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Heinz Krause † 4.3.2001Eine Erinnerung an PapuschBericht von einer guten Nachbarschaft |
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Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original. ![]() Heinz Krause |
[13] Man soll, man darf, man kann sie nicht vergessen, die "guten Freunde und getreuen Nachbarn" wie Doktor Martin Luther sagt, und das ganz besonders, wenn es sich um eine Persönlichkeit handelt. Das war "Papusch", wie wir alle sagten. woher diese Bezeichnung kam? Ich weiß es nicht, aber das ganze Dorf kannte ihn unter diesem Namen. Wahrscheinlich werden wohl die eigenen Kinder ihn so zuerst genannt haben, etwa als Koseform von "Papa". Entsprechend nannte man seine Frau auch "Mamusch". Die Endungen sind nicht etwa dem Polnischen entlehnt (polnisch konnte kein Mensch in diesem Dorf des Thorner Kreises). Vielmehr geht es hier um Anredeformeln für liebenswerte Menschen, die einem nahestehen. "Papusch" hieß eigentlich Hermann Fritz Eine besondere Persönlichkeit war Papusch schon. Ihn interessierten einfach alle Gebiete, wo er Neues zulernen konnte. Mein einer Bruder war Tiermediziner. Mit ihm konnte er sich stundenlang über medizinische Fragen unterhalten. Der andere Bruder ging nach Amerika. Da interessierten Papusch Land und Leute. Ich studierte im "Reich", so mußte ich von dort berichten. Aber auch theologischen Fragen brachte er Interesse entgegen. Wir Nachbarsöhne hatten alle drei von seiner vielseitigen Bibliothek profitiert. Vor allem freuten wir uns, wieviel Zeit Papusch sich für die Gespräche mit uns ließ. Es war deshalb kein Wunder, daß bei so vielseitigem Interesse die praktische Arbeit in der Landwirtschaft nicht immer auf ihre Kosten kam. Wegen seiner schmächtigen Gestalt konnte Papusch selbst auch wenig Hand anlegen, was auf dem Bauernhof von 100 Morgen nötig gewesen wäre. Die Knechte und Mädge hatten ihrerseits bald herausgefunden, daß Papusch nach dem morgendlichen Wecken noch weiter die Ruhe pflegte und richteten das Tempo ihrer Arbeit entsprechend ein. Das Ansehen von Papusch war und blieb ungeschmälert. Das bezeugte auch seine Wahl zum stellvertretenden Amtsvorsteher. Das Amt mußte er dann auch übernehmen, nachdem der Inhaber des Amtes, David Duwe (genannt "der Kußonkel", weil er sich gerne von jungen Mädchen einen Kuß auf die Wange geben ließ) ausgeschieden war. Groß war auch Papuschens und seiner Familie Interesse für die Musik. Die Familie Fritz konnte eine ganze Kapelle (mit eigenen Instrumenten) zusammenstellen Die Söhne waren dabei mit Geige, Horn und Kontrabaß, die Töchter abwechselnd am Flügel. Auch Ziehharmonika und Zitter kamen zu ihrem Recht. Franz wurde Lehrer, Bruno blieb im 1. Weltkrieg, Kurt übernahm einen geerbten Hof, und Walter war zeichnerisch und technisch sehr begabt (leider fehlte ihm die Initiative zur Fortbildung, wegen seiner Option für Deutschland mußte er abwandern). So wurde der Hof später verpachtet, da die Töchter auch kein Interesse an der Landwirtschaft gezeigt hatten. Aber da ist noch eine Sache, die man nicht übersehen darf, wenn man von Papusch und seiner Familie, den guten Nachbarn, berichten will. Und das ist die große Gastfreundschaft, die zu diesem Hof dazugehörte. Nicht nur wir Nachbarskinder konnten stets und zu jeder Zeit auftauchen. Auch für die Junglehrer und manchen anderen Gast im Dorf fand sich hier eine Bleibe oder der gesuchte Mittagstisch. Ganze Generationen von unverheirateten Lehrern der dreiklassigen Dorfschule wurden bei Fritzens verköstigt, sogar nachher auch die polnischen, über deren Handkuß sich Mamusch amüsierte, wenn sie etwa gerade aus dem Kuhstall kam. Wir Nachbarssöhne waren natürlich besonders auch mit Walter, dem jüngsten Sohn und seinen Künsten befreundet. Manche Zeichnung hat er für uns gemacht. Ganze Abteilungen von Blei- und nachher von Papiersoldaten (in Regimentsuniformen) konnte er anfertigen bzw. zeichnen. Zu unseren Kriegsspielen (es war der 1. Weltkrieg) mußte er die Waffen anfertigen. Laubsägearbeiten, Teschingschießen, Radreparaturen usw.; alles Technische konnten wir als Jungen bei Fritzens bewerkstelligen. Auf alles wurde eingegangen, sogar als der eine Bruder ein Ferkel für ein paar Pfennige kaufen wollte. Und als wir größer waren, kamen dann die langen Gespräche und Debatten, wie berichtet. Es war dort fast ein zweites Zuhause. Sicher waren es die Manschen, die uns gerne zu Fritzens gehen ließen, aber dann auch die ganze Atmosphäre mit dem Zeithaben für jedermann, die machten Papusch und seine Familie für uns interessant. Als schon der Hof verpachtet war und Papusch im Altenteilsstübchen sein be-scheidenes Dasein führte, besuchten wir ihn weiter gerne und bewunderten seinen wachen Geist. Im Sommer saß er auch mitunter in der weinumrankten Laube vor dem alten Bohlenhaus mit dem weitüberragenden Strohdach - vor sich den Walnußbaum und dahinter den weiträumigen Hof des Gehöftes. Im Winter machte er es sich im Lehnstuhl neben dem Kachelofen bequem - in der Hand die lange Pfeife. Hinter ihm an der Wand hing die Kuckucksuhr, die ich als kleiner Junge so oft bewundert hatte. Seitwärts fiel sein Blick auf das Apothekenschränkchen, das Bruno, der gefallene Sohn, in feiner Laubsägearbeit hergestellt hatte und das Papusch deshalb besonders liebte. Nur Fanny, die eine Tochter, war noch bei ihm, die anderen Kinder waren schon auswärts oder tot, wie auch Mamusch längst das Zeitliche gesegnet hatte. Um so willkommener waren die Enkel wie auch unsere Besuche bei dem einsamen Mann. In den dreißiger Jahren Heinz Krause |
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Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004