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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal Centralblatt der Bauverwaltung.

Nr, 35. Berlin, 4. Mai 1901. XXI. Jahrgang.
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze.





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S. 217 - 219

Der Thurm der altstädtischen evangelischen Kirche in Thorn.

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[217]

Die alte Hansestadt Thorn, die Königin der Weichsel, die den deutschen Ordensrittern ihr altes gothisches Gepräge verdankt, ist wegen seiner wich-tigen Lage am Eintritt der Weichsel in deutsches Gebiet von jeher von großer Bedeutung gewesen, die sich in den mannigfachen Bauten aller Zeiten wiederspiegelt. Auch die Barockzeit ist mit schönen Bauten yertreten, unter denen die altstadtische evan[218]gelische Kirche besonders hervorzuheben ist. Sie wurde als dreischiffige gewölbte Hallenkirche mit Emporen im Jahre 1756 errichtet; der Entwurf stammt von Andreas Adam Behr aus Dresden aus dem Jahre 1743. Da der Thurmbau damals auf Betreiben der einflußreichen polnisch-katholischen Partei am sächsisch-polnischen Hofe aus kirchen-politischen Gründen nicht gestattet wurde, so entbehrte die Kirche bislang ihres Hauptschmuckes. Erst im Jahre 1892 wurde der Thurmanbau nebst Räumen zum Gebrauche der Kirchengemeinde auf Grund von Schenkungen beschlossen. Zur Erlangung eines Entwurfes wurde im Berliner Architekten-verein eine Preisbewerbung veranstaltet, bei der die gemeinsame Arbeit der Architekten Professor Karl Schäfer (jetzt Oberbaurath in Karlsruhe) und Hugo Härtung den ersten Preis erhielt. Dieser Entwurf wurde von der Gemeinde zur Ausführung bestimmt und von Professor Hugo Härtung in Grunewald bei Berlin allein ausgearbeitet und zur Ausführung gebracht. Abb. 4 zeigt, in welch geschickter und schöner Weise die Architekten den Thurm der alten Kirche organisch angegliedert und in reicher Weise ausgestattet haben. Wie aus einem Gusse wirkt jetzt die Kirche mit dem Thurm als ein Ganzes in echter alter Barockweise. Die seitlichen niedrigen Anbauten, die im Erdgeschoß als Versammlungsraum, Taufcapelle und Musikzimmer (Abb. 3) und im Obergeschoß als Bücherei und Sitzungszimmer des Kirchengemeinde-vorstandes dienen, haben flache Dächer erhalten, sodaß der Thurmschaft, der schon vom Boden aus vor die Westfront vorgezogen wurde, sich frei entwickelt und den alten Westgiebel noch zur Wirkung kommen läßt. Das Hauptgesims verbindet Kirche und Thurm, indem es den ganzen Bau umfaßt. Die Bedeutung des Westeinganges ist durch einen hochgezogenen, mit zwei Säulen beiderseits flankirten Portalvorbäu hervorgehoben. Auf das einfache Mittelgeschoß baut sich luftig ein nach allen Seiten hin offenes Thurmgeschoß zur Aufnahme der Glocken auf. Der schön gegliederte kupfergedeckte Helm bekrönt das Ganze. Der Thurm wird vom Vorraum über der Vorhalle auf einer eisernen Wendeltreppe erstiegen.

Wie zu erwarten war, hatte man beim Fundament außerordentlich ungünstige Grundverhältnisse zu bewältigen, die den Bau sehr erschwerten und verzögerten. Die ursprünglich angenommenen Baukosten von rund 90 000 Mark wurden hierdurch um 20 000 Mark überschritten. Die Gründungsarbeiten mußten bis auf rund 7,50 m Tiefe hinabgeführt werden, hierbei war ein Wasserstand bis 2 m über Fundamentsohle zu bewältigen. Die künstliche Gründung erfolgte in blauem Thon mittels Pfählen, die in eine 2 m starke Betonplatte zur Aufnahme des Mauerwerks hineinragen. Die Thurmfundamente sind selbstverständlich ohne Verbindung mit denen der alten Kirche ausgeführt worden; die 3 m ins Neubaugelände ragende 5 m tiefe Grundmauer des Westgiebels mußte daher abgestemmt werden, und da ihre Sohle auf Wasserquellen (im Triebsande) stand, so mußte die Sicherung des Giebels mittels Spundwänden und Treibladen erfolgen.


Abb. 4.
Der Turm der altstädtischen evangelischen Kirche in Thorn.


[219]

Der Thurm ist, wie die alte Kirche, in Backstein ausgeführt und mit Kalkmörtel geputzt, auch die Gesimse und Vorlagen sind in Putz hergestellt, nur die oberen Platten der größeren Gesimse wurden in Werkstein ausgeführt, ebenso alle anderen Architekturtheile, wie Capitelle, Galerieen usw. Entsprechend der am alten Bau geübten Technik, wurden die vorgemauerten und geputzten Gesimse steil entworfen; derartige hohe und dabei wenig ausladende Gesimsprofile machen gerade die Putzbauten des vorigen Jahrhunderts so charakteristisch und gewähren ihnen ihr eigenartiges Aussehen im Gegensatz zu manchem modernen Barockbau, bei dem man diese der Construction wegen so praktische Bauweise vernachlässigt.

Die Mauerstärken betragen bis zum Fußboden des Glockengeschosses 129 cm und vom offenen Glockengeschoß 77 cm. Bis zur Oberkante des Thurmhauptgesimses beträgt die Höhe 38 m und bis zur Spitze des Kreuzes 61 m.

Von der Holzconstruction des Helmes giebt die Abb. l in den Grundrissen und Schnitten ein anschauliches Bild, auch hier ist auf alte bewährte Vorbilder zurückgegriffen worden. Die Deckung des Thurmhelms erfolgte in Kupfer. Die in neuerer Zeit gestellten mannigfachen Aufgaben m Kupferdeckung haben diese fast ganz verlernte Technik wieder neu belebt und viele Kräfte geschult. Die schwierigen Kupferarbeiten des in Abb. 2 wiedergegebenen Thurmhelms wurden von dem Klempnermeister A. Puppel in Berlin in anerkennenswerther Weise ausgeführt. Der am 1. October 1896 begonnene Bau ist am 1. August 1899 vollendet. Die Baukosten für den Thurm haben für 1 cbm umbauten Baumes rund 31 Mark betragen. Hierbei blieben die Kosten für die künstliche Gründung und für die Anbauten unberücksichtigt. Die örtliche Bauleitung lag unter der Oberleitung des Professors H. Härtung in Grunewald-Berlin in den Händen des Bautechnikers Bruno Kickelhayn.


 

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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 19.12.2009