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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Herm. Schwartz jun.
Vorsitzender der Handelskammer Kreis Thorn

Denkschrift über die Anlage eines Holzhafens bei Thorn.


Thorn, den 17. September 1898.


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[1] Deutschland gehört zwar mit zu den waldreichsten Ländern Europas, denn seine Waldfläche beträgt 25,7 Prozent seines Gesamtgebietes und nur Schweden, Rußland und Oesterreich-Ungarn weisen mit 39, 36 und 30 Prozent günstigere Verhältnisse auf; dennoch kann es seinen Bedarf an Bau- und Nutzholz nicht selbst decken, sondern muß jährlich noch ganz erhebliche Mengen einführen. Der Gesamtverbrauch an Bau- und Nutzholz beträgt nämlich jetzt im Jahresdurchschnitt ca. 19 - 20 000 000 fm, wovon im Inlande auf einer Waldfläche von 13 900 000 ha nur etwa 13 800 000 fm erzeugt werden. Die Einfuhr solcher Hölzer war am bedeutendsten im Jahre 1873, wo sie 6 760 000 fm betrug; bis zum Jahre 1880 sank sie dann auf 2 940 000 fm, um dann stetig zuzunehmen, bis sie im Jahre 1897 wieder eine Höhe von 6 490 000 fm erreichte. Die Ausfuhr betrug im Jahre 1873 1 850 000 fm; sie war 1880 auf 1 380 000 fm gesunken und erreichte 1893 mit 390 000 fm ihren tiefsten Stand, während in den letzten Jahren wieder eine kleine Steigerung eingetreten ist. Das ausgeführte Holz besteht zum größten Teil aus österreichischer und russischer Transitware. Da der Ertrag unserer Forsten kaum erheblich gesteigert werden kann und auch eine nennenswerte Ausdehnung der Waldfläche nicht anzunehmen ist, so wird Deutschland auch fernerhin zur Deckung jenes stetig wachsenden Bedarfs auf fremde Holzeinfuhr angewiesen sein. Alle Einrichtungen, die darauf gerichtet sind, die Deckung dieses Bedarfs glatt und sicher zu bewerkstelligen, liegen daher in allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.

[2]Gegen Entwertung des eigenen Holzbestandes hat sich Deutschland durch einen ausreichenden Zoll geschützt, der höher für bearbeitetes als für rohes Holz angesetzt ist, wodurch auch den heimischen Sägemühlen ein Schutzzoll gewährt wird. Die Einkünfte, die das Reich aus den Holzzöllen bezieht, sind recht beträchtlich; sie stiegen von 2 500 000 Mark im Jahre 1880 auf ca. 10 000 000 Mark in den letzten Jahren.

Für die Ausfuhr von Holz kommen hauptsächlich die nachstehenden Länder in Betracht, nach denen im Jahre 1896 versandt wurden:

nach Großbritanien        93 660 fm
" Belgien 90 910 "
" der Schweiz 88 660 "
" den Niederlanden 81 220 "
" Frankreich 52 890 "
" Oesterreich-Ungarn     39 990 "

Dagegen sind die Hauptbezugsländer und die von dort importierten Mengen an Bau- und Nutzholz im Jahre 1896:

Rußland 2 400 000 fm
Oesterreich-Ungarn       2 180 000 "
Schweden 658 000 "
Ver. Staaten v. N.-A. 200 000 "
Norwegen 77 000 "

Rußland bildet sonach nicht nur für unseren östlichen Holzhandel, sondern für die gesamte Holzeinfuhr den Hauptfaktor. Das meiste russische, für Deutschland bestimmte Holz wird eingeflößt, und zwar erreicht es das deutsche Gebiet entweder auf der Memel bei Schmalleningken oder auf der Weichsel bei Schilno. Auf letzterem Wege wird auch ein Teil des galizischen Rundholzes eingeführt, das die Weichsel, die Hauptwasserstraße für den russisch-deutschen Holzexport, die in ihrem Anfange die Grenze zwischen Galizien und Polen bildet, an dieser Stelle aufnimmt. Ein kleinerer Teil des russischen Holzes wird zu Schiff über die Nord- und Südhäfen Rußlands nach Deutschland gebracht; auch die Einfuhr auf der Eisenbahn ist verhältnismaßig gering.

Ueber Schmalleningken sind eingegangen:

im Jahre 1895 1 051 929 fm Bau- und Nutzholz
" " 1896 1 098 678 " " " "
" " 1897 1 389 434 " " " "

Auf der Weichsel bei Schilno sind eingeflößt worden:

im Jahre 1881 2246 Traften mit 1 729 420 fm
" " 1882 2087 " " 1 606 990 "
" " 1883 2175 " " 1 675 750 "
" " 1884 1415 " " 1 089 550 "
" " 1885 1667 " " 1 283 590 "
" " 1886 1308 " " 1 007 160 "
" " 1887 1567 " " 1 206 590 "
" " 1888 1803 " " 1 388 310 "
[3]                
" " 1889 2288 " " 1 772 760 "
" " 1890 2329 " " 1 793 330 "
" " 1891 1234 " " 950 180 "
" " 1892 1887 " " 1 452 990 "
" " 1893 1814 " " 1 396 780 "
" " 1894 1367 " " 990 000 "
" " 1895 1317 " " 1 050 000 "
" " 1896 1650 " " 1 340 000 "
" " 1897 1775 " " 1 440 000 "

An dieser Holzeinfuhr waren die einzelnen in Betracht kommenden Länder im Durchschnitt der letzten Jahre etwa wie folgt beteiligt: Ostpreußen mit 1 Prozent, Polen mit 40 Prozent, das übrige Rußland mit 40 Prozent, Galizien mit 19 Prozent.

Das über Schilno eingeführte Holz geht dann weiter bis Thorn, wo es vermessen und verzollt wird. Ein kleiner Teil des Holzes wird von den Thorner Schneidemühlen konsumiert, während das übrige nach kürzerem oder längerem Aufenthalte, je nachdem es verkauft oder unverkauft hier ankommt, nach den einzelnen Konsum- und Handelsplätzen weitergeht.

So wurden beispielsweise im Jahre 1896 1 340 000 fm über Schilno hierher geflößt, wovon zunächst in Thorn ca. 50 000 fm für den hiesigen Bedarf aus dem Markte genommen wurden; etwa ebensoviel nahmen die Schulitzer Schneidemühlen auf, Graudenz konsumierte 30 000, Elbing 60 000 fm und über 400 000 fm gelangten nach Danzig. In den Brahnauer Hafen Brahemünde wurden 700 000 fm eingeschleust, wovon die Bromberger Schneidemühlen etwa 10 Prozent verbrauchten: der Rest von 630 000 fm ging durch den Bromberger Kanal, die Netze, Warthe und Oder nach Stettin, Brieskow, Glietzen, Saaten, Bralitz, Oderberg, Eberswalde, sodann durch den Müllrose und Finowkanal nach Spandau, Potzdam, Charlottenburg und Berlin; schleßlich gelangte ein kleiner Teil auch noch nach Magdeburg. In ähnlicher Weise spielt sich fast jedes Jahr die Verteilung der hier eingehenden Hölzer ab.

Der Wert der jährlich über Schilno importierten Traften schwankt zwischen 30 und 40 Millionen Mark, die zum Teil deutsches Kapital darstellen, denn während früher das Holz ausschließlich von russischen und österreichischen Aufkäufern an den deutschen Markt gebracht wurde, kaufen seit einigen Jahren deutsche Holzfirmen vielfach große Mengen an Bau- und Nutzholz an den Ursprungsorten in Rußland und Galizien.

Ehe das Holz die deutsche Grenze erreicht, ist es vielfachen Gefahren ausgesetzt. Zunächst handelt es sich darum, das Holz aus den Forsten nach dem Fluß zu bringen, was um so schwieriger ist, als die Mehrzahl der Waldbestände jetzt von den flößbaren Wasserstraßen ziemlich weit abgerückt liegt und die Wege in Rußland und Galizien, soweit solche überhaupt vorhanden sind, sich in sehr schlechtem Zustande befinden. Ein milder Winter, der die Holzanfuhr durch Schlitten pp. unmöglich macht, kann zur Folge haben, das ein großer Teil des geschlagenen Holzes überhaupt nicht angebracht wird. Es entstehen hierdurch bisweilen ganz bedeutende Schwan-[4]kungen in der Holzzufuhr; doch läßt sich erwarten, daß mit der Besserung der Wege, und namentlich in den russischen Kronforsten jetzt hier und da energisch in die Hand genommen wird, diese für den Holzhandel und Holzkonsum nachteiligen Schwankungen verhindert werden.

Außer der oberen Weichsel kommen als Zufuhrwege deren Nebenflüsse Wieporz, Bug, Pilica, und Narew in Betracht. Bei günstigem Wasserstande vollzieht sich das Herankommen der Traften ziemlich glatt, doch sind auch die Fälle nicht selten, in denen die Hölzer des niedrigen Wasserstandes wegen überhaupt nicht weiterschwimmen können. So sind z.B. im Jahre 1886 ca. 300 Traften unterwegs auf dem Bug liegen geblieben und konnten erst im darauffolgenden Frühjahr hierhergelangen. Nicht immer gelingt es in solchen Fällen den Flößen, eine von Eisgefahren geschützte Stelle zu finden; häufig kann das Holz nur dadurch geborgen werden, daß es aus dem Wasser gezogen und auf höher gelegenen Ufern aufgestapelt wird, um im Frühjahr wieder ins Wasser geschafft und neu verbunden zu werden, wodurch natürlich erhebliche Kosten entstehen.

Nach ihrer Ankunft in Thorn kommen die Traften zunächst zur Verzollung, wobei die von vereidigten Holzmessern vorgenommenen Vermessungen, nachdem sie durch Stichproben auf ihre Genauigkeit geprüft sind, zu Grunde gelegt werden. Die zollamtliche Abfertigung nimmt, je nach dem größeren oder geringeren Andrange der Hölzer, ca. 3-8 Tage in Anspruch. Während dieser Zeit spielen sich dann die Verkäufe an unserem Platze ab, zu welchem Zwecke hier stets viele russische und deutsche Holzhändler und Holzkommissionäre sich aufhalten. Die verkauften Traften gehen dann entweder nach Danzig weiter, was weniger Schwierigkeiten bietet, oder nach Bromberg. In diesem Falle müssen sie zunächst in den Branauer Hafen eingeschleußt werden, was wegen der dort leicht eintretenden Überfüllung häufig nicht sofort möglich ist, sodaß die Hölzer oft wochenlang auf der Weichsel liegen müssen. Die unverkauften Traften aber müssen sich unterhalb Thorns so gut wie möglich zu bergen suchen, wobei ihre Ueberwachung ziemliche Kosten verursacht. Den Brahnauer Hafen suchen sie nicht gerne auf, weil er, wie oben erwähnt, selten anstandslos zu benutzen ist, sodann weil für die Benutzung des Hafens beträchtliche Schleußen- und Liegegelder bezahlt werden müssen, die, falls das Holz später nach Danzig verkauft werden soll, eine unnötige Belastung darstellen.

Welche Nachteile diese Zustände zur Folge haben, illustrieren am besten einige Notizen aus den in den Jahresberichten der Handelskammer für Kreis Thorn enthaltenen Spezialberichten über den Holzhandel. Hier heißt es im Jahre 1883: "Zahlreiche Rundholztransporte standen hier auf der Weichsel wochenlang und fanden keine Käufer. Des langen Wartens müde gingen sie in den Hafen bei Brahnau. Dieser war bald überfüllt, und, was nachkam, musste vor dem Hafen angestellt werden. Immer mehr rückte heran, und schließlich war die ganze Uferstrecke von Brahnau aufwärts bis zu den Katharinchenbergen (1 ½ Meilen unterhalb der Stadt Thorn) von Holz besetzt. Die Gefahren, die eine solche Aufstellung auf offener Weichsel in sich schließt, ferner die damit verknüpften namhaften Kosten bewogen nunmehr die Inhaber, ihre Waren selbst zu gedrückten Preisen loszuschlagen. In [5] dem Berichtsjahr hat es sich wieder ganz eklatant gezeigt, wie nützlich es für uns wäre, einen Holzhafen hier einzurichten."

Im Jahre 1887 schreibt der Berichterstatter:

"Große Mengen Rundkiefern standen unverkauft zwischen Thorn und Schulitz und waren bei dem gegen Ende Juni eingetretenen Hochwasser stark gefährdet. Mehrere Traften wurden fortgerissen und zerschellt, andere, die von dem Schicksale der Entführung durch den Strom verschont blieben, waren nach dem Ablauf des Wassers auf dem Ufer festgelegt. Um derartige aufgetrocknete Flöße wieder flott zu machen, bedarf es in den meisten Fällen eines im Verhältnis zum Werte des Holzes sehr bedeutenden Kostenaufwandes."

Im Bericht vom Jahre 1888 lesen wir:

"Infolge des Langen Winters war der Beginn der Schiffahrt verzögert und kamen die Holztransporte in rascher Aufeinanderfolge hier an. Der Hafen in Brahnau, den alles nach Westen gehende Holz passieren muß, war bald gefüllt, und spätere Transporte mussten außerhalb bleiben, bis wieder Raum geschafft war; das Hinausschleusen, obgleich Tag und Nacht betrieben, geht naturgemäß nur langsam, und so haben Transporte bis 6 Wochen auf der Weichsel gelegen, bevor sie in den Hafen gelangen konnten. Der Wunsch, den Thorner Sicherheitshafen zu einem Holzhafen erweitert zu sehen, wird nicht nur von den hiesigen Händlern; sondern von allen Interessenten mit Recht sehr dringend geäußert. Der Hafen bei Brahnau ist bei weitem nicht ausreichend; auch ist den inländischen Holzhändlern die Verfügung über die Hölzer schon sehr beschränkt, sobald sie den Hafen in Brahnau aufgesucht haben. Die Bedingungen für Anlage eines Holzhafens sind hier so günstig, wie wohl kaum anderswo."

Im Jahre 1889 wird wieder über Ueberfüllung des Brahnauer Hafens geklagt, die viele Traften nötigte, wochenlang auf der offenen Weichsel zu liegen. Eine ganze Reihe unverkaufter Hölzer wurde schließlich nach Danzig geschafft. Es heißt dann weiter: "Für Berlin war der Bedarf an Mauerlatten ganz besonders stark, und da der Weg durch den Brahnauer Hafen und den Bromberger Kanal mit Verzögerungen verbunden war, so haben mehrere Berliner Firmen große Posten nach Danzig schwimmen lassen, um die dort über See nach Stettin und von Stettin mittelst Bahn nach Berlin zu nehmen."

In dem Bericht des Jahres 1893 ist zu lesen: "Sechsmal hintereinander und zwar in kurzen Zwischenpausen wurden die auf der Weichsel liegenden und schwimmenden Hölzer durch Hochwasser in Gefahr gebracht. War dabei glücklicherweise nur geringerer Schaden an Material zu beklagen, so sind doch die durch das Bergen, durch die Befestigung der Hölzer und durch die Verzögerung des Transports entstanden Unkosten sehr groß gewesen."

Auch in der diesjährigen Flößereiperiode ist der Mangel eines Sicherheitshafens bei Thorn recht fühlbar geworden. Die ersten hier anlangenden Holztraften fanden zwar sofort Käufer und konnten ruhig ihrem Bestimmungsorte zuschwimmen, bald trat jedoch eine Verflauung des Marktes ein, die die Holztraften zu längerem Festmachen auf dem Strome nötigte, wo sie allen Gefahren von Sturm und Hoch[6]wasser ausgesetzt waren. Das Strombett war zeitweise zum Nachteil der Schiffahrt von Traften vollständig bedeckt, die sicherlich gerne einen Holzhafen aufgesucht hätten. Bis Mitte September sind ca. 1700 Traften in Thorn zollamtlich abgefertigt worden; oberhalb, in den Nebenflüssen der Weichsel, dem Bug und Narew, lagern noch etwa 300 Traften, in denen viel deutsches Kapital steckt. Sie können des niedrigen Wasserstandes wegen nicht abschwimmen und warten günstigeres Wasser ab, um dann wennmöglich noch die Weichsel zu erreichen. Bei der vorgeschrittenen Jahreszeit sind die der Gefahr ausgesetzt, bei ihrer Fahrt vom Eisgang überrascht zu werden, wobei ihnen auf ihrem ganzen Wege außer dem Brahnauer Hafen, der aber, falls sie ihn überhaupt erreichen, bei ihrer Ankunft schon überfüllt sein wird, keine sichere Unterkunft zur Verfügung steht.

Auch von anderer Seite wurde auf den Mangel an sicheren Lagerplätzen für die Traften und auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen. So schreibt im Jahre 1889 die Handelskammer für den Regierungsbezirk Bromberg in einer Denkschrift über die Wasserverbindung zwischen Weichsel und Oder: "Bei der fortschreitenden Regulierung der Weichsel durch Buhnen pp. werden die noch vorhandenen Lagerflächen in derselben in absehbarer Zeitgänzlich verschwinden, und bei dem stetig zunehmenden Flößereiverkehr ist ein entsprechender Ersatz hierfür notwendig, nachdem sich die Lagerflächen des Weichselhafens Brahemünde als zu klein schon für den jetzigen Verkehr erwiesen haben, und die Gefahr vorliegt, daß bei mangelnden Lagerflächen die Traften auf der Weichsel bei den schnell wechselnden Wasserständen der Gefahr des Verschwimmens mehr als jetzt ausgesetzt werden."

Bei dieser Sachlage war es die Pflicht der Handelskammer, auf Abhilfe zu denken, wobei einzig und allein der Bau eines Holzhafens bei Thorn in Frage kommen konnte. Nachdem das erste Projekt, nach welchem der Hafen ganz in der Nähe der Stadt gebaut werden sollte, die landespolizeiliche Erlaubnis wegen zu weit gehender Einengung des Hochwasserprofils nicht gefunden hatte, ließen wir unter der Leitung des Königlichen Wasserbauinspektors May ein neues Projekt anfertigen, das dann im November 1897 die landespolizeiliche Genehmigung erhielt.

Wenn ein solcher Holzhafen nun auch jetzt von der äußersten Notwendigkeit und Nützlichkeit erscheint, so würde man seinen Bau dennoch nicht befürworten können, wenn man nicht sicher auf eine Nachhaltigkeit der russischen Holzeinfuhr rechnen könnte. Diese notwendige Nachhaltigkeit der Holzeinfuhr ist aber mit Bestimmtheit zu erwarten. Zunächst ist es völlig ausgeschlossen, daß der Bedarf Deutschlands an Bau- und Nutzholz wieder derartig zurückgehen könnte, daß die einheimische Holzproduktion zur Deckung dieses Bedarfs hinreichend erschiene. Zweifelhafter erscheint es schon, ob nicht Russlands Holzvorräte durch jahrelangen Raubbau sich immer mehr verringern werden, sodaß schließlich die Ausfuhr in der alten Höhe nicht mehr gewonnen werden kann. Hiergegen ist zunächst zu sagen, Russlands Waldgebiet ein ganz enormes ist, das in seiner ganzen Ausdehnung schon wegen der mangelnden Wege und Eisenbahnen noch lange nicht genügend ausgebeutet werden konnte. Die Gesamtfläche des Europäischen Russland beträgt 181 000 000 ha d. i. eine Fläche von mehr als der dreifachen Größe Deutschlands.

[7] Raubbau mag zwar noch bei einigen Privatwaldungen vorkommen, doch hat die russische Regierung bereits Schritte gethan, um die Einführung einer regelrechten Waldwirtschaft in allen durch Entwaldung gefährdeten Gegenden zu erzwingen. Bei den Kronforsten aber, die ca. 60 Prozent der Gesamtwaldungen ausmachen, ist in den letzten Jahren eine Reihe von Aenderungen in der Bewirtschaftung eingetreten, wodurch eine Verbesserung der Forsteinrichtung und Erleichterungen für die Bevölkerung bei dem Bezug von Holz, sowie eine Erhöhung der Einkünfte aus den Forsten angestrebt wird. Unter den Maßnahmen zur Erleichterung des Holzbezuges ist besonders die hervorzuheben, wonach den Käufern bisweilen das Recht eingeräumt wird, mit Genehmigung der Kreisdomänenverwaltung die Regulierung von Flussläufen im Bereiche der Kronforsten vorzunehmen zur Schaffung bequemerer Wege zum Abflößen der geschlagenen Hölzer. Welchen Erfolg die genannten Verbesserungen haben, beweist die Steigerung der Forsteinnahmen. Es betrugen die Einnahmen aus den Kronforsten

im Jahre 1887 . . . . . . . . . . 13 632 000 Rubel
" " 1890 . . . . . . . . . . 17 452 000 "
" " 1893 . . . . . . . . . . 19 734 000 "
" " 1896 . . . . . . . . . . 30 054 000 "

Unter solchen Umständen ist eher auf eine Vermehrung der Holzzufuhren zu rechnen, zumal ja auch neue Eisenbahnen und Wasserstraßen die Forsten zugänglicher machen werden. Auch der von der russischen Regierung geplante Seekanal zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere, der die Düna mit dem Dnjepr verbinden soll, würde, falls er wirklich zur Ausführung käme, keinen Nachteil bringen, denn das auf dem Gebiete dieser Flüsse verkehrende Holz wird auch dann, soweit es zum Export bestimmt ist, nur zum kleineren Teile zur Küste gehen. Die Hauptmenge wird nach wie vor durch die Pilna, den Dnjepr-Bugkanal, den Muchawiez und den Bug zur Weichsel gebracht werden.

Sind sonach die Befürchtungen, daß ein Holzhafen bei Thorn über kurz oder lang aus Mangel an importiertem Holze zwecklos werden könnte, von der Hand zu weisen, so steht dagegen die große Bedeutung, die ein solcher Hafen für den Holzhandel, die Holzindustrie und die Schiffahrt haben würde, fest. Es wäre damit ein Sicherheitshafen geschaffen, in den die hier auf der Weichsel stehenden Traften bei drohendem Hochwasser, bei Sturm und Eisgang sich flüchten könnten. Die an sich dankenswerte Einrichtung telegraphischer Hochwassermeldungen aus dem oberen Weichselgebiete hat für die Traften jetzt nur geringen Nutzen, da sie sichere Unterstände doch nicht aufsuchen können. Sie müssen sich daher, so gut es geht, an dem Ufer festzulegen suchen, denn bei Hochwasser ist ein Verankern auf dem Strome nicht möglich; trotzdem kommt es häufig genug vor, daß sie durch die Gewalt des Wassers losgerissen werden, wobei die führerlos umherschwimmenden Hölzer eine große Gefahr für die Schiffahrt bilden. Wie aus den oben citierten Holzberichten hervorgeht, trifft diejenigen Hölzer, die festgeblieben sind, oft das Missgeschick, daß sie bei raschem Ablauf des Wassers auf dem Trockenen sitzen bleiben, worauf sie dann erst mühsam wieder in das Wasser gezogen werden müssen.

[8] Der Bau eines Holzhafens würde für alle Traften, die Thorn passieren, diese Gefahren, die ihnen bei kürzerem oder längerem Aufenthalte hier drohen, beseitigen; den Hauptvorteil hätten aber natürlich diejenigen Hölzer, die unverkauft hier ankommen und jetzt entweder unterhalb der Stadt Thorn oder bei Schulitz festlegen müssen, wo sie oft monatelang allen Gefahren des wechselnden Wasserstandes ausgesetzt sind. Wie wir aber oben gesehen haben, ist auch eine Reihe von verkauften Traften, die nach Bromberg oder darüber hinaus bestimmt sind, häufig gezwungen, wegen Ueberfüllung des Brahnauer Hafens wochenlang auf der offenen Weichsel liegen zu bleiben. Diese könnten später im Thorner Hafen ruhig abwarten, bis die Möglichkeit ihrer Einschleusung in den Brahnauer Hafen gegeben wäre. Von großem Vorteil würde aber der Hafen für die erst im Spätherbste anlangenden und für die bis zum Eintritt des Eisganges nicht verkauften Traften sein, da ihnen alsdann hier ein sicheres Winterlager geboten wäre, während jetzt die Eigentümer solcher Hölzer gezwungen sind, sie vor Eintritt des Eisganges zu jedem Preise loszuschlagen. Die Besitzer dieser Hölzer würden dann im nächsten Frühjahre die ersten auf dem Holzmarkte sein und fast mit Sicherheit auf lohnende Preise rechnen können. Auch im Sommer könnten die Holzimporteure bei sinkenden oder unlohnenden Preisen den Hafen angehen und hier bessere Konjunkturen abwarten, während sie jetzt des großen Risikos wegen das Holz so bald wie möglich verkaufen müssen.

Die Lagerung der Flöße in einem Holzhafen würde ferner dazu beitragen, vielen Streitigkeiten unter den Lieferanten und Empfängern vorzubeugen oder sie rascher zu beendigen. Es ist jetzt nicht selten, daß Zwistigkeiten entstehen, da sich oft die als gesund gekauften Hölzer als schwammig oder sonst wie verdorben erweisen, sobald sie zur Bearbeitung an das Land gezogen werden. Ein Holzhafen würde hierin gründlich Wandel schaffen, denn die Verbände der Traften könnten im Hafen gelöst und die einzelnen Hölzer genau untersucht und taxiert werden. Sodann würde man die Hölzer sortieren und die gleichen Qualitäten zu neuen Flößen vereinigen können, wodurch die Verwertungsmöglichkeit des Holzes bedeutend gesteigert werden würde. Thorn würde dann zum Mittelpunkt des ostdeutschen Holzhandels werden, weil hier das Holz stets in gewünschten Qualitäten und Mengen zur Verfügung stände.

Ein weiterer Vorteil des Hafens für den Holzhandel würde aber die Möglichkeit der Lombardierung der hier lagernden Hölzer sein. Käme hierzu noch die Genehmigung zur Errichtung eines Holztransitlagers, so würden dem Holzhandel in der Thorner Hafenanlage alle wünschenswerten Erleichterungen zur Verfügung stehen, und ein erheblicher Aufschwung wäre sicher zu erwarten, der auch befruchtend auf andere Gebiete der wirtschaftlichen Thätigkeit in unserem Bezirke wirken würde.

Zunächst wäre hierfür die Holzindustrie, speziell die Sägemüllerei zu nennen, deren Bedeutung am Orte bis jetzt noch gering ist. Sie arbeitet in der Hauptsache für den Bedarf von Thorn und der nächsten Umgebung und verbraucht von den hier ankommenden Hölzern vielleicht 60-70 Traften jährlich. Die meisten Sägemühlen liegen ziemlich weit ab vom Wasser, auch mangelt ihnen der Bahnanschluß; ferner trägt das Fehlen geeigneter Auswaschplätze dazu bei, daß sich bisher die Thorner Holzindustrie nicht in der wünschenswerten Weise entwickeln konnte. Hier würde ohne [9] allen Zweifel der Holzhafen eine bedeutsame Wendung herbeiführen, und gerade auf diese Wirkung, eine umfangreiche Holzindustrie in unserem industriearmen Osten ins Leben zu rufen, möchten wir das Hauptgewicht legen.

Indirekt käme der Hafen auch der Schiffahrt zu gute, da diese jetzt häufig namentlich durch die unterhalb der Stadt Thorn liegenden Traften, die oft nur Raum für einen Kahn offen lassen, behindert wird. Auch die Gefahr, daß Schiffe durch losgerissene Traften beschädigt werden, wäre dann vermindert.In dem Projekte zum Bau eines Holzhafens sind genügende Plätze zur Anlegung von Sägemühlen und anderen holzindustriellen Etablissements vorgesehen, ebenso wird für geeignete Auswaschplätze gesorgt werden. Da die zu verarbeitenden Hölzer bis zum Gebrauch im Wasser liegen bleiben könnten, so wären sie vor dem Blauwerden geschützt, ein Vorteil, der nicht unterschätzt werden darf. Die Lage dieser Betriebe wäre dann in jeder Hinsicht vorzüglich. Sie könnten, da Thorn der erste Markt für die über Schilno eingehenden Traften ist, sich die am besten geeigneten Hölzer, nachdem sie sie auf ihre Qualität geprüft hätten, aussuchen und die geschnittenen oder sonst wie bearbeiteten Hölzer entweder auf dem Wasserwege oder auf der ebenso bequem liegenden Bahn versenden, wobei als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß bis dahin die Uferbahn bis zum Holzhafen weitergeführt sein wird. Die Thorner Holzindustrie würde dann natürlich einen ganz erheblichen Bruchteil des eingehenden Holzes konsumieren und umfangreiche Lagerflächen des Hafens für das zu verarbeitende Holz in Anspruch nehmen müssen. Da während des ganzen Jahres stets große Mengen unverkauften Holzes im Hafen liegen würden, so wären die Schneidemühlen auch nach Schluß der Schiffahrt im Stande, bei eintretendem Bedarf das nötige Rohmaterial diesem Vorrate zu entnehmen und etwaige Aufträge sofort zur Ausführung zu bringen.

Es bleibt uns schließlich noch übrig darauf hinzuweisen, daß auch der Staat ein hervorragendes Interesse an dem Bau des Holzhafens hat. Es könnten z. B. bei der Gefahr der Einschleppung von Seuchen, namentlich der Cholera, die Flößereimannschaften bezüglich ihres Gesundheitszustandes in dem Hafen bequem überwacht und die angeordneten Desinfektionsmaßregeln leicht vorgenommen werden.

Daß der Hafen für die Zwecke der Stromregulierung nur förderlich sein wird, ist uns in einem Schreiben des Chefs der Weichsel-Strombauverwaltung, Seiner Excellenz des Herrn Oberpräsidenten Dr. von Gossler bestätigt worden, worin hervorgehoben wird, daß die Hafenanlage im strombaufiskalischen Interesse als erwünscht bezeichnet werden müsse. Thatsächlich würden auch die Gefahren der Eisstauung durch den Hafendamm, der zur Vertiefung des Flussbettes und zur Beschleunigung der Strömung beitragen wird, vermindert und damit die Zwecke der Stromregulierung durch Festlegung des Hochwasser-profils gefördert werden.

Da durch die jetzt an den Ufern festlegenden Traften namentlich bei steigendem Wasser die Buhnen häufig beschädigt werden, so hat der Strombaufiskus ein Interesse daran, daß dieses Umherliegen der Hölzer auf dem Strome verboten wird, was jedoch erst nach Fertigstellung des Holzhafens durchführbar ist.

[10] Von der Zollverwaltung würde die Errichtung eines Holzhafens sicher freudig begrüßt werden, da er die Möglichkeit zu mannigfachen Erleichterungen bei der Verzollung böte. So wird es jetzt von der hiesigen Zollbehörde als Uebelstand empfunden, daß auf dem Zollrevisionsfelde fast ständig verzollte und unverzollte Traften zusammenliegen und so den Ueberblick erschweren. Heute würde es eine Härte sein, wenn jede abgefertigte Traft sofort abschwimmen müsste, auch wenn das Holz noch nicht verkauft ist und daher der Bestimmungsort noch nicht feststeht. Sobald jedoch ein Holzhafen vorhanden sein wird, können die unverkauften Traften, die zollamtlich abgefertigt sind, dorthin verbracht und nötigenfalls auf Transitlager genommen werden. Es wird dann überhaupt in Erwägung gezogen werden müssen, ob man nicht alle Traften, die bei ihrer Ankunft in Thorn noch keinen Bestimmungsort haben, in den Hafen nehmen und dort verzollen soll.

Für die Festung Thorn wird es sicher auch von Bedeutung sein, wenn sich der Nähe stets ein gewisser Vorrat an Bau- und Nutzholz befindet.

Der Holzhafen wird sonach dem Holzhandel Sicherheit und Bewegungsfreiheit gewährleisten, er wird eine leistungsfähige Holzindustrie ins Leben rufen, die Sicherheit für die Schiffahrt vermehren, die Zwecke der Stromregulierung befördern und auch für die Allgemeinheit mannigfache Vorteile bringen.

Die Auffindung eines für den Hafen geeigneten Geländes erwies sich schwerer, als man anfangs angenommen hatte. Einesteils setzten die Rayonverhältnisse der Festung, andererseits die Grunderwerbskosten oder die ungenügende Flächengröße, endlich auch die Unmöglichkeit, das Hochwasserprofil des Stromes mehr als zulässig einzuschränken, für die Wahl eines solchen enge Grenzen.

Nach vergeblichen Bemühungen das Gelände bei Okrocyn am rechten Stromufer unterhalb Thorn für diesen Zweck zu benutzen, blieb nur noch das Gelände hinter der sogenannten Korzeniec-Kämpe übrig, welches zwar von der Stadt weiter abgelegen ist, aber allen übrigen Forderungen bezüglich der Größe und der Möglichkeit, den Hafendeich ohne Einschränkung des Hochwasserprofils zu schütten und namentlich auch bezüglich einer gesicherten und bequemen Einbringung der Traften genügt.

Der Holzhafen soll auf dem Gelände der Alt-Thorner Kämpe und des Wiesenburger Außendeiches in dem tiefergelegenen Kämpenteil hinter der am rechten Weichselufer belegenen Korzeniec-Kämpe zwischen dieser und dem Hochwasserdeiche der Stadtniederung angelegt und gegen das seitliche Einströmen des Hochwassers durch einen starken Deich geschützt werden, dessen Böschungen beiderseits dreifache Anlage erhalten, um eine eventuelle Benutzung dieser Flächen zum Heraufwinden und Herunterlassen von Hölzern zu ermöglichen. Der hochwasserfreie Anschluß dieses Deiches erfolgt oberhalb der Wiesenburger Ziegelei bei dem Heyseschen Gute auf der Okroczyner Kämpe. Die nördliche Begrenzung des Hafens wird durch den Thorner Niederungsdeich gebildet, während die 85 m breite Einfahrt zum Hafen im südwestlichen Teile derselben dicht oberhalb der stromfiskalischen Alt-Thorner Strommeisterei liegt. Um dem Holzhandel einen möglichst großen Raum zur Unterbringung der Traften zu bieten, ist auch die gesamte Fläche der Alt-Thorner Kämpe und des Wiesenburger Außendeiches hinter der Korzeniec-Kämpe für die geplante An[11]lage in Anspruch genommen worden, sodaß das Hafengebiet eine Größe von 182 ha besitzt, die sich auf die einzelnen Anlagen wie folgt verteilen:

a. nutzbare Hafenfläche in Höhe des mittleren Wasser-      
standes von 1,12 m am Thorner Pegel
105 ha
b. Holzlagerfreie verkehrsstraßen 13 "
c. Hafeneinfahrt 5 "
d. Holzwaschplätze 10 "
e. für industrielle Anlagen reservierte Flächen 14 "
f. Hafendeich, Böschungen, Zufuhrwege etc. 35 "
182 ha.

Da die auf der Weichsel verkehrenden Flöße ganz außerordentlich verschiedene Längen und Breiten besitzen, so ist eine Angabe darüber, wieviel Flöße in dem Hafen gleichzeitig Platz finden können, zutreffend kaum zu machen. Im allgemeinen dürfte eine mittlere Größe von 2500 bis 3500 qm am häufigsten vorkommen. Nimmt man eine durchschnittliche Flächengröße einer Traft von 3000 qm an, so würden danach gleichzeitig im Hafen 350 Traften Platz finden können. Da die Böschungen des Hafenbassins und der Hafeneinfahrt teils mit drei- und teils mit zehnfacher Anlage vorgesehen sind, würde bei eintretendem Hochwasser noch einer Anzahl von 50 bis 100 Traften über die vorhin angegebene Zahl hinaus Schutz gewährt werden können. Vergleichsweise möge hier angeführt werden, daß der Binnenhafen der Brahemünder Anlage nebst Brahe und Außenhafen zusammengenommen im Falle der Not, wobei nur eine 15 m breite Verkehrsstraße bleibt, nur 82 ha Fläche bietet, während hier im gleichen Falle nach Abzug der freizulassenden Verkehrsstraße ca. 130 ha zur Verfügung stehen würden.

Die Tiefe des Hafens ist so bemessen, daß für den Transport der Traften bei niedrigstem Wasserstande von 0,6 am Thorner Pegel noch eine Wassertiefe von 0,50 m verbleibt, die Hafensohle demnach 1,10 m unter Null am Thorner Pegel liegt. Die Sohle des alten, längs des Hafendeichs hinführenden Stromarmes, der gegenwärtig zur Verlandung bestimmt und daher mittelst dreier Durchlagen durchbaut wurde, ist in einer Breite von 40 m und in einer Tiefe von 1,6 m unter Null am Pegel auszubaggern, um etwaigen Schleppdampfern den erforderlichen Tiefgang zu gewähren. Die Wasserfläche des Hafens selbst soll durch Haltepfähle, die den höchsten Wasserstand überragen, in eine Anzahl von Feldern geteilt werden. Die östliche und ein Teil der nördlichen Böschung des Hafenbassins sind mit zehnfacher Anlage angelegt und zum Auswaschen von Hölzern vorgesehen. Das angrenzende Gelände soll auf eine Höhe von 6,8 m am Thorner Pegel erhöht und zu Lagerplätzen benutzt werden. Hinter den östlichen Lagerplätzen ist das Gelände bis zum Anschluß des Hafendeichs bei Okroczyn bis 1 m unter Deichkrone zu erhöhen, um erstens überflüssige Bodenmassen entsprechend unterzubringen und zweitens Plätze für industrielle Anlagen zu schaffen. Die gesamte Länge des Hafens vom oberen Beginn bis zum Ende der Hafeneinfahrt beträgt 3100 m und seine größte Breite 640 m.

[12] Der Hafendeich, dessen Lage zum Strome auf 1100 m Entfernung von dem am linken Weichselufer gelegenen Nessauer Niederungsdeich angenommen wurde, ist nur in seinem stromauf gelegenen Teile einem geringen Wasserdrucke ausgesetzt, welcher bis zum Deichkopfe an Hafeneingang allmälig mit dem Gefälle des Stromes abnimmt und schließlich aufhört; er ist lediglich mit Rücksicht auf eine etwaige wirtschaftliche Benutzung seiner Böschungen und Krone mit einer Breite der letzteren von 0,60 m und Böschungen von 1 : 3 angelegt; außerdem wird gleichzeitig der Zweck damit verbunden, in dichter Nähe der auszubaggernden Flächen eine größere Menge des Baggerbodens unterzubringen und wegen dessen vielleicht weniger guten Beschaffenheit dem Deiche etwas stärkere Abmessungen zu geben. Die Krone des Deiches erhält dieselbe Höhe wie sie der Niederungsdeich hat, nämlich + 8,79 am Thorner Pegel. Die Böschungen des Deiches und die über dem gewöhnlichen Wasserspiegel des Ha-fens liegenden Böschungen sollen zum Schutze gegen die Beschädigung durch Wellenschlag berast bzw. eingesät werden.

Der allmälig bis auf Geländehöhe (ca. 3,6 m am Thorner Pegel) abfallende Hafenkopf ist gegen Eisgang, Hochwasser und Wellenschlag beiderseitig mit 0,4 m starkem, auf 20 cm dicker Grandschicht ruhendem Pflaster aus gesprengten Feldsteinen gedeckt; die Fugen sollen gegen Ausspülung des Bettungsmaterials bei Wellenschlag mit Cementmörtel vergossen werden, wodurch einer Versackung des Pflasters vorgebeugt wird.

Die Deichkrone sowie die Banketts sollen derart durch Lehm und Kies, den man gelegentlich der Baggerung zu finden hofft, gedeckt und befestigt werden, daß beide als Wege für den Hafen- und Holzverkehr benutzt werden können. Im übrigen sind die gefährdeten Stellen der Hafen- und der Hafendeichböschungen durch sinkstückartige Packwerkslagen und Steindeckung soweit gesichert, daß eine nachteilige Rutschung des Böschungsfußes nicht zu befürchten ist.

Für den Hafenmeister ist ein Wohngebäude am Anfang des Hafens in der Nähe der Wiesenburger Ziegelei gedacht. Der für die erwähnten Baulichkeiten in Aussicht genommene Flächenteil des Hafengeländes soll zuvor durch die gewonnene Baggererde auf angemessene und gleichzeitig hochwasserfreie Höhe gebracht werden. Von hier aus dürfte sich dann auch am leichtesten der Anschlussverkehr für den Eisenbahnbetrieb bewerkstelligen lassen.

In der Nähe des unteren Endes des Hafens ist am rechten Ufer, um die leichte Verbindung mit der Landstraße und dem Hafenamte zu behalten, die Anlage eines Aufsehergebäudes geplant; dem Aufseher wird es obliegen, die ersten Meldungen der in den Hafen kommenden Traften, deren Einweisung in die Abteilungen zu bewirken und die erforderliche Aufsicht auszuüben.

Die für die Anlage erforderlichen baulichen Ausführungen werden bei regem Betriebe 4 Jahre in Anspruch nehmen, wobei technische Schwierigkeiten erheblicher Art nicht zu erwarten sein dürften.

[13] Der Kostenanschlag enthält folgende Positionen:

Tit. I. Grunderwerb etc. ............................................ 408 968 Mark
" II. Erd- und Rodungsarbeiten ............................... 4 091 114 "
" III. Ufer- und Böschungsarbeiten ........................... 205 134 "
" IV. Verwaltungs- und Wohngebäude ...................... 50 000 "
" V. Haltepfähle, Grenzsteine etc. ........................... 6 230 "
" VI. Vorarbeiten, Bauleitung etc. ............................. 288 554 "
" VII. Bauzinsen ...................................................... 376 500 "
    Gesamtkosten 5 426 500 Mark

In die Kostenberechnung sind die sämtlichen Ausgaben aufgenommen worden, die erforderlich werden, wenn die Hafenanlage in ihrer vollen Ausdehnung zur Ausführung gebracht wird. Die hierbei eingeführten Einheitssätze sind so bemessen, daß eine Ueberschreitung bei normalen Zeitverhältnissen aus geschlossen erscheint, daß aber bei regem Betriebe und besonders günstigen Verhältnissen Ersparnisse erhofft werden dürften, wenn leistungsfähige und tüchtige Bauunternehmer die eintretenden vorteilhaften Wasserstände stets günstig ausnützen. Sollte es bei solchem Betriebe sich ermöglichen lassen, den geplanten Bau statt in 4 Jahren schon in 3 beenden zu können, so würde allein schon an Baugelderzinsen eine ganz erhebliche Summe erspart werden können.

Es wird sich empfehlen einen allmäligen Ausbau des Hafens vorzunehmen, für welchen zunächst nur die gesamten Grunderwerbs- und Sicherungskosten für den Deich und dessen Befestigung aufzubringen sein würden; es würde dann der alte Stromarm für die Schleppdampfer in der veranschlagten Form, an diesem entlang nach Bedarf ein zuvörderst schmaleres Hafenbecken auszubaggern und somit abzuwarten sein, ob die Verkehrsverhältnisse und Einnahmen eine allmälige Vergrößerung wünschenswert erscheinen lassen.

Nimmt man eine durchschnittliche Traftengröße von 3000 qm an, so würde einschließlich der freibleibenden Verkehrsstraßen bei 200 unterzubringenden Traften nur etwa 70 ha Kämpenland auszubaggern sein, was bei einer durchschnittlichen Abtragshöhe von 5,0 m 3 500 000 cbm Baggerung und zwar zu je 70 Pfennig 2 450 000 Mark Kosten verursachen würde. Es würden somit bei Tit. II. anstatt der Ausgabesumme von rund 4 091 000 Mark nur eine solche von rund 2 450 000 Mark nötig werden und sich der Anschlag dadurch auf etwa 3 500 000 Mark ermäßigen. Da sich aber sicher annehmen lässt, daß auch noch Ersparungen gemacht werden können, so wird voraussichtlich ein leistungsfähiger Unternehmer den teilweisen Ausbau des Hafens für 3 000 000 Mark ausführen können.

Leider ist uns die landespolizeiliche Erlaubnis zum Bau des Hafens nur unter folgenden, schweren Bedingungen erteilt worden:

"1. Der Unternehmer des Holzhafenbaues bei Thorn ist verpflichtet, auf Verlangen der Deichaufsichtsbehörde den Weichselstromdeich der Nessauer Niederung bis km 26,25 der Weichselstromkarte in den Abmessungen und Formen des bereits ausgeführten Nes-sauer Deiches auf seine Kosten weiterzuführen.

[14] 2. Da durch die beabsichtigte Einschränkung des Hochwasserprofils die Gefährdung der Korzeniec-Kämpe bei Hochwasser und Eisgang voraussichtlich erheblich gesteigert werden wird, kann das Belassen der dort befindlichen Wohnstätten nicht gestattet werden. Der Unternehmer hat daher vor Beginn des Hafenbaues für die Beseitigung dieser Wohnstätten zu sorgen und neben dem Ersatz für etwaige Wirtschaftserschwernisse die Eigentümer der auf der Korzeniec-Kämpe belegenen Ländereien, welche infolge des Hafenbaues einem stärkeren Stromangriffe ausgesetzt werden, entsprechend zu entschädigen."

Nun ist u. E. die Fortführungen des Nessauer Niederungsdeiches nur eine Frage der Zeit, da er in seiner jetzigen Ausdehnung seine Aufgabe doch nicht ganz erfüllt und Teile der Niederung dem Hochwasser weiterhin ausgesetzt bleiben. Wir halten es daher für eine Aufgabe der Nessauer Deichbaugenossenschaft, für die Weiterführung des Deiches zu sorgen. Für die Bewohner der Korzeniec-Kämpe besteht die Gefahr, daß bei Hochwasser oder Eisgang ihre Gebäude weggerissen werden, schon lange. Diese Gefahr ist durch die Stromregulierung und den Bau des Nessauer Niederungsdeiches erheblich gesteigert worden, sodaß, wenn wir recht unterrichtet sind, die Königliche Regierung bereits den Gedanken erwogen hat, die Bewohner an einer ungefährdeten Stelle anzusiedeln. Es wäre daher ungerecht, für die Gefährdung der Kämpenbewohner allein die Hafenbaugesellschaft verantwortlich zu machen.

Wir nehmen als sicher an, daß die erwähnten Bedingungen dem Hafenbauunternehmer erlassen werden, wir hoffen aber weiter, daß die Königliche Staatsregierung uns bei dem Bau des Holzhafens auch finanziell unterstützen wird, da u. E. das gesamte Kapital zum Hafenbau kaum aus Privatkreisen aufzubringen sein wird.

Bei der hervorragenden Bedeutung des Holzhafens sowohl für Handel und Industrie des Ostens, als auch für die Schiffahrt und Verbesserung der Stromverhältnisse würde es vielleicht das beste sein, was auch am schnellsten zum Ziele führen würde, wenn der Staat den Bau des Holzhafens vollständig in die Hand nehmen würde. Eine mäßige, wenn nicht gar gute Verzinsung seines Kapitals wäre dem Staate gewiß, auch könnten die aufgewendeten Gelder in nicht zu langer Zeit amortisiert werden.

Falls Handel und Industrie im Osten gedeihen, hört auch der Abfluß deutscher Elemente nach dem Westen auf, ja es werden sicherlich unternehmungslustige deutsche Elemente aus dem Westen hierherziehen. Da die Königliche Staatsregierung sich jetzt in dankenswerter Weise um die Hebung des Deutschtums in den Ostprovinzen bemüht, für andere Städte auch schon manches gethan hat oder zu thun im Begriff ist, so ist es sicher ein Gebot der Gerechtigkeit, auch Thorn, das bisher vernachlässigt war, kräftig zu unterstützen und der alten Königin der Weichsel zu neuer Blüte zu verhelfen. Daß Thorn und Umgebung im Kerne deutsch sind und fühlen, haben sie bei der letzten Reichstagswahl bewiesen, wo der Angriff der Polen durch die Einigkeit der Deutschen zurückgewiesen und die Vertretung des Kreises wieder einem Deutschen übertragen wurde. Wenn jetzt die Königliche Staatsregierung das ihrige zur Stärkung des Deutschtums thut, so wird unser Wahlkreis den Polen für immer verloren gehen und das Polentum überhaupt mehr und mehr zurückgedrängt werden.

[15] Wir hoffen, daß diese Erwägungen die Königliche Regierung, die, wie wir wissen, schon jetzt dem Projekte des Holzhafens sympa-thisch gegenübersteht, zu kräftigem Vorgehen zu gunsten des Hafens bewegen werden, damit das segensreiche Werk so bald wie möglich in Angriff genommen werden kann.

Die Handelskammer für Kreis Thorn.

Herm. Schwartz jun.,
Vorsitzender.



E. Voigt, Sekretär


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letzte Aktualisierung: 13.03.2004