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300 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Gurske  


Ernst Basedow [Hrsg.]


Festschrift
zum 300jährigen Bestehen
der Evangelischen Kirchengemeinde
Gurske 1614 - 1914

Thorn
Druck und Verlag der C. Dombrowski'schen Buchdruckerei
1914


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Ernst Basedow: Vorwort

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer [23] bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.


[5]"Anno 1614. Den 25. Mertz am Mariä Verkündigungstage ist die neue Kirche zu Gurske also eingerichtet: Die erste Predigt daselbst that  J o h a n n  K o r b a c h  in Deutscher, darauff die Ampts-Predigt D. Johannes Turnovius in Polnischer Sprache, nach dessen Vollziehung sich eine ziemliche Anzahl der Communicanten eingefunden: Nachmittage zu Vesper hat sich    P a u l u s    P a l i r u s ,  Prediger von Gremboczyn, hören lassen; diesen Ceremonien haben viele Bürgere aus der Stadt,  auch einige aus dem Rath,als I g n a t i u s S c h u l t z,   E g i d u s   L i c h t f u ß   und  D a n i e l   E s k e n   etc. beygewohnet: Wobey zu merken, daß Simon Esken, dieser Kirchen Fundator, bald darauf, nemlich den 14. Juli, dieses Zeitliche gesegnet hat.

Den 7. April vard   S i m o n   K a y s e r,  oder   C e s a r,  erster ordinarius Pastor Gurscensis, von E. E. Rath in solche Kirche eingewiesen, welchem 200 Mark versprochen, und 20 Rthlr. zur Zehrung verehret worden: laut dem Gursker Kirchen-Buch hat er daselbst am Pfingst-Tage sein Ampt angetreten."

Mit diesen Worten schildert   J a c o b   H e i n r i c h   Z e r n e c k e  in seiner "Thornischen Chronica" das Ereignis, dessen in der Pfingstzeit dieses Jahres die Kirchengemeinde Gurske feierlich und dankbar zu gedenken sich anschickt. 300 Jahre sind nun verflossen, seitdem  S i m o n   K a y s e r  als erster ordinarius Pastor Gurscensis in Gurske seinen Einzug gehalten hat und feierlich in sein Amt eingeführt worden ist, 300 Jahre, seitdem in der deutschen Niederung evangelisches Christentum lauter und rein verkündet worden ist.

Die Stadt Thorn war durch die Privilegien der polnischen Könige allmählich in den Besitz alles Landes gekommen, das sich von Thorn westwärts bis nach Scharnau erstreckte. Dadurch waren auch die alten Niederungsortschaften Alt-Thorn, Gurske, Pensau, Bösendorf und Scharnau unter die Oberhoheit des Rates von Thorn gekommen. Doch das hier schon im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert kräftig pulsierende Leben war bis auf einen kleinen Rest erloschen, ja selbst die uralte Johanniskirche zu Alt-Thorn, die die Ordensritter schon vorgefunden hatten, und in der so mancher Ordensritter seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, war, nachdem der kostbare Silberschatz nach Thorn gebracht worden war, in Trümmer gesunken und die Ziegel von ihr teilweise verkauft worden.

[6]Diesen ausgedehnten Grundbesitz besser bewirtschaften zu können, hatte dann Ende des sechzehnten Jahrhunderts der Rat von Thorn aus dem Westen Europas deutsche Ansiedler herbeigerufen, die, allgemein als "Holländer" benannt, wohl auch Holländer waren. Gehörte doch Thorn zur alten Hansa, und fuhren auch Thorner Handelsschiffe die Weichsel stromabwärts zum Meere und brachten die von Rußland kommenden, in Thorn aufgestapelten Waren westwärts übers Meer bis nach Holland hinein. Auch die in der Niederung so häufig vorkommenden Familiennamen der "Krügers", "Heises" und "Windmüllers" lassen den holländischen Ursprung wenigstens nicht unwahrscheinlich erscheinen. Um ihrer Ansiedlung eine feste Form zu geben, erhielten Scharnau mit Pensau und Bösendorf und Alt-Thorn mit Gurske je eine Handfeste, welche ihr Verhältnis zur Stadt Thorn regelte, und im Jahre 1605 vom "Rath" eine sog. Willkür. Diese bestand aus 30 Artikeln und war eine ausführliche Dorfverfassung, welche das Verhältnis ihrer Bewohner zu einander und zu den Behörden regelte und ihnen schon damals die Befugnis zu umfangreicher Selbstverwaltung erteilte. In Artikel 2 dieser Willkür wird auch das Kirchen- und Schulwesen geordnet. Die Prediger der Ortschaften müssen der Augsburgischen Konfession angehören und stehen unter dem Seniorat der Thorner Geistlichen. Jede Ortschaft soll auch eine Schule haben und einen Lehrer besolden, der "auch dem Prediger zur Hand ist und ihr selbst als Schreiber dient."

Infolgedessen entschloß sich der Rat von Thorn, zunächst in Gurske ein evangelisches Gotteshaus zu errichten, das 1613 gebaut, 1614 seiner Bestimmung übergeben wurde. Gleichzeitig sandte er nach Gurske den ersten evangelischen Pfarrer, an den auch die übrigen Niederungsortschaften gewiesen wurden. Die Pfarrstelle in Gurske wurde mit 9 ½ Morgen Garten, Wiese und Acker ausgestattet, das bare Gehalt auf 200 M. festgesetzt nebst 20 Talern zur Zehrung. Ferner mußten Groß Bösendorf, Scharnau und Pensau Pfarrgehalt in Naturalien aufbringen. Den Gursker Besitzern war auch der "Schwarze Bruch" für 20 Groschen Jahreszins per Morgen zur Urbarmachung überlassen worden und dort waren ebenfalls Ansiedlungen entstanden, die wie Prycziek mit Roßgarten sich zur Gursker Kirche zu halten hatten. Die Schwierigkeiten, die Pfarrer  L i e b e l t  Ende des 18. Jahrhunderts mit dem katholischen Parochus in Czarnowo wegen der vorfallenden "actus ministeriales" hatte, veranlaßte den Rat von Thorn, in eine Prüfung der Parochialverhältnisse der Gursker Gemeinde einzutreten, auf Grund deren er unter dem 28. Mai 1795 verfügte, daß "wie die 5 alten Niederungsortschaften, auch die Dorfschaften Neu-Pensau, Neu-Toporzysk, Sieroko und Neubruch, sowie die Protestanten zu Stanislawkie, Neczkowo, Leszcz und Birgelau sich von jetzt ab zur Kirche nach Gurske zu halten haben und daselbst alle actus ministeriales verrichten zu lassen." Eine einheitliche Regelung [7] dieser Verhältnisse trat erst während der Amtsführung des Pfarrers Dr. Lambeck junior ein, als in der Mitte der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein fester Pfarrverband errichtet wurde. Seit 1850 gehörten sämtliche 22 Ortschaften, die den westlichen Teil des Landkreises Thorn bilden, zum hiesigen Kirchspiel. Wegen der großen Entfernungen, die die meisten Gemeindemitglieder der Gursker Kirche zu überwinden hatten, konnten viele selten oder fast nie zum Gottesdienst kommen. Aus diesem Grunde errichteten die Gemeinden Pensau, Bösendorf, Scharnau, Guttau und Neubruch eigene Bethäuser, die den Schulgebäuden angegliedert wurden und in denen die Lehrer sonntäglich Lesegottesdienste abhielten. Das älteste dieser Bethäuser war das zu Scharnau, welches 1675 aus Schurzbohlen mit Strohdach erbaut, bis zum Jahre 1862 der Gemeinde als Andachtstätte diente. Das Bethaus in Pensau wurde im Jahre 1843 durch eine kleine Kirche ersetzt, die am 10. Dezember durch Superintendent Laue zum gottesdienstlichen Gebrauch eingeweiht wurde. Auch die Bethäuser in Groß-Bösendorf und Neubruch sind 1896 und 1910 durch neue Gotteshäuser ersetzt worden, sodaß nur noch das Bethaus in Guttau in seiner ursprünglichen Gestalt bis heute erhalten ist. Bei der Schwierigkeit der Verwaltung dieses umfangreichen Pfarrgebiets begannen die kirchlichen Aufsichtsbehörden ihr Augenmerk auf eine Verkleinerung des Kirchspiels Gurske zu lenken. Infolgedessen wurden im Jahre 1862 die westlichen Stücke der Kirchengemeinde, unter ihnen der Ortschaft Scharnau, dem Ostrometzkoer Kirchspiel zugeschlagen und 1899 am nordöstlichen Rande Leszcz und Korab nach Lulkau eingepfarrt. Die wesentlichste Veränderung trat im Jahre 1903 bezw. 1906 mit der Errichtung der Gemeinden Groß-Bösendorf und Rentschkau ein, nach der zur Kirche Gurske nur noch die Ortschaften Alt-Thorn, Gurske, Schmolln, Neubruch, Schwarzbruch, Ziegelwiese, Roßgarten und Swirczynerwiese und die beiden Güter Breitenthal und Wiesenburg verblieben. Die mannigfachen und wechselvollen Wege, die Gott der Herr in den 3 Jahrhunderten ihres Bestehens mit der Gursker Kirchengemeinde gegangen ist, sind von mir aus Anlaß des 250. Kirchweihfestes in knappen Zügen in einer kleinen Festschrift im Jahre 1911* beschrieben worden, so daß es sich heute erübrigt, noch mehr darüber zu sagen. Es war aber stets ein Weg durch Nacht zum Licht, durch Kampf zum Sieg. Davon zeugen auch die nachfolgenden Zeilen, die packende Bilder aus der Geschichte der Thorner Stadtniederung vor unsere Seele zaubern und recht dazu angetan sind, am heutigen Tage zum Lobe und Preise Gottes zu stimmen.

G u r s k e , den 7. Juni 1914

Basedow, Pfarrer


 
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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004