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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Horst Ernst Krüger

Die Geschichte zweier Thorner Niederungsdörfer



THORN - Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Thorn, S. 35ff
Horst Ernst Krüger [Hrsg.]
Hannover 1981

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[62] In der Nacht zum 1. September 1939, noch bevor der Polenkrieg ausgebrochen war, fuhr der Landpolizist von Roßgarten mit einem Lastwagen, der ihm aus Thorn geschickt worden war, von Hof zu Hof, zum Pfarrhaus in Gurske und auf dem Rückweg nach Wiesenburg. Er führte eine lange Liste mit Namen sowie den Befehl seines Starosten mit sich, Bauern unserer Niederungsdörfer, ohne Rücksicht auf Alter und Gesundheitszustand, dazu Pfarrer Diedrich und Ludwig Neumann aus Wiesenburg, als Geiseln gefangen zu nehmen und in Thorn abzuliefern. Sie wußten alle, daß sie auf der Schwarzen Liste standen, haben sich aber der Verhaftung trotz wiederholter Warnung nicht entzogen.

Für die Niederungsdörfer war der Polenfeldzug kurz. Schon am 8. September 1939 waren zwei deutsche Soldaten in Alt-Thorn, nachdem am Abend vorher deutsche Truppen Thorn besetzt hatten. Angst und Schrecken der letzten Tage waren zwar gewichen; jedoch bedrückte die Menschen weiterhin das ungewisse Schicksal der Verschleppten. Pfarrer Dey aus Thorn machte sich auf die Suche und fuhr auf ihren Spuren in Richtung Warschau über Rudak, Alexandrowo und Ciechocinek. Schon kurz hinter Alexandrowo machte er einen grausigen Fund. Rechts und links im Straßengraben fand er die Leichen von 40 ermordeten Thorner Bürgern. Erst in der Nacht zum 30. September erreichte er in Pruszkow in der Nähe von Warschau die Männer aus Thorn und Umgebung, die den Verschleppungsmarsch lebend überstanden hatten.

Die Toten wurden auf Militärfahrzeugen nach Thorn gebracht. Viele waren so verstümmelt, daß man sie nicht mehr identifizieren konnte. In schlichte Holzsärge gebettet wurden die Opfer dieses zweiten "Thorner Blutgerichts" in der Altstadt aufgebahrt. Thorner Bürger, die Augenzeugen der Heimkehr der vierzig September-Opfer waren, berichteten, sie hätten in ihrem Leben nie Schrecklicheres gesehen als diese Toten. Am nächsten Tag fand die Bei[62]setzung auf dem Altstädtischen Friedhof statt. Pfarrer Dey hielt die Trauerfeier am offenen Grabe. Für die Toten beschwor er das Dürerbild "Ritter, Tod und Teufel". Des Ritters Ziel, dem er entgegenreite, sei Gottes Gerechtigkeit in dieser Welt. Erfüllt von Hoffnung ziehe er seines Weges, der Tod könne ihn nicht schrecken, der Teufel ihn nicht verführen. Viele begriffen das politische Memento, das in dem Gleichnis enthalten war, und seine historisch-tragische Bedeutung. Die ebenfalls in Uniform dabei stehenden Nationalsozialisten begriffen den tieferen Sinn nicht. Von einigen, die damals bestattet worden sind, wußte man nicht, wer sie waren. Fotographien der Leichen und chemisch gereinigte Stoffproben der Anzüge und Hemden, mit denen sie bekleidet waren, wurden im Gemeindehaus der Altstädtischen Evangelischen Kirche später ausgestellt. Alle konnten in den nächsten Tagen von ihren Angehörigen identifiziert werden. Unter den Toten waren: Arnold Giese aus Alt-Thorn, Paul Moede und Reinhold Kriewald aus Gurske, Ludwig Neumann aus Wiesenburg und Joachim Krüger aus Alt-Thorn.


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© 2000   Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 03.12.2004