister Eisner und die Stadträte Kannenberg, Giering, Wachschlager, Lydke, Sommering, Grabowsky, Spiller und Scheibler.

Man hatte bei der ersten Ordnung den Umfang der Geschäfte, namentlich aber den des Handelsverkehrs, nicht vollkommen ermessen können. Zwei Jahre später wurde deshalb zur besseren Ordnung und zur Entlastung des Polizeimagistrats, ebenso wie in Danzig, ein besonderes "Königlich Preußisches Polizeidirektorium" angeordnet und dem damaligen Oberbürgermeister und Polizeidirektor [136] Schmidt unterm 27. Juni 1796 eine Instruktion als Polizeidirektor vorgeschrieben. Er erhielt die Befugnis, sich ein Mitglied aus dem Polizeimagistrat zu wählen, der als Polizeiassistent gemeinschaftlich mit ihm die Geschäfte zu bearbeiten hatte. Die Zuständigkeit des Polizeidirektors erstreckte sich über die ganze Stadt und die Vorstädte ohne Unterschied des Standes ihrer Einwohner mit Ausnahme des wirklichen Militärs. Für die Bezirke Altstadt, Neustadt und Vorstadt wurden drei Polizeikommissare ernannt. Im besonderen wurden dem Polizeidirektor aufgetragen: Nachtwachwesen und Feueranstalten, Ufer, Deiche, Dämme, Aufsicht über die Apotheken, über die geheimen Gesellschaften und das Vereinswesen, Markt- und Taxwesen und Lebensmittelpolizei, Auf- und Vorkäuferei, Konzessionswesen, Gesindesachen, Bauwesen, Betteln, Straßenreinigung und Beleuchtung.

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  • Seite 133:[Ein Klick auf die Fußnoten-Nummer bingt Sie zurück zu Ihrem Ausgangspunkt, der dann in der ersten Zeile steht.]

  • 1)  Akten des Geh. St-A. Gen. Dir. Städtesachen Thorn I Nr. 2, 7, 33, II Nr. l.
    2)  Nach einem Schreiben Thorns an Danzig vom 22. März 1793 im St.-A. Abt. 300, 31 A Nr. 62. Vgl. Semrau, Gedenkschrift zur hundertjährigen Feier der Vereinigung Thorns mit Preußen. Mitt. des Koppernikusvereins Heft 8 S. 29.
  • Seite 134:[Ein Klick auf die Fußnoten-Nummer bingt Sie zurück zu Ihrem Ausgangspunkt, der dann in der ersten Zeile steht.]

  • 1)  Gedruckt NCC IX, 2045 ff.
    2)  Gedruckt N00 IX, 1609 ff. und Leman, Einleitung 8. 197.
    3)  Sie wurden nach Bedarf zur Erstattung von Gutachten auf Erfordern des Oberrichters herangezogen.
  • Seite 135:[Ein Klick auf die Fußnoten-Nummer bingt Sie zurück zu Ihrem Ausgangspunkt, der dann in der ersten Zeile steht.]

  • 1)  Leman, Einleitung 8. 21.
    2)  Auszug daraus bei Leman, Einleitung S. 203.
    3)  Chr. Friedr. Ledrich starb schon am 7. März 1795, sein Nachfolger wurde der Oberrichter Schmidt, dessen Nachfolger als Juetizbürgermeister der westpreußische Regierungsrat Reichardt.
 
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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 01.11.2007