HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Die Heim@Thorn-Suchmaschine

Horst Ernst Krüger:


Die Geschichte einer ganz normalen
Familie aus Altthorn in Westpreussen


kommentiert und um Quellen ergänzt von Volker Joachim Krüger


Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text

Das Labyrinth

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang in der Originalausgabe, die dem Herausgeber vorliegt.

Hinter dem eröffnen sich genealogische Zusammenhänge in Bezug auf die betreffende Person.

Falls Sie sich den Originaltext, um den es an der so bezeichneten Stelle geht, ansehen wollen, so werden Sie hier fündig.

Mit diesem Zeichen weist der Herausgeber dieses Dokuments auf Bemerkenswertes hin und

mit diesem Zeichen macht er auf Fragen aufmerksam, die sich ihm zu dem jeweiligen Text gestellt haben.

Hier erwartet Sie ein Schwarz-Weiss-Foto und hier eine solches in Farbe.

Und falls Sie mehr über die soKurzbiographie gekennzeichnete Person erfahren wollen, finden Sie hier eine Kuzbiographie.

In dem Drama unserer Familie begann ein neuer Akt. Die betriebswirtschaftlichen Probleme unseres Hofes waren weitgehend gelöst. Mein Vater konnte sich mehr für seine weitergehenden Ziele einsetzen. Er hatte erkannt, daß der deutschen Landwirtschaft im Korridorgebiet ein harter Existenzkampf bevorstehen wird, in dem sie sich bei den ungünstigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur dann behaupten kann, wenn sie sich selbst hilft. Der einzelne, soviel er in seinem Betrieb auch erreichen kann, ist bei der Lösung der größeren Probleme auf eine starke berufsständische Organisation angewiesen, die von der gesamten Landwirtschaft getragen wird. Das war der "Landbund Weichselgau". Nachdem sein organisatorischer Aufbau beendet war, zählte er über neunzig Prozent der Landwirte des Korridorgebietes zu seinen Mitgliedern. Davon waren über die Hälfte Kleinbauern mit Betrieben unter fünfzehn Hektar und nur knapp zwei Prozent Eigentümer oder Pächter von Gütern über zweihundert Hektar.

[132] Die Hauptaufgabe des Landbundes war die fachliche Förderung der Mitgliedsbetriebe. Eine Höhere Landwirtschaftsschule gab es in Landsberg an der Warthe. Die lag aber jenseits der kaum durchlässigen Grenze. Von der einzigen Schule, die die Hoferben für die Betriebsführung hätte ausbilden können, waren wir praktisch abgeschnitten. Eine Landwirtschaftsschule konnte der Landbund mit eigenen Mitteln nicht tragen. Ich weiß nicht, ob der polnische Staat ihre Gründung überhaupt genehmigt hätte. Die Hauptaufgabe des Landbundes war deswegen die betriebswirtschaftliche und produktionstechnische Beratung, die nach den Richtlinien von Professor Dr. Georg Blohm, dem damaligen Direktor des Institutes für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Technischen Hochschule in Danzig-Langfuhr, durchgeführt wurde. Die Wirtschaftsberatung wurde Dr. Kuß übertragen, der später nach dem Zweiten Weltkrieg Direktor der Landwirtschaftskammer Rheinland in Bonn war. Er beschaffte sich die dazu notwendigen einzelbetrieblichen Unterlagen durch die Auswertung von Buchführungen. Damit stellte er die Beratung auch der kleineren bäuerlichen Betriebe auf eine zuverlässige Datengrundlage. Dr. Heinrich Kuß hatte auf Landbundversammlungen die Ergebnisse der Buchabschlüsse auszuwerten. Weil das interessant und lehrreich war, wuchs die Zahl der Teilnehmer an diesen Auswertungsbesprechungen schnell an. Man lernte dabei sehr bald, mehrere Abschlüsse miteinander zu vergleichen und die Gründe zu erkennen, die zu höheren, mittleren oder niedrigen Gewinnen geführt hatten. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse wurden dann anschließend durch Betriebsumstellungen in die Praxis umgesetzt. Der Landbund zog aus dieser Initiative die Konsequenz und organisierte Wirtschaftsringe auf Kreisebene. Dr. Kuß erhielt mehrere Mitarbeiter, die die Beratung in diesen Zusammenschlüssen von fünfzig oder auch mehr Betrieben durchführten. In einem dieser Wirtschaftsringe war mein Vater Mitglied. Sein Bezirk umfaßte die gesamte Niederung, sein langjähriger Leiter war Joachim Dahlweid, den wir schon kennengelernt haben. Ihm oblag es, Dünger- und Sortenversu[133]che anzulegen und auszuwerten. Über die dabei gewonnenen Daten und Erkenntnisse berichtete er bei Betriebsbesichtigungen und in Versammlungen. Darüber hinaus wurde von ihm die betriebswirtschaftliche Beratung der Mitgliedsbetriebe durchgeführt, so wie sie von Dr. Heinrich Kuß und seinen Mitarbeitern konzipiert worden war.

Mein Vater war klug genug, bei den vielen Reden, die er in der Zeit seiner aktiven Mitarbeit in führender Position des Landbundes zu halten hatte, alle markigen Worte an die Adresse des polnischen Staates zu vermeiden. Er hätte sich, wenn er diesen Weg gegangen wäre, mehr Sympathie in der deutschen Volksgruppe erworben. Sie hatte sich in zwei politische Parteien gespalten. Die "Jungdeutsche Partei" geriet unter den Einfluß des Nationalsozialismus, der in der Weimarer Republik 1930 die zweitstärkste Partei war. Mein Vater blieb bei seinem gemäßigten, auf Ausgleich mit Polen bedachten Kurs. Das trug ihm die Kritik und den Spott der "Jungdeutschen Partei" ein. Man nannte ihn auf Parteiversammlungen wegen seiner angeblich vornehmen Zurückhaltung ironisch den Baron Joachim vom Altweichseldamm. Er ließ sich dadurch nicht provozieren. Viele seiner Freunde waren der Ansicht, er könne sich wegen seines ausgeprägten Rednertalents und des Vertrauens, das er in der deutschen Volksgruppe des Korridorgebietes genoß, einer politischen Betätigung nicht entziehen. Trotzdem blieb er bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges passives Mitglied der "Deutschen Vereinigung", in der sich die konservativen Kreise zusammengefunden hatten.


 
zurück: Kooperation
weiter: Ausweglosigkeit
   

HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links

© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 30.07.2004