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Hans-Jürgen Schuch: Historische Volksabstimmung in Ost- und Westpreußen  


Rathausturm mit Copernicusdenkmal

Hans-Jürgen SchuchDies ist ein Verweis auf eine Kurzbiographie

Rückblick nach 80 Jahren

Historische Volksabstimmung
in Ost- und Westpreußen




Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text [Der Westpreusse 13/2000, S.4 ff]

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[4] Der am 10. Januar 1920 in Kraft getretene Versailler Vertrag sah Volksabstimmungen in Teilgebieten der preußischen Provinzen Ostpreußen und Westpreußen vor. Das Ereignis jährt sich am 11. Juli 2000 und erinnert an die Einführung des Selbstbestimmungsrechtes. In Deutschland ist dieses 80 Jahre alte Ereignis, das für die damaligen Menschen in Abstimmungsgebieten aber auch für Deutschland von großer Bedeutung war, fast vergessen, Das ist aber nicht überall so. Die Jahrestagung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, 1923 gegründet, hat dieses Thema in den Mittelpunkt ihrer diesjährigen Jahrestagung gestellt. Sie findet in Allenstein, also in einem der damaligen beiden Abstimmungsgebiete, statt. Es waren polnische Historiker - korrespondierende Mitglieder der Kommission - die den Wunsch äußerten, über dieses Thema miteinander zu sprechen.

Als Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte, waren die polnischen Forderungen auch dem deutschen Volk und insbesondere der Bevölkerung Preußens bekannt. Alle kannten die 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson und besonders seinen Punkt 13. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika machte darin den Vorschlag, dass ein künftiger "unabhängiger polnischer Staat errichtet werden sollte, der die von unbestritten polnischer Bevölkerung bewohnten Gebiete" einschließen und "dem ein freier und sicherer Zugang zum Meere zugesichert werden sollte". Die Reichsregierung und die militärische Führung bauten darauf und leiteten in Kenntnis dieser Vorschläge Friedensgespräche ein. Die von Woodrow Wilson in Ost- und Westpreußen angesprochene Bevölkerung glaubte dem Präsidenten und meinte, in dieser Hinsicht vertrauensvoll den Verhandlungen in Paris entgegensehen zu können. Sie wusste, dass ihr Heimatland preußisch und damit deutsch war. Dieses hatte die Bevölkerung bei der Volksbefragung 1910 eindeutig bekundet. Zweifel gab es nicht, wohl hier und da eine polnische Minderheit, die in einigen Kreisen Westpreußens die Mehrheit hatte, in drei anderen waren es die Kaschuben. Mit beiden Volksgruppen gab es ein harmonisches Zusammenleben und aus der Sicht der Bevölkerung sollte es auch künftig ein gleichberechtigtes Zusammenleben geben. Die Menschen in Ost- und Westpreußen wussten, dass ein kaschubisch oder masurisch sprechender Mitbürger weder Pole sein wollte noch im allgemeinen polnisch dachte. Nicht wenige polnische Nachbarn lebten gerne in Preußen.

Die Siegermächte in Versailles meinten es besser zu wissen. Sie trennten von Deutschland durch den Friedensvertrag von Versailles, der trotz deutscher Unterschrift als Diktat verstanden wurde und auch Zwangsfriedensvertrag genannt werden könnte, 49 kreisfreie Städte und Landkreise ganz und 46 kreisfreie Städte und Landkreise teilweise oder in vielen Fällen fast das ganze Kreisgebiet von Deutschland ab. Darunter befanden sich größere Teile Altpreußens. Ohne vorher festzustellen, ob die betroffenen preußischen Teilgebiete "von unbestritten polnischer Bevölkerung" bewohnt oder sonst nicht deutsch waren oder sein wollten, wurde von Westpreußen ein breites Mittelstück mit z. B. den Hansestädten Kulm und Thorn, der Festungsstadt Graudenz und der " allezeit getreuen " Stadt Konitz sowie u. a. das mit großer deutscher Mehrheit bewohnte Gebiet an Brahe und Netze zugunsten der neugebildeten Republik Polen abgetrennt. Die Heimat von Nicolaus Copernicus, Hermann Löns oder z. B. Kurt Schumacher sollte nicht mehr Deutschland sein. Das Land, das Brücke war zwischen Pommern und dem östlichen Teil Preußens, Ostpreußen, aber auch zum polnischen Nachbarn, wurde Trennraum, ein nicht verbindender Korridor. Die einst bedeutende Hansestadt Danzig, die Provinzialhauptstadt Westpreußens, wurde mit andern Kreisen und Teilkreisen Freie Stadt und damit ein Unruheherd für die europäische Politik.

Ostpreußen verlor mit dem Gebiet um Soldau den südlichen Teil des Kreises Neidenburg an die Republik Polen. Zu den abgetrennten Gebieten im Osten gehörte auch das Memelland mit seiner deutschen Bevölkerung.

Vor Unterzeichnung des Friedensvertrages hatten die Betroffenen in großen Willensbekundungen ihren Wunsch, beim Deutschen Reich zu verbleiben, zum Ausdruck gebracht. Fast überall im Deutschen Reich fanden Sympathiekundgebungen statt. Doch gegen die von der Gegenseite vorgelegten falschen Beweise und den Übermut der Sieger kamen sie nicht an.

Die Forderungen Polens waren im Vergleich zur tatsächlichen Grenzziehung sogar noch größer. Die einmalige Stunde des Glücks sollte wahrgenommen, die Unwissenheit und die Sympathie der in Paris Verhandelnden genutzt werden. Um alte Träume zu verwirklichen, wurde ohne Rücksicht auf das was daraus werden könnte, die Ohnmacht des geschlagenen Deutschlands ausgenutzt. Die keineswegs einig dastehende junge deutsche Republik musste unter Missachtung des Selbstbestimmungsrechtes sowie anderer keineswegs friedenssichernden Maßnahmen Schläge hinnehmen, von denen sie sich nie erholen sollte.

Aber nicht alle polnischen Forderungen und Wünsche wurden in Versailles anerkannt. Besonders der britische Premier Lloyd George widersprach. Über einige Forderungen sollte erst entschieden werden, wenn die Bevölkerung erklärt hätte, "welchem Staate sie angeschlossen zu werden" wünschte und ob sie "zu Polen oder zu Ostpreußen gehören" wolle. Die Entscheidung sollte nicht für Deutschland oder für Ostpreußen und Westpreußen getroffen werden, sondern angesichts der Abteilung des Korridorgebietes nur noch für Ostpreußen oder Polen. Zwei im Friedensvertrag "Zonen" genannte Ab[5]stimmungsgebiete, später auch Bezirke genannt, wurden gebildet. Zu dem westpreußischen Abstimmungsbezirk Marienwerder gehörten die vier Landkreise bzw. Restkreise Marienburg, Marienwerder, Rosenberg und Stuhm, zum ostpreußischen Abstimmungsbezirk Allenstein zehn Landkreise und die kreisfreie Stadt Allenstein.

Modalitäten und Vorbereitungen

Während im ostpreußischen Abstimmungsgebiet nach Artikel 94 des Versailler Vertrages die Einwohner "berufen" wurden, "im Wege der Abstimmung zu erklären, welchem Staat sie angeschlossen zu werden wünschen", hatten die westpreußischen Abstimmungsberechtigten nach Artikel 96 "gemeindeweise kundzutun, ob sie wünschen, dass die verschiedenen in diesem Gebiete liegenden Gemeinden zu Polen oder zu Ostpreußen gehören sollen". Hier sollte also von vornherein nicht die im gesamten Abstimmungsgebiet Marienwerder festgestellte Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausschlaggebend sein, sondern das einzelne Gemeindeergebnis. Dies wirkte sich dann in fünf kleinen auf dem östlichen Weichselufer liegenden Gemeinden des Kreises Marienwerder zuungunsten Deutschlands aus, obwohl nur in zwei Gemeinden eine polnische Mehrheit festgestellt wurde. Wie hätte wohl die Grenzfestsetzungskommission entschieden, wenn eine polnische Mehrheit in einer Gemeinde erzielt worden wäre, die nicht im Grenzgebiet lag? Ähnlich wie an der Weichsel wurde in Bezug auf die kleinen Ortschaften Nappern und Klein Lobenstein / Kr. Osterode entschieden und im Falle Groschken.

Als in den für die Abstimmung vorgesehenen Gebieten die Nachricht von der anberaumten Abstimmung ein traf, herrschte zunächst Empörung. Die Bevölkerung konnte nicht verstehen, dass die Sieger in Versailles an ihrem Deutschtum zweifelten. Aber Niedergeschlagenheit und Empörung wichen bald der Vernunft. Die Menschen in den Abstimmungsbezirken erkannten, dass nur durch Selbsthilfe und Selbstbehauptung die ihnen drohende Gefahr abgewendet werden konnte. Und sie erhielten Zuspruch, Hilfe und Unterstützung aus allen Teilen Deutschlands.

Bereits zehn Tage nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages wurde in Marienburg die Arbeitsgemeinschaft der politischen Parteien für das Abstimmungsgebiet Marienwerder gegründet. Am 14. Juli 1919 folgte im Abstimmungsgebiet Allenstein die Gründung des Masuren- und Ermländerbundes. Bereits zwei Monate später zählte er 1046 Vereine mit mehr als 200 000 Mitgliedern. Er war Schutzbund und Heimatverein. Daraus entwickelten sich zentrale, alle Gruppen der Bevölkerung umfassende Ausschüsse für die Volksabstimmung.

In Westpreußen entstanden: der "Deutsche Ausschuss für Westpreußen" in Marienburg und Elbing, und am 4. Dezember 1919 der "Ostdeutsche Heimatdienst" und der "Deutsche Volksrat für das Abstimmungsgebiet Westpreußen ".

Damals hieß es, die Heimat sei in Gefahr, und die Menschen verstanden, was dies bedeutete. Heimat und Vaterland waren Werte, die niemand verlieren wollte. Ab 10. Januar 1920 war die damals lebende Generation Zeuge, wie es mit Deutschtum, Freiheit und Demokratie für die Deutschen jenseits der Versailler Grenzen aussah, sie hatte schließlich Verwandte und Freunde jenseits dieser Grenze wohnen.

Am 28. Juni 1919 war der Friedensvertrag unterzeichnet worden. Schon eine Woche später versammelten sich im großen Saal des evangelischen Gemeindehauses in Gelsenkirchen-Ueckendorf 1000 Ostpreußen, um den Ansprüchen Polens entgegenzutreten. Gleichzeitig versicherten die Vertreter aller landsmännischen Vereinigungen des rheinischwestfälischen Industriegebietes - der ostpreußischen Gebetsvereine, der ostpreußischen Arbeitervereine, der kirchlichen und außerkirchlichen Gemeinschaften - trotz mancher Gegensätze, "dass jeder rechte Masur bei der Volksabstimmung seinem deutschen Vaterland die Treue halten wird". Sie erklärten, "dass auch wir für unsere Heimat eintreten und unsere Stimme in die Waagschale werfen, erscheint uns als selbstverständliche Dankespflicht". Diese Menschen an Rhein und Ruhr, Wupper und Emscher hielten ihr Versprechen.

[6] Mahnende Worte des Reichspräsi-denten Friedrich Ebert zu Beginn des Jahres 1920, in dem das Diktat von Versailles in Kraft trat, machten Mut. Jeder begriff, dass Volk und Regierung gemeinsam der Gefahr entgegenzutreten hatten. Friedrich Ebert rief dem deutschen Volk damals zu, dass das beginnende Jahr entscheiden muss, "ob die Deutschen trotz allem als Nation, Staat oder Wirtschaft sich zu behaupten hoffen können oder durch inneren Hader, dem sich äußerer Hass zugesellt, in einem endgültigen Zusammenbruch auch die Hoffnungen ihrer Kinder begraben müssen". Eberts Worte verhallten nicht, die Deutschen fanden in dieser Frage zusammen. In den Abstimmungsbezirken Ost- und Westpreußens kam dies besonders zum Ausdruck. Ohne Rücksicht auf Partei-, Religions- oder eine Vereinszugehörigkeit wurde 1920 zusammengearbeitet.

Mit Bahn, Flugzeug und Schiff

Die Volksabstimmung wurde ge-meinsam gründlich vorbereitet und möglichst alle Stimmberechtigten wurden erfasst. Das war nicht ganz einfach, denn alle, die 20 Jahre alt und im Abstimmungsgebiet geboren waren oder dort seit 1. Januar 1905 (Allenstein) bzw. 1. Januar 1914 (Marienwerder) wohnten, waren abstimmungsberechtigt. Es galt auch alle zu erfassen, die längst nicht mehr in der Heimat lebten. Zu diesem Zweck entstanden überall freiwillige Institutionen, und überall im Deutschen Reich fanden sich Helfer. Von dem Recht zur Abstimmung konnte nur am Wohn- oder Geburtsort Gebrauch gemacht werden. Nicht alle auswärts Wohnenden konnten zur Abstimmung in die Heimat fahren. Dennoch wurden 300 Sonderzüge zusammengestellt. Insgesamt kamen 160 000 Menschen von auswärts, davon 89 637 über See. Den sogenannten Korridor konnten und mochten viele nicht durchfahren. Die Polen machten den Sonderzugreisenden Schwierigkeiten. Am 2. Juli 1920 wurde z. B. aus den ersten beiden Wählerzügen 700 Personen die Fahrt durch den Korridor verweigert. Es entstand die erste Luftbrücke in der Geschichte der Luftfahrt. Von Stolp brachten Flugzeuge Abstimmungswillige nach Elbing, das außerhalb der Abstimmungsgebiete lag, um von dort an den Abstimmungsort weiterzureisen. Diese Flüge mussten eingestellt werden, weil die Flugzeuge von Polen beschossen wurden und Flugzeuge abstürzten. Der Flieger Paul Schwandt fand dabei den Tod.

Aus allen Teilen des Deutschen Rei-ches waren die 160 000 Abstimmungswilligen gekommen: aus Kiel und Hamburg, aus Stettin und Leipzig, aus Magdeburg und Görlitz, aus Karlsruhe und Mannheim, aus Berlin und München und aus Obersee, besonders aus Amerika. Sie kamen, um die Heimat zu retten. So dachten und dementsprechend handelten sie. Fast 72 000 wollten aus dem Ruhrgebiet fahren, 60 000 konnten nur reisen. Alleine aus Gelsenkirchen waren es 7300 Ost- und Westpreußen. An der Ruhr gab es 43 örtliche Arbeitsgemeinschaften zur Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung - ähnlich wie in den Abstimmungskreisen. In Gelsenkirchen war das Büro mit 70 freiwilligen Helfern täglich besetzt.

In vielen Städten fanden Treue- und Sympathiekundgebungen statt. im Dortmunder Rathaus wurde bei eine solchen Willensbekundung "im Namen aller Behörden, Körperschaften und Vereine" gegen die von Polen getroffenen Behinderungen prote-stiert und zugleich die Unterstützung der Abstimmungsberechtigten zugesagt. Die Dortmunder Zeitung schrieb: "Zeige sich der rheinischwestfälische Industriebezirk in diesen großen Tagen der gewaltigen Fahrt nach dem Osten großzügig und hilfsbereit. Unsere abstimmungsberechtigten Ost- und Westpreußen sollen mit Zuversicht und Freudigkeit nach Osten fahren, um siegreich für ihre Heimatscholle zu kämpfen." Es wurde die Grenzspende eingeführt. Die Menschen spendeten, und selbst kleine Gemeinden halfen den Ost- und Westpreußen in der Heimat ihre Stimme abzugeben.

Aus der Reichshauptstadt Berlin eilten 15 000 Menschen an die Abstimmungsurnen! Die Abstimmungszeit war Abstimmungskampf. Die polnische Seite ließ nichts unversucht, um Stimmen für Polen zu gewinnen, und das zu einer Zeit, als Deutschland gerade den Ersten Weltkrieg verloren hatte. Festgehalten werden muss aber auch, dass sich 1920 die neue Republik Polen damals im bewaffneten Streit mit der Sowjetunion befand. Im Ruhrgebiet bestanden damals 1451 polnische Vereine, die für die Abstimmung zugunsten Polens warben. Von den Mitgliedern dieser Vereine stammten nur wenige aus den beiden Abstimmungsbezirken, sie waren daher auch nicht abstimmungsberechtigt.

Presseecho und Rückblick

Das Ergebnis war ein Erfolg der Gemeinsamkeit, hervorgerufen durch Volk und Regierung. Im Abstimmungsbezirk Marienwerder/Westpreußen stimmten mehr als 92 % für [7] Deutschland, und im Abstimmungsbezirk Allenstein waren es rund 98 %.

Im Berner Bund heißt es dazu: "Wer die Verhältnisse in den westpreußischen Abstimmungskreisen an Ort und Stelle studiert hat, konnte es überhaupt nicht begreifen, dass hier eine Volksabstimmung angesetzt wurde, so unzweifelhaft deutsch erschien ihm das Gebiet." Und die Morgenausgabe des Berliner Volksblattes Vorwärts, des Organs der Sozialdemokratischen Partei, schrieb am 13. Juli 1920: "Die Abstimmung in Ost- und Westpreußen ist derart überwältigend günstig für Deutschland ausgefallen, dass man fragen muss: Warum hat überhaupt eine Abstimmung stattgefunden? Wäre in Bochum oder auch nur in Berlin eine Abstimmung zwischen Deutschland und Polen vorgenommen worden, wo wäre sie wahrscheinlich günstiger für Polen ausgefallen als im Kreise Johannesburg, wo auf 34 000 deutsche 11 polnische, oder in Oletzko, wo auf 27 000 deutsche zwei polnische Stimmen entfielen. Man hat ein Land über seine Staatszugehörigkeit entscheiden lassen, in dem der Wille der Bevölkerung für den Kundigen gar nicht zweifelhaft sein konnte." In Bochum fand am Abstimmungstag eine symbolische Abstimmung und eine Treue- und Sympathiekundgebung für die betroffenen Ost- und Westpreußen statt.

Nach 30 Jahren wertete am Jahrestag der Volksabstimmung 1950 Jakob Kaiser, der erste Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen der Bundesrepublik, den Selbstbestimmungstag in Ost- und Westpreußen wie folgt:

"Der 11. Juli 1920 ist gerade heute eine ernste, eine erschütternde Mahnung an die Welt. Einer der konstruktivsten Gedanken des 20. Jahrhunderts war das Selbstbestimmungsrecht der Völker ... Wäre Recht Recht geblieben, wäre mit dem Plebiszit die deutsche Heimat für immer gesichert gewesen. "

Für die damals lebenden Menschen war diese Volksabstimmung - wie andere, z. B. die beiden Abstimmungen im Saarland - angewendetes Selbstbestimmungsrecht. 80 Jahre später verstehen die Völkerrechtler darunter etwas anderes. In vielen europäischen Ländern gibt es Volksgruppen und Minderheitenprobleme. Die betroffenen Staaten fürchten infolge von Abstimmungen Teile ihres Staatsgebietes zu verlieren und fordern daher in ähnlichen Fällen die Willensbekundung des ganzen Volkes oder - wo die Verfassung keine Volksabstimmungen oder ähnliches vorsieht - die des Parlaments. Das hatte Woodrow Wilson mit seinem Vorschlag (Punkt 13) aber nicht gemeint. Das Treuebekenntnis vom 11. Juli 1920 ist inzwischen Geschichte, aber es bleibt mahnende Erinnerung.


Das Ergebnis der Volksabstimmung am 11. Juli 1920

Kreis Einwohnerzahl Stimmberechtigte Abgegebene Stimmen für
  am 08.10.1919 am 11.07.1920 Deutschland Polen
Abstimmungsgebiet Allenstein/Ostpreußen
Oletzko 1) 40.259 32.010 28.625 2
Allenstein Stadt 34.731 20.160 16.742 342
Allenstein Land 57.518 41.586 31.707 4.871
Johannisburg 52.403 38.964 33.817 14
Lötzen 45.681 33.339 29.349 10
Lyck 57.414 40.440 36.529 44
Neidenburg 2) 38.571 26.449 22.235 330
Ortelsburg 73.719 56.389 48.207 497
Osterode 76.258 54.256 46.368 1.031
Rößel 49.658 39.738 35.248 758
Sensburg 50.789 38.736 34.332 25
Zusammen 577.001 422.067 363.159 7.924
Abstimmungsgebiet Marienwerder/Westpreußen
Marienburg 3)2) 27.858 20.342 17.805 191
Marienwerder 2) 40.730 31.913 25.608 1.779
Rosenberg 56.057 39.630 33.498 1.073
Stuhm 39.538 29.291 19.984 4.947
Zusammen 164.183 121.176 96.895 7.947
Abgegebene Stimmen in beiden Abstimmungsgebieten zusammen für
Deutschland Polen
460.054 15.871
Ostpreußen 97,86 v.H. 2,14 v.H.
Westpreußen 92,42 v.H. 7,58 v.H.
Beide Abstimmungsgebiete zusammen 96,66 v.H. 3,34 v.H.

Quelle: Preußisches Statistisches Landesamt.



weiter: Bartz: ... wann kehrst du, Engel Friede.
 

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© 2000   Volker J. Krueger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004