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Max Bär: Die Behördenverfassung in Westpreussen seit der Ordenszeit.  


Die Behördenverfassung
in Westpreußen seit der
Ordenszeit


Von
Max Bär

1912

Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text II. Westpreußen unter polnischer Herrschaft.
7. Die Städte
A. Im allgemeinen
 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.


[54] Die Städte Westpreußens, die in diesem Abschnitt behandelt werden sollen, sind zwar alle - bis auf Neustadt - in der Zeit vor Beginn der polnischen Herrschaft in Preußen gegründet worden. Die Entwickelung ihrer Verfassung fällt aber doch, zumal bei den großen Städten, in diese letztere Zeit und in ihr erhielt der Organismus der Stadtverwaltung diejenige feste Form, die dann im 17. und 18. Jahrhundert [55] in den schriftlichen Denkmälern der städtischen Überlieferung in die Erscheinung tritt. Es empfiehlt sich daher, ihre Verfassung in diesem Abschnitt kurz zur Darstellung zu bringen.

Während die Städte des deutschen Reiches im allgemeinen natürliche Gebilde waren, die aus Bauerschaften oder Landgemeinden oder aus Ansiedlungen bei einer Burg oder Kirche zu befestigten Orten mit Markt- und Stadtrecht erwuchsen, sind die preußischen Städte mit wenigen Ausnahmen Gründungen, die der Kolonisationstätigkeit des deutschen Ordens ihr Dasein verdanken. Die älteren Städte des Reiches mußten sich ihre Verfassung und die Selbständigkeit ihrer Verwaltung meist im Widerstreit gegen den Stadtherrn erst nach und nach er- kämpfen; in der Ostmark wurden diese Rechte den Städten gleich bei der Gründung mit einemmale übertragen. Mit dem magdeburgischen oder - wie man dieses für Preußen geänderte Recht richtiger bezeichnet - mit dem kulmischen Recht erhielten die neugegründeten Städte auch sofort die diesem Rechte entsprechende Verfassung durch die erteilten Handfesten verliehen. Während bei einigen Städten die Verleihung des Stadtrechtes erst erfolgte, nachdem bereits eine Besiedelung vorausgegangen war, wurden andere erst auf Grund des ihnen im voraus verliehenen Privilegs erbaut. Die Leitung der Stadtanlage wurde in solchem Falle, ähnlich wie bei den Dörfern, einem Manne übertragen, der für diese Mühewaltung gewisse Vorrechte erhielt, namentlich die Erblichkeit des Schulzen- oder Richteramtes. Er war also der Erbrichter der von ihm lozierten Stadt, als welcher er das Recht des erblichen Vorsitzes in dem von den Bürgern erwählten Schöffenkollegium ausübte. Bei den nicht in dieser Weise lozierten Städten wurde auch der Richter gewählt, ein Unterschied, der bei der geringen Machtbefugnis des Erbschulzen gegenüber dem seinen Einfluß beschränkenden städtischen Rat und bei der Auskaufmöglichkeit des Amtes durch die Stadt oder seiner Erwerbung durch Aussterben der Familie von geringer Bedeutung war.

Mit den vom Orden begründeten Städten vereinigte die Erwerbung Pomerellens auch die Städte dieses Landesteiles unter der Herrschaft es Ordens. Die meisten von ihnen waren Gründungen pomerellischer Zeit, wie Altstadt-Danzig, Dirschau, Schweiz, Neuenburg, Tuchel und Konitz oder wie die schon etwas früher vom Orden erworbenen Orte Mewe und Stargard. Aber auch sie erhielten zum Teil neue Handfesten vom Orden, der auch hier noch neue Städte, wie Preußisch-Friedland, Hammerstein, Baldenburg, Schlochau, Putzig und vielleicht auch Heia gründete, vor allem aber die schnell erblühende Rechtstadt Danzig erstehen ließ.

[56] Unter diesen preußischen und pomerellischen Städten nahmen Danzig, Elbing und Thorn eine besondere Stellung ein. Sie führten als Vorderstädte in ihren Palatinaten die Bezeichnung Quartierstädte. Die übrigen standen von den Zeiten des Ordens her und durch den gemeinsamen Widerstreit gegen den Adel wegen der Teilnahme an den Landtagen in einer Verbindung, in welcher Marienburg das Direktorium ausübte. Dieses Direktorium entsprach früher hinsichtlich des Landtages den Obliegenheiten, die der Marschall des Adels auszuführen hatte. Später wurden vom polnischen Hofe die Sachen, die den übrigen Städten bekannt gemacht werden sollten, an das Direktorium gesandt. Im übrigen führten im Kreise der umliegenden kleineren Städte einige, nämlich Marienburg, Graudenz, Dirschau, Preußisch-Stargard und Konitz den Namen bevollmächtigte Städte. Zu diesen Kreisen gehörten: Zu Marienburg Christburg, Stuhm, Neuteich und Tolkemit, zu Graudenz Strasburg, Lessen, Neumark, Rehden, Gollub, Lautenburg und Schönsee, zu Dirschau Mewe, Neuenburg, Schwetz und Putzig, zu Stärgard Schöneck und Bereut, zu Konitz Baldenburg, Preußisch-Eriedland, Tuchel, Hammerstein, Schlochau und wohl auch Landeck. Das hier fehlende Städtchen Heia war 1526 Eigentum der Stadt Danzig geworden.

Als Mediatstädte kann man die bischöflichen und die vom Woiwoden Jakob von Weiher 1643 angelegte Stadt Neustadt rechnen. Zu den bischöflichen gehörten Kulmsee, Briesen, Löbau, Kauernik und schließlich auch das einst berühmte Kulm, welches durch den Abfall vom preußischen Bunde von der vormaligen Höhe und schließlich durch Schenkung des Königs Alexander an den Kulmer Bischof zu einer bischöflichen Stadt herabgesunken war.

Durch die Teilung Polens im Jahre 1772 wurden auch die Städte des Netzebezirkes mit Westpreußen vereinigt. Von ihnen gehören noch heute zur Provinz Deutsch-Krone, Flatow, Jastrow, Kamin, Krojanke, Märkisch-Friedland, Schleppe, Tütz, Vandsburg und Zempelburg. Sie hatten sämtlich magdeburgisches Recht und wiesen die entsprechende Rats- und Gerichtsverfassung auf, die freilich am Ende der polnischen Herrschaft bei der Bedeutungslosigkeit und Armut dieser Gemeinwesen stark verkümmert war.

Eine gesonderte Namhaftmachung erfordern endlich diejenigen preußischen Städte, welche erst durch die Verwaltungsorganisation Friedrichs des Großen mit Westpreußen vereinigt worden sind. Es sind das die Städte der früher zu Ostpreußen und zum Königsberger Kammerbezirk gehörigen Hauptämter Marienwerder und Riesenburg und der Erbämter Schönberg und Deutsch-Eylau, nämlich Marienwerder [57] und Garnsee; Riesenburg, Bischofswerder und Freystadt; Rosenberg und Deutsch-Eylau. Abgesehen von dem letzten Orte waren es die zum vormaligen Bistum Pomesanien gehörigen Städte. Marienwerder und Deutsch-Eylau hatte der Orden, die übrigen die Bischöfe oder das Kapitel und zwar sämtlich auf kulmisches Recht gegründet.

Durch die polnische Teilung kam auch die kleine Stadt Gorzno, eine alte Gründung des Bischofs von Plock, an Westpreußen. Sie wurde aber schon 1773 ihrer städtischen Eigenschaft entkleidet und als Flecken erklärt.

Die Verwaltung in diesen Städten ruhte in der Hand eines Rates, dessen Mitglieder anfänglich von der Bürgerschaft, dann aber in weiterer Entwickelung vom Rate selbst erwählt wurden. Nur solche Personen konnten in den Rat gewählt werden, die der Landesherrschaft bzw. ihren Vertretern, den Komturen und später den Hauptleuten (Starosten), genehm waren. Gleichwohl ist das Bestätigungsrecht durchaus nicht ausdrücklich oder gar regelmäßig ausgeübt worden. Die Dauer des Ratsamtes betrug in allen Städten ein Jahr, nur in Elbing, als mit lübischem Rechte bewidmet, war das Amt lebenslänglich. Durch die Möglichkeit und schließlich die Regel der Wiederwahl wurde dieser Unterschied nahezu aufgehoben. Ebenfalls durch den Rat erfolgte auch die Wahl des Bürgermeisters und gegebenen Falles seines Kumpans, der proconsules. Die Zahl der Ratmänner schwankte nach der Größe der Städte im allgemeinen zwischen sechs und zwölf, die der Bürgermeister zwischen ein und vier. Vielfach schied sich der Rat in den neuen, sitzenden, und in den alten, nichtsitzenden Rat.

Der Rat vertrat die Stadt gegenüber dem Orden und später dem Könige und in ihren sonstigen äußeren Beziehungen. Der Erlaß städtischer Willküren und Ordnungen stand nicht bei ihm allein, sondern war an die Zustimmung des Ordens gebunden. Dagegen verwaltete der Rat selbständig die Finanzen der Stadt, auch die Nutzung der städtischen Ländereien und die Einrichtung öffentlicher, zu Stadt- und Handelszwecken dienender Gebäude, er handhabte den weiten Umfang des Polizeiwesens.

Nur in Elbing, als mit lübischem Rechte bewidmet, übte der Rat auch die Gerichtsbarkeit aus. In allen übrigen Städten bestand neben dem Rate, gleichfalls von diesem gewählt, ein zweites Kollegium, das Schöffengericht mit einem Stadtrichter an der Spitze. Die Schöffengerichte übten die Gerichtsbarkeit aus über die Bürger und Einwohner der Stadt und ihres Landbesitzes. Nur die Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über liegende und fahrende Habe, auch Entscheide in Polizei-, Waisen- und Handwerksachen wurden vielfach vor dem Rate [58] vollzogen. Bei den Strafvollstreckungen muBte als Vertreter der königlichen Gewalt der Hauptmann (Starost) hinzugezogen werden. Neben Rat und Gericht war in einigen namhafteren Städten durch die Weiterbildung der Verfassung eine sogenannte dritte Ordnung erwachsen. Es war natürlich, daß je nach dem Wachstum einer Stadt und je nach dem Rückgang zu polnischer Zeit sich die Verfassungen verschieden entwickelt haben oder ganz verkümmert sind. Als Beispiele einer reichen Verfassungsentwickelung sollen im folgenden Danzig, Elbing und Thorn besonders behandelt werden. Zuvor aber gebe ich eine allgemeine Übersicht über die westpreußischen Städte und ihr Alter, die zugleich die territoriale Einteilung verdeutlichen mag.

In der Woiwodschaft Marienburg:

    Christburg (Kiszpork), schon früher vom Orden gegründet, erhielt 1288 eine Handfeste.

    Elbing (Elbląg), erhielt 1246 eine Handfeste vom Orden, die Neustadt Elbing 1347.

    Marienburg (Małbork) vom Orden gegründet, erhielt 1276 eine Handfeste.

    Neuteich (Nytych) erhielt vom Orden 1316 eine Handfeste.

    Stuhm (Sztum) 1416 vom Orden gegründet.

    Tolkemit (Tolkmicko) 1351 vom Orden gegründet.

In der Woiwodschaft und dem Bistum Kulm:

    Gollub (Golub), als Dorf zuerst 1254 genannt. Zeit der Stadtgründung unbekannt. Spätere Handfeste des Ordens von 1421.

    Gorzno (Górzno). Handfeste des Bischofs von Plock von 1327.

    Graudenz (Grudziąz), zuerst 1222 erwähnt; die Stadt erhielt 1291 eine Handfeste vom Orden.

    Lautenburg (Lidzbark). Vermutlich in der Zeit von 1320-1331 vom Landmeister gegründet.

    Lessen (Łasin), 1298 vom Orden gegründet.

    Neumark (Nowemiasto) vom Orden 1325 gegründet.

    Podgorz, etwa zwischen 1450 und 1510 entstanden.

    Rehden (Radzyn), vom Orden gegründet, erhielt 1285 eine neue Handfeste.

    Schönsee (Kowalewo), 1275 (?) erbaut.

    Strasburg (Brodnica), 1298 zuerst als Stadt genannt.

    Thorn (Torun), erhielt nach der Gründung durch den Orden die Handfeste von 1233; die Neustadt Thorn erhielt eine solche 1264.

und im Bistum:

    Briesen, früher Friedeck (Wąbrzezno), 1251 zuerst als Stadt genannt.

    [59] Kauernik (Kurzętnik), zuerst 1330 erwähnt.

    Kulm (Chełmno), erhielt nach der Gründung durch den Orden die Handfeste von 1233.

    Kulmsee (Chełmza), 1251 als Stadt genannt.

    Löbau (Lubawa), gegründet vor 1269, bald nach diesem Jahr neu gegründet.

In der Woiwodschaft Pomerellen:

    Baldenburg (Białembork). Ordenshandfeste von 1408.

    Berent (Costrina, Kościerzyna), wird schon im 13., als Stadt erst im 15. Jahrhundert genannt.

    Danzig (Gdansk), die Altstadt Danzig Gründung pomerellischer Zeit; die Rechtstadt Danzig erhielt einige Jahrzehnte nach ihrer Gründung durch den Orden die Handfeste von 1343; die Jungstadt Danzig wurde 1380 vom Orden gegründet.

    Dirschau (Tczew), pomerellische Gründung von 1260.

    Hammerstein (Hamersztyn), Ordenshandfeste von 1395.

    Hela, Ordenshandfeste von 1378.

    Konitz (Chojnice), pomerellische Gründung (1205).

    Landeck (Lendyk), Zeit der Anlage nicht bekannt.

    Mewe (Gniew), pomerellische Gründung, erhielt 1297 vom Orden eine Handfeste.

    Neuenburg (Nowe), pomerellische Gründung.

    Neustadt (Weihersfrei, Wejrowo und Nowe miasto), 1643 durch Jakob von Weiher gegründet.

    Preuß.-Friedland (Frydiand), Ordenshandfeste von 1354.

    Putzig (Puck). Der Marktnecken erhielt 1348 eine Handfeste vom Orden.

    Schlochau (Człuchowo), 14. Jahrhundert.

    Schöneck (Skarzewy), im 13. Jahrhundert von den Johannitern gegründet.

    Schwetz (Swiecie), Gründung pomerellischer Zeit, erhielt 1338 vom Orden eine Handfeste.

    Stargard (Starogród), pomerellische Gründung, erhielt vom Orden 1348 eine Handfeste.

    Tuchel (Tuchola), pomerellische Gründung des 13. Jahrhunderts, erhielt 1346 vom Orden eine Handfeste.

In der Woiwodschaft Posen:

    Deutsch-Krone, früher Arnskrone (Wałcz), 1303 durch zwei brandenburgische Vasallen gegründet.

    Jastrow (Jastrowie), erhielt 1602 Stadtrecht.

    [60] Märkisch-Friedland, früher Neu-Friedland (Frydiandek), erhielt 1314 von der Familie von Wedel ein Stadtprivileg, nachdem die Stadt einige Jahre vorher begründet.

    Schloppe (Człopa), wird zuerst 1331 und als Stadt 1350 genannt.

    Tütz (Tuczno), bestand schon 1306 als Stadt und erhielt 1331 brandenburgisches Recht.

In der Woiwodschaft Kaiisch:

    Flatow (Złtowo), erhielt erst 1665 durch den Grundherrn Stadtrecht.

    Kamin (Kamień), 14. Jahrhundert.

    Krojanke (Krajenka), erhielt 1420 ein vom Könige von Polen bestätigtes Privileg unbekannten Inhalts.

    Vandsburg (Wiěcbork), zuerst im 14. Jahrhundert genannt.

    Zempelburg (Sępolno), im 14. Jahrhundert als Stadt gegründet. Bis 1772 zum Kammerbezirk Königsberg gehörige Städte:

    Bischofswerder (Biskupice), wurde vom Bischof von Pomesanien 1325 gegründet.

    Bischofswerder (Biskupice), wurde vom Bischof von Pomesanien 1325 gegründet.

    Freistadt (Kisielice) wird, bedeutend älter, erst 1397 und 1402 als Stadt erwähnt.

    Garnsee (Gardeja), bereits früher gegründet, erhielt vom Bischof von Pomesanien 1334 eine neue Handfeste.

    Marienwerder (Kwidzyn), 1234 vom Orden gegründet.

    Riesenburg (Prabuty), vom Bischof 1276 gegründet.

    Rosenberg (Susz), erhielt 1315 seine Handfeste vom Domkapitel von Pomesanien.


 
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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 01.11.2007