HEIM@THORN: DAS BUCH / Heinrich, der Hansekaufmann und Grundherr
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Wappen der Familie Krüger aus Thorn

Horst Ernst Krüger:


Die Geschichte einer ganz normalen
Familie aus Altthorn in Westpreussen


kommentiert und um Quellen ergänzt von Volker Joachim Krüger

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Heinrich, der Hansekaufmann und Grundherr  Genealogie

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang in der Originalausgabe, die dem Herausgeber vorliegt.

Hinter dem eröffnen sich genealogische Zusammenhänge in Bezug auf die betreffende Person.

Falls Sie sich den Originaltext, um den es an der so bezeichneten Stelle geht, ansehen wollen, so werden Sie hier fündig.

Und mit diesem Zeichen macht der Herausgeber dieses Dokuments auf Fragen auf-
merksam, die sich ihm zu dem jeweiligen Text gestellt haben.

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Mein Vater hatte die vollzählige und lückenlose Reihe der Nachkommen von Hans Krüger bis in unsere Zeit hinein erforscht, ihre Namen und die wichtigsten Daten in einer Ah[11]nentafel zusammengestellt. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges und der Flucht wären diese Unterlagen beinahe verloren gegangen. Mein Vater hatte darüber hinaus alle Briefe, Urkunden und Verträge und was sonst noch von familiengeschichtlichem Wert war, gesammelt und in einem kleinen Familienarchiv zusammengefaßt. Meine Schwägerin Ilse Krüger hatte die wichtigsten Stücke fotokopieren lassen und wie durch ein Wunder in den Westen gerettet. Dadurch gelangte ich in den Besitz eines Zeitungsartikels von Willibald Krüger aus Königsberg []. Er hatte ebenso wie mein Vater, aber ohne ihn persönlich zu kennen, Familienforschung betrieben.

Willibald Krüger stützte sich auf die Forschungsergebnisse von Jakob Heinrich Zernecke(1), Arthur Semrau und Reinhold Heuer(2). Unter anno 1470 schreibt Zernecke []: "In diesem Jahr ist Heinrich Kriger, dieses Namens der erstere Anherr, nach Thorn kommen, und sehr berühmt geworden." Dieser Heinrich Krüger, so schreibt Willibald Krüger in seinem Artikel, war aus Köln am Rhein "gen Osten gefahren" und hat sich in seiner neuen Heimat an Weichselstrand rasch emporgearbeitet. Seinen schnellen Aufstieg zu Reichtum und Würden mag er neben kaufmännischer Tätigkeit auch den verwandtschaftlichen Beziehungen zu angesehenen Thorner Ratsfamilien verdankt haben, die er durch seine Ehe mit Christine v. Allen erwarb. Diese war die Tochter des Bürgermeisters Thilo v. Allen und seiner Ehefrau Christine Watzelrode, einer Schwester der Mutter des größten Thorners, Nikolaus Copernicus, Barbara Watzelrode. Eine Schwester der Christine Krüger, Barbara v. Allen, war mit dem Bürgermeister Johann Beutel verheiratet, durch dessen Kinder sich verwandtschaftliche Beziehungen zu den Familien Schachmann und Schottdorf ergaben.

Durch diesen Artikel, den mein Vater kannte, wurde ich angeregt, bei den von Willibald Krüger genannten Historikern weiter zu forschen. Es waren dies Professor Arthur Semrau und Pfarrer Dr. Reinhold Heuer. Ein Literaturhinweis ließ mich auf die "Geschichte der ländlichen Ortschaften und der [12] kleinen Städte des Kreises Thorn" von Hans Maerker(3) aufmerksam werden. Diese Quellen erwiesen sich als sehr ergiebig. Mein Vater kannte den Thorner Ehrentempel von Karl Gotthelf Prätorius(4) nicht. Dieses Werk enthält ein »Verzeichnis der Bürgermeister und Ratmänner der Stadt Thorn von den frühesten Zeiten bis zur Gegenwart errichtet und mit geschichtlichen Notizen versehen". Es hatte für uns einen großen Wert, weil es die familiäre Abstammung von Hans Krüger von Heinrich Kriger nachweist. Aus dem Ehrentempel ist nicht das Vater-Sohn-Verhältnis der sechs Krügers zu erkennen, die hintereinander oder auch gleichzeitig Ratsherren oder Bürgermeister von Thorn waren. Es können auch Brüder oder Neffen gewesen sein, die aufeinander die politischen Positionen bekleideten. Prätorius läßt aber keinen Zweifel daran, daß sie alle Nachkommen von Heinrich Krüger I sind. Dieser Historiker ist es auch, der ihm den Namen Krüger I und nicht Kriger gab. Die Schreibweise unseres Namens wechselte im 15. und 16. Jahrhundert je nach Mundart und ethnischer Zugehörigkeit der Protokollführer zwischen Kriger, Krieger, Cryger, Kruger und Krüger. Prätorius beurkundete die Zugehörigkeit der sechs Ratsherren oder Bürgermeister zu unserer Familie dadurch, daß er hinter ihre Familiennamen die römischen Ziffern I bis VI setzte. Die Bücher dieser Autoren fand ich in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. Wie reich ist der deutsche Sprachraum an historischer Literatur.

Auch an Romanen mit geschichtlichem Hintergrund aus dem 15. Jahrhundert fehlt es nicht. Die Königin der Weichsel lockte die Schriftsteller mit interessanten Namen und Geschichten.

Ich las den Roman von Ernst Wichert "Der Bürgermeister von Thorn"(5) Durch ihn gewann ich Einblicke in die Machtstruktur, in die Institutionen und das Bewußtsein der agierenden Personen in unserer Heimatstadt an der Weichsel.

Wir wissen nicht, welchen ökonomischen und gesellschaftlichen Status die Familie von Heinrich Krüger I in Köln hatte. Er war ausgebildeter Kaufmann, als er 1470 aus der Han[13]sestadt am Rhein in die Hansestadt an der Weichsel gekommen war. Das deutet auf enge zwischenstädtische Beziehungen der Kaufleute und auf Handelsverkehr, wahrscheinlich sogar auf dem Wasserwege, hin. Der atemberaubende politische und wirtschaftliche Aufstieg von Heinrich hatte mehrere Gründe. Wir erinnern uns: Thorn war im Ordensstaat zur Handelsmetropole herangewachsen. Für ihre großen Handelshäuser war der Konflikt des Ordens mit der polnisch-litauischen Großmacht ein Kampf um Handelsprivilegien. Sie waren die Quelle ihres Wohlstandes, die es zu erhalten galt. Der Thorner Bürgermeister Tidemann vom Wege vollzog an der Spitze des Preußischen Bundes den Abfall vom Deutschen Ritterorden und die Unterstellung der westlichen Landesteile des Ordensstaates unter die Polnische Krone. Sein Landesherr konnte ihm im Verlauf des Krieges die Sicherheit der Handelsbeziehungen seiner Stadt, für die er verantwortlich war, nicht gewährleisten. So kam es zu dem Städteaufstand von 1453 und zu seinem militärischen Frontwechsel an die Seite des Polnischen Königs. Was Tidemann vom Wege dadurch erreicht hatte? Im Zweiten Thorner Friede 1466 blieben seiner Stadt die Handelsprivilegien erhalten. Sie wurde außerdem von den nachfolgenden Polnischen Königen mit einem riesigen Territorialbesitz ausgestattet.

Eine weitere günstige Voraussetzung für Heinrich Krügers I Aufstieg war sein Beruf. Als Hansekaufmann war er nach Thorn gekommen. In der Zeit wurde die Hanse von der Hafenstadt Danzig, die den Ostseehandel beherrschte, reorganisiert und in vier Viertel untergliedert. Danzig war die Führung der preußisch-livländischen Städtegruppe zugefallen, zu der Thorn gehörte. Die Führung des ersten Viertels hatte Lübeck, des zweiten Viertels Köln. Die Hansestädte waren nicht absolut frei, wie wir es soeben am Beispiel von Thorn gesehen haben. Die Territorialherren waren bestrebt, über die jeweiligen Stadträte, ein indirektes Mitbestimmungsrecht über die Hanse auszuüben.

Heinrich mußte deswegen als Ratsherr im Jahre 1493 zum ersten Mal mit dem neu gewählten König von Polen Johann Al[14]bert, polnisch Jan Olbracht, über das Stapelrecht seiner Heimatstadt verhandeln. Dieses Privileg, das auch die "Niederlage" genannt wird, bedeutet, daß alle Waren, die auf der Weichsel verschifft wurden, den Thornern Handelshäusern zum Kauf angeboten werden mußten. Das Privileg war die Quelle ihres Reichtums, das sie gegen den polnischen Landadel und später auch gegen den katholischen Klerus verteidigen mußten. Heinrich hatte offensichtlich Erfolg bei seinen Verhandlungen, denn anschließend war vier Jahre Ruhe. Anlaß zu einem Protest der Thorner gab es erst wieder anläßlich eines Kon-vents auf der Marienburg, als ein gewisser canonicus Trzewicki eine Schiffsladung mit Getreide nicht in Thorn ausladen gelassen hatte.

Drei Jahre nach Heinrichs Fahrt gen Osten war er bereits Mitglied des mächtigen Stadtrates von Thorn und nach weiteren zehn Jahren erstmalig Bürgermeister. Dieses Amt wechselte dann jährlich zwischen Hermann Hutfeld (1484), Tilmann v. Allen, seinem Schwiegervater (1485) und Johann Scherer (1486). Im nächsten Jahr durfte wieder Heinrich dem Stadtrat vorsitzen, dann in der gleichen Reihenfolge Hutfeld, Heinrichs Schwiegervater und wieder Scherer. Das Spielchen ging bis 1499 so weiter, dann hatten die anderen den Heinrich satt und haben ihn ausgebootet. Seine Verhandlungsmission 1493 beim König von Polen Johann Albert war erfolgreich verlaufen, denn zwei Jahre danach verlieh "der Raht dem Ersamen Herrn henrich Kriger, Burgermeister, zu seinen Lebetagen Frey und ohne allen Zins die Lehmgrube vor der Neustadt zu einem Karpfenteich"(1). Der gleich folgende Nachsatz enthält aber die Verfügung des sparsamen Stadtrate, daß Heinrichs Erben einen Zins zahlen sollen und verpflichtet seien, ein Haus bei dem Teich zu bauen, damit dieser nicht verwahrlose. Schon 1495 hatte Heinrich das Stadtgut Sackeraw, polnisch Zakrzewo, gekauft.

Die Orts- und Gutsnamen wurden zu der Zeit in Urkunden zweisprachig ausgefertigt. Man darf sich aber diesen Kauf nicht so vorstellen, als ob das Gut in das Privateigentum der Familie Krüger übergegangen wäre. Diese Institution gab es da[15]mals noch nicht. Heinrich hätte es sicher gerne zu Eigentum übernommen, daran möchte ich keinen Zweifel aufkommen lassen. Dem stand aber das Kulmer Recht entgegen, das die Übernahme des Gutes nur in Erbpacht ermöglichte. Das lebende und tote Inventar mußte der Erwerber kaufen, sofern er das Gut bewirtschaften wollte. Boden und Gebäude blieben im zinspflichtigen Eigentum der Stadt Thorn. Nutzungsrecht und Eigentum waren nach dem Kulmer Recht streng voneinander getrennt.

Nach dem Motto, irgend etwas wird schon hängenbleiben, hatte Heinrich in seinem letzten Jahr 1497 in dem er Bürgermeister war, eine eigenartige Geschichte durchzustehen. Sie muß hier erwähnt werden, weil sie zeigt, daß er auch Neider hatte. Entweder gehörten sie zur besitzlosen Unterschicht, denen die Verfilzung des oligarchischen politischen Systems nicht paßte, oder sie saßen im Stadtrat. So etwas soll vorkommen. Es ist leider nicht mehr aufzuklären, welcher Gruppe sie zugehörten. Jedenfalls hatte ein Franz Fengelhelm in Heinrichs Wappen einen Galgen gemalt und lockere Reden über die vier Bürgermeister geführt, die zum Teil verschwägert waren und sich in der Amtsausübung abwechselten. Unter dem Vorsitz von Heinrich hatte der Stadtrat jenen aufmüpfigen Schmierer ins Gefängnis stecken und verhören lassen. Fengelhelm hatte wohlwollende Fürsprache der Polnischen Königin, des Kardinals und des Bischofs. Er stritt alle abträglichen Äußerungen ab und wurde, nachdem er eine milde Strafe verbüßt hatte, aus der Haft entlassen. Er mußte aber vorher eine Erklärung abgeben, daß er den Galgen in des Bürgermeisters Wappen aus reiner Bosheit hineingemalt und dadurch dessen ganzes Geschlecht geschädigt habe. Dieses Unrecht sei von ihm verübt worden, erklärte er, obwohl der Herr Bürgermeister ihm kein Leid zugefügt habe, ganz im Gegenteil, er habe sein Amt stets redlich und ehrenhaft geführt und sei im übrigen ein frommer Mann.

Als Kulmischer Landschöffe, Burggraf von Thorn und Römischer Ritter starb Heinrich am 19. Juni 1505. Er wurde in der Marienkirche zu Thorn beigesetzt. Auf seinem Grabstein [16] befindet sich die Inschrift: "Hie lit Henrich Kriger 1505"(2) Darüber befindet sich sein Wappen. Er war bei seinem Tode Erbherr auf Friedenau, Gostkau, Vogelsang, Konczewitz, Bruchnau, Zakrzewo, Preußisch Lanke, Niederbriesen und hatte Lebtagsrechte auf Rogowo und Rogowko.


 
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letzte Aktualisierung: 30.07.2004