HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Karten - Inhalt Quellen - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn 

Rathausturm mit Copernicusdenkmal

Rudi Trenkel

Deutsche "Penne" in der Polenzeit

Das Thorner deutsche Gymnasium 1920/1945



Der Westpreusse 01/1953, Seite 11

Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text  
   

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

[11] Mit diesem Rückblick auf unser Thorner deutsches Gymnasium sollen ganz besonders alle die angesprochen werden, die dieser Lehranstalt einmal als Lehrer oder Schüler angehört haben und von denen der Verfasser dieses Beitrags gerne annehmen möchte, daß noch die meisten unter den Lebenden weilen. Um längst zerrissene Verbindungen wieder herzustellen, wird daher jeder um seine Anschrift gebeten, die an Rudi Trenkel, Hamburg-Lurup, Bariskamp 64, zu richten ist.

Inmitten hochragender Baudenkmäler unserer stolzen Heimatstadt Thorn trat das in der Bäckerstraße zur Ordenszeit erbaute einstige Franzis-kanerkloster in baulicher Hinsicht wenig hervor, das nach Erlangung des Religionsprivilegs während der Reformation zu einem evangelisch-akademischen Gymnasium eingerichtet wurde. Dank seiner vortrefflichen Lehrer erlangte dieses humanistische Bildungszentrum in ganz Osteuropa einen großen Ruf und es dürfte wissenswert sein, daß der größte Sohn unserer unvergeßlichen Weichselstadt, Nikolaus Kopernikus, hier bei den Franziskanermönchen seinen ersten Lateinunterricht erhalten haben soll. Jahrhunderte hindurch blieb es die hervorragendste Bildungsstätte unserer Heimat, bis sie im 19. Jahrhundert nicht mehr den Anforderungen der Neuzeit entsprach, so daß der Rat der Stadt endlich be- schloß, in der Strobandstraße den stattlichen Bau des Neuen Kopernikus-Gymnasiums errichten zu lassen.

Nach der Besetzung Thorns durch polnische Truppen im Jahre 1920 übernahm die polnische Schulbehörde auch diese Lehranstalt für eigene Lehrzwecke, die bis zum Untergang des polnischen Staates im Jahre 1939 als einziges staatliches Gymnasium in den damaligen Wojewodschaften Posen und Pommerellen eine deutsche achtklassige Abteilung in dem bereits erwähnten Klostergebäude in der Bäckerstraße hatte. Diese seltsame polnische Toleranz hierbei ließ sich vor allem daraus erklären, daß die Polen mit diesem Schulbeispiel "ihre großzügige Einhaltung der gegenüber den Minderheiten übernommenen Verpflichtungen" ostentativ unter Beweis stellen wollten. Diese in den ersten zehn Jahren zur Schau gestellte positive Einstellung des staatlichen Schulkuratoriums unserem Gymnasium gegenüber ermöglichte in dieser Zeit unserer fast nur deutschen Lehrerschaft eine noch weitgehende Entfaltung deutscher pädagogischer Belange. Das hier vermittelte Wissen hatte ein hohes Niveau, und wer es durch besonderes Können oder Fleiß zustande brachte, sich nach acht meist mühevollen Jahren mit der roten Abitarientenmütze von unserer Thorner "Penne" zu trennen, konnte mit Recht auf seine Leistungen stolz sein. Denn unsere Professoren konnten hart und unerbittlich sein, und wer die geistige Bewäh- rungsprobe am Ende eines Schuljahres nicht bestanden hatte, mußte den Jahresunterricht nochmals wiederholen - oder die Anstalt verlassen. So mögen es einige tausend deutscher Jungen und Mädchen gewesen sein, die hier im Laufe der 20 polnischen Jahre ihren Unterricht mit mehr oder weniger Glück absolviert haben. Und es dürfte heute wohl keinen geben, der sich trotz allem nicht gern jener Zeit erinnert, da er als "Pensionär" oder "Fahrschüler" jeden Morgen durch das uralte Klostertor schritt, um schon vielleicht während des beginnenden Unterrichts mit einer problemreichen lateinischen Klassenarbeit sein Können (oder auch Nichtkönnen) beweisen zu müssen. Weniger aufregend für uns, aber um so amüsanter konnte zuweilen der Gesangunterricht bei unserem überaus gutmütigen aber leicht reizbaren Musiklehrer v. K sein, der infolge einer in punkto Notenkenntnis wenig wißbegierigen Schülerschaft oft der Verzweiflung nahe war. Vollends aus mit seiner Fassung aber konnte es sein, wenn er zufällig während des Unterrichts eines kartenspielenden Trifoliums ansichtig wurde, das sich unter den hintersten Bänken auf angenehme Weise die Zeit vertrieb. Auch der langjährige Polonist (dessen Spitzname Kowal war) dürfte noch erwähnenswert sein, den man des öfteren nach fröhlich durchzechter Nacht in schwankender Form nserem Klosterbau zustreben sah. So hatte unsere Oberschule wie eben jede andere auch, unter Schülern und Lehrern ihre besonderen "Originaltypen", die dem Kenner der damaligen Schulverhältnisse auch ohne Erwähnung anderer ähnlicher Fälle sicherlich noch in guter Erinnerung sein werden.

Eine fühlbare Wandlung der besagten polnischen Toleranz trat anfangs der dreißiger Jahre ein, als einige deutsche Lehrkräfte durch Zustellung der sogenannten "blauen Briefe" ihre Lehrtätigkeit an unserem Gymnasium plötzlich beenden mußten. Die dadurch entstandenen Lücken im Lehrkörper wurden schnellstens mit polnischen Lehrkräften aufgefüllt, so daß der von staatlicher Seite ausgeübte Druck auf die noch verbliebenen deutschen Lehrer (deren Zahl von Jahr zu Jahr geringer wurde) immer stärker in Erscheinung trat. Daß auch die deutsche Schülerschaft hierunter zu leiden hatte, versteht sich am Rande, und so zogen es nicht wenige unserer einstigen Pennäler vor, zum Graudenzer oder Bromberger deutschen Privatgymnasium hinüberzuwechseln. Bezeichnenderweise fiel dieser verschärfte polnische Kurs gegen das deutsche Schulwesen schlechthin in die Zeit der offiziellen polnisch-deutschen Freundschaft, deren zweifelhafter Wert auch an diesem Beispiel offensichtlich wurde. So durften etwa seit 1936 verschiedene Fächer nur noch in polnischer Sprache erteilt werden und die beim Abiturienten-Examen bewußt herbeigeführten Schwierigkeiten ließen unser Häuflein immer kleiner werden. Alle, die den damaligen "Endspurt" bis zum Frühjahr 1939 selbst miterlebt haben, werden die obige Feststellung bestätigen können.

Zur deutschen Zeit nach 1939 war meines Wissens nach im alten Gymnasialgebäude in der Bäckerstraße eine Gewerbeschule untergebracht, während im neuen Hauptgebäude in der Strobandstraße wieder die Thorner Oberschule ihren Einzug gehalten hatte. Doch einem schnellen Wandel unserer turbulenten Zeit war es vorbehalten, daß in den Räumen unserer einstigen Klosterschule heute ein Teil der naturwissenschaftlichen Fakultät der polnischen Thorner Universität untergebracht ist.

Eine von vielen deutschen Schulen im deutschen Osten ist vergangen, aber geblieben ist die unerschütterliche Hoffnung, daß an jetzt verwaister Stätte wieder einmal in deutscher Sprache gelehrt werden wird.

 

HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Karten - Inhalt Quellen - Inhalt Karten - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn 

© 2007  Volker J. Krüger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 15.04.2007