HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn

Rathausturm mit Copernicusdenkmal

Festschrift

zu der am 2 ten Februar 1861 stattfindenden zweihundertjährigen Jubelfeier
der
evangelischen Kirche
zu

Gurske.

_________________
Thorn, 1861.
Diese Seite ist ein Dokument mit einem Kapitel Text
Erste Kirchenweihungs-Predigt
gehalten am Tage der Reinigung Mariä im Jahre 1661 als die Kirche in der Thornischen Dorfschaft Gurske wiederum erbauet, und der öffentliche Gottesdienst zum erstenmal gehalten, zugleich aber auch ein neuer Prediger Herr Johann Bergdorn eingewiesen wurde.

Abhandlung

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.


[11] Andächtige in Christo. Damit wir ohne allen Umschweif zu unserem Vorhaben kommen mögen, so können wir den ersten Theil desselben nicht füglich abhandeln, es sei denn, daß wir vorgängig andeuten, wie wir durch die Gemeine und Kirchen, nicht die steinernen und hölzernen Gebäude verstehen, in welchen die Zusammenkunft der Christen angestellt wird, als deren das Häuflein Christi lange Zeit zu Anfange hat entbehren müssen. In dem alten Testament hatte Gott der Herr an einem Orte besonders seines heiligen Namens Gedächtniß gestiftet, allwo er seine Gegenwart und Segen ihnen zugleich zusagte: An welchem Ort, spricht er, ich meines Namens Gedächtniß stiften werde, da will ich zu dir kommen und dich segnen. Derselbe Ort war anfänglich die Hütte des Stifts, welche Moses sammt ihrem ganzen Geräthe, nach dem Muster, so Gott der Herr ihm gegeben hatte, musste anfertigen lassen. Die aber, wie sie anfänglich von einem Orte zu dem andern konnte umher getragen werden, sich also endlich in den festen Tempel Salomonis verwandelt. Nichts desto weniger haben sie doch an allen Orten und Städten ihre Synagogen oder Schulen gehabt, in welchen sie an den Sabathen zusammen kamen, und Mosen sammt den Propheten lasen. Unser Heiland sowohl, als seine Apostel, haben anfänglich in dem Tempel zu Jerusalem, wie auch in Schulen öffentlich gepredigt, doch nicht allein in denselben, sondern auch auf den Bergen, in der Wüste, auf Schiffen, bei Mahlzeiten, und wo sich nur eine Gelegenheit das Evangelium zu verkündigen ereignete. Als nach der Himmelfahrt des Herrn die Verfolgung sich von dem persönlichen Leibe Christi abwandte und zu seinem geistlichen Leibe hinkehrte, da haben die Gläubigen in gar geringen Oertern ihre Versammlungen anstellen müssen. Die Apostel selbst hielten sich anfänglich sammt den andächtigen Weibern, insonderheit Maria der Mutter Jesu und seinen Brüdern auf einem Söller und in Obergemächern, ja bisweilen in Grüften und Klüften versammelt gewesen. Und dennoch ermahnt der heil. Apostel Paulus: Lasset uns unter einander selbst wahrnehmen, mit Reizen zur Liebe und guten Werken, und nicht verlassen unsere Versammlung, wie etliche pflegen, sondern unter einander ermahnen, und das so viel mehr, so viel ihr sehet, daß sich der Tag nahet. Weil aber die Menschen sich nicht leicht zu einer Sache bereden lassen, bei welcher nicht ein sonderlicher Nutzen zu merken ist; also wollen wir mit wenigem zeigen den Nutzen, welchen wir von dem Kirchengehen zu [12] hoffen haben; doch also, daß wir nicht außerhalb der Schranken unseres Evangeliums abweichen mögen.

Anfänglich demnach zeigt unser Text, daß diejenigen, welche den Tempel des Herrn hochachten und die Versammlung der Heiligen fleißig besuchen, ein unfehlbares Zeugniß haben, daß der Geist Gottes in ihnen wohne, sie auch treibe und regiere. Von Simeon vernehmen wir allhier, daß er aus Anregen des Geistes in den Tempel gekommen sei; wir können auch nicht anders sagen, als daß, wer das Haus Gottes fleißig besucht, solches aus Trieb und Anregung des heil. Geistes thut. Sein Befehl ist es, wenn er spricht: Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause Gottes gehest, und komme, daß du hörest. Gleich wie er nun in dem Menschen das Wollen und Vollbringen wirket; also wo in diesem Fall sein ordentlicher Wille vollbracht wird, da ist es ein Kennzeichen, daß er solches selbst in dem Menschen gewirkt habe. Wir können zwar nicht in Abrede stellen, daß ihrer viel in die Kirche gehen zu ihrem Verderben: wenn sie es nämlich thun entweder aus Gewohnheit, oder den Schein des Christenthums vor der Welt zu haben, oder da sie mit dem aufgeblasenen Pharisäer ein verdienstliches Werk daraus machen, oder mit den Zuhörern Hesekiels sitzen und hören das Wort Gottes, aber nicht darnach thun, sondern ihre Lehrer anpfeiffen, und gleichwohl fortleben nach ihrem Geiz. In Summe, wenn sie den Willen des Herrn vernehmen, sich aber nicht bereiten, auch nicht seinen Willen thun. Hier aber reden wir eigentlich von denen, welche ihren Fuß bewahren, wenn sie zum Hause Gottes gehen, das ist, wenn sie auf ihre Schritte und Tritte genaue Achtung geben, und insbesondere sich dahin bemühen, daß sie das heilige Evangelium in den Beruf des Lebens zum Leben und nicht aus ihrer eigenen Schuld, ein Geruch des Todes zum Tode sein mögen. Wenn wir allhier hören, daß die Sechswöchnerinnen, wenn sie ihren Kirchgang gehalten, entweder ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben haben zum Opfer bringen müssen, so erinnern wir uns billig des heil. Geistes, welcher bei der Taufe Christi in Gestalt einer Taube vom Himmel kommen ist, und auf Christum sich gesetzet hat; und zwar wie Augustinus recht erklärt, nicht verblendungsweise, sondern wahrhaftig, in einem wahren Leibe, so die Gestalt einer Taube an ihm hatte; und den er nicht symbolice, oder bedeutungsweise, gleichwie anderwärts von Gott gesagt wird, daß er in dem linden sanften Sausen gewesen sei. [13] Die Bedeutung aber gehet nicht allein dahin, wie Chrisostomus sagt, damit zu erweisen, daß er ein Geist der Sanftmuth sei, auch nicht allein öffentlich zu promulgiren, daß Christus der Herr in die Welt kommen sei, aber mit großer Sanftmuth, die Sünden der Menschen wegzunehmen: Und also als das rechte Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt tragen sollte. Davon Bernhardus gar schön schreibt: Dieses Lamm offenbar zu machen, hat sich gar füglich die Taube sehen lassen, dieweil zum Lamm sich nichts so wohl schicket, als die Taube. Was das Lamm unter den vierfüßigen Thieren ist, das ist die Taube unter den Vögeln; bei beiden sehen wir die höchste Unschuld, die höchste Sanftmuth, die höchste Einfalt, die weiteste Entfernung von der Bosheit und aller Begierde, Schaden zu thun; sondern auch, wie es Augustinus gar wohl deutet, und weitläufig ausführet, auf die Einigkeit der heiligen allgemeinen Apostolischen Kirchen, als davon unser Heiland selbst saget: Eine ist meine Taube, meine fromme. Wer nun die Versammlung der Heiligen verlässt, und nicht lieb hat mit David die Stätte des Hauses Gottes und den Ort, da seine Ehre wohnet, wie kann derselbe sich rühmen, daß er zu der einen allgemeinen Kirche gehöre? Wie kann er sagen, daß er von der himmlischen taube dem heiligen Geiste regieret werde? In der christlichen Kirche hören wir, daß unsere Augen sollen sein wie Tauben-Augen, an den Wasserbächen, welche mit Milch gewaschen in der Fülle stehen, das ist, wie es ein alter Lehrer ausleget, welche keinen Irrthum, kein Schatten-Werk der Welt lieben, sondern allein der Wahrheit nachhangen, gleichwie in der Milch kein Bild nach Schatten gesehen wird; daß wir uns mit Leib und Seele durch wahren Glauben in die Wunden Christi einsenken sollen. Wie eine Taube in den Felslöchern und in den Steinritzen zur Zeit des Ungewitters sich zu verbergen pflegt. Dieses alles befiehlt und wirket auch in uns der heiligen Geist. David rühmt sich, daß er ein Werkzeug und Wohnung des heiligen Geistes gewesen sei, wenn er spricht: Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist durch meine Zunge geschehen: Unter andern Wirkungen hat er auch diese bei ihm gehabt, daß er ein herzliches Verlangen nach dem Hause Gottes gehabt, und daher zu vielen Malen betet: Eins bitte ich von dem Herrn, das hätte ich gern, daß ich im Hause des Herrn bleiben möge mein Lebelang, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn, und seinen Tempel zu besuchen. Und abermal,: Wie lieblich sind deine Wohnungen Herr Zebaoth, meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn, mein Leib und meine Seele freuen [14] sich in dem lebendigen Gott: denn der Vogel hat ein Haus funden, und die Schwalbe ihr Nest, da sie Junge hecken, nämlich dein Altar, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott: Wohl denen, die in deinem Hause wohnen, die loben dich immerdar, Sela: denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser, denn sonst tausend, ich will lieber der Thüre hüten in meines Gottes Hause, denn lange wohnen in der Gottlosen Hütten. Wer nun gleiche Schwalben und Tauben Art mit David an sich hat, oder von der himmlischen Taube, dem heiligen Geist regieret und getrieben wird, der wird nirgends lieber hingehen, als in das Haus Gottes, nirgends eine so sichere Wohnung oder so süße Ruhe, als in dem Tempel des Herrn finden. Wer von Gott ist, der höret Gottes Wort: Wer ein Schäflein Christi ist, der höret seine Stimme: Also auch, wer von dem heiligen Geist ist, oder durch ihn sich regieren und lenken läßt, der besuchet fleißig das Haus des Herrn, als darinnen das Amt des Geistes beständig getrieben wird, und wir daher mit David abermal sagen: Ich freue mich dessen, daß wir werden in das Haus des Herrn gehen, und daß unsere Füße stehen werden in deinen Thoren Jerusalem: Ich schütte mein Herz aus bei mir selbst, denn ich wollte gerne hingehen mit dem Haufen, und mit ihnen wallen zu dem Hause Gottes, mit Frohlocken und Danken, unter den Haufen, die da feiern. -

Ferner so ist dieses auch eine große Nutzbarkeit der Zusammenkünfte der Christen, in den Gotteshäusern und Kirchen, daß sie daselbst Christum den Herrn finden, und allzeit zugegen haben. Wenn Simeon aus Anregen des Geistes in den Tempel kommt, so findet er daselbst den Herrn Jesum, inmassen ihm vorhin eine Antwort worden war von dem heiligen Geist: Er solle den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christ des Herrn gesehen. Daß nun unser Heiland sich diesesmal in dem Tempel eingefunden, hat er seine besondere und erhebliche Ursachen gehabt. Insgemein zwar, daß er erfüllen möchte die Weissagungen, so diesesfalls geschehen waren. Als da der Prophet Haggäus diejenigen, so an dem andern Tempel arbeiten, sich aber etwas säumig erwiesen, aufmuntern und tröstet: Es werde kommen aller Heiden Trost, und dieses Haus voll Herrlichkeit machen, so daß die Herrlichkeit dieses letzten Hauses größer werden soll, denn des ersten gewesen ist. Oder auch, wenn Malachias verkündiget: Also bald werde zu seinem Tempel kommen der Herr, den sie suchten, und der Engel des Bundes, dessen sie begehrten. Besonders aber ist er diesesmal in dem Tempel erschienen nicht allein um des heiligen Simeons willen, sich ihm zu zeigen, sondern [15] auch das Gesetz von Darstellung und Aufopferung der ersten Geburt in seiner Person zu erfüllen. Denn, da die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn geboren von einem Weibe, und unter das Gesetz gethan, auf daß er die, so unter dem Gesetz waren, erlösete, und wir die Kindschaft empfingen. So nehmlich hat er auch diesem Gebot ein Genügen leisten, und sich selbst als den rechten. Erst- und Eingeborenen Sohn seines Vaters im Himmel, und seiner Mutter auf erden, darstellen und aufopfern wollen, und solches zwar bald in seiner zarten Kindheit und Anfange seines Lebens, gleich wie täglich Gott dem Herrn zwei Lämmer, eins des Morgens frühe, und das andere des Abends zum Opfer sollten gebracht werden; damit er nehmlich das Recht der ersten Geburt, das ist, das Königreich und Priesterthum erwerben möchte, inmassen wir jetzt, aus Dankbarkeit von ihm sagen und rühmen müssen: Jesus Christus hat uns geliebet und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut, und hat uns zu Königen und Priestern gemacht für Gott und seinem Vater, demselben sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. Gleichwie aber der Sohn Gottes sich damals in dem Tempel finden lassen, also ist er auch noch allezeit zugegen, allwo man heilige Versammlungen in seinem Namen anzustellen pfleget, inmassen er solches klar und deutlich genug verheißen hat, wenn er spricht: An welchem Ort ich meines Namens Gedächtniß stiften werde, da will ich zu dir kommen, und dich segnen: Und abermal: Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Wir können zwar nicht in Abrede sein, daß auch, wo besonder Zusammenkünfte in dem Namen Christi angestellt werden, er sich daselbst zugleich mit antreffen lassen, vermöge seiner eigenen Zusage: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Und wer will zweifeln, daß, da Philippus dem Kämmerer der Königin Candaces aus Mohrenlande auf dem Wagen, und Paulus dem Kerkermeister zu Philippis in dem Gefängniß das Evangelium gepredigt hat, der Herr Jesus bei ihnen zugegen gewesen sei? Wer will auch verneinen, daß dieses geistliche und heilige Versammlungen gewesen sein? Unser Erlöser sieht nicht auf die Menge derer, die zusammen kommen, sondern auf ihr herz, mit was für Gemüthe sie vor ihm erscheinen. Und so er durch den Glauben in unserem Herzen wohnet, wie vielmehr wird er durch den Glauben in unserem Herzen wohnet, wie vielmehr wird er da wohnen, wo viel Herzen in Einigkeit des Geistes zusammen kommen, zu dem Ende, daß sie in dem Glauben mögen gegründet und in der Liebe gewurzelt werden? Er wandelt beständig, unter den goldenen Leuchtern, das ist, in den Gemeinden, wo man das Licht seines Wortes nicht unter den Scheffel, sondern [16] auf dem Leuchter setzet, damit es leuchten möge allen denen, die im Hause sind.

Ueber dieses so haben wir aus dem Kirchengehen den großen Nutzen zu hoffen, daß wir in der Gemeinde Gottes sein göttliches Wort anhören, und dadurch reich gemacht werden, in aller Lehre, und in aller Erkenntniß, so daß die Predigt von Christo in uns kräftig werde, und wir keinen Mangel haben an irgend einer Gabe. Wir können nicht in den Zweifel ziehen, daß alle Worte, derer sich allhier Simeon bedienet, Worte Gottes sind, worüber die Jungfrau Maria und ihr vertrauter Joseph sich höchst verwundern, wenn sie hören, was von diesem ihrem Kindlein gesagt wird. Alle Gotteshäuser sind zu dem Ende gebaut, wie David ehemals von der Hütte des Stifts sagte: Daß man da höre sie Stimme des Dankens, und daß man daselbst predige alle Wunder des Herrn. Und gewiß, wenn wir keine andere Nutzbarkeit zu hoffen hätten, als diese allein, daß man in den öffentlichen Versammlungen das Wort Gottes höre, so ist dieselbe doch so groß, daß wir um ihretwillen allein billig selbe fleißig besuchen, und soviel auch an uns ist, vermehren sollen. Das Wort Gottes hat überschwengliche Saamen, der da ewiglich bleibet, aus welchem wir wiedergeboren werden: Ein Hammer, welcher die Felsen zerschlägt: Ein Feuer, welches unsere kalten Herzen entzündet, und brennend machet. Ein Magnet, der und zu Christo zeucht, gleichwie die geistliche Braut betet, und spricht: Zeuch mich dir nach, so laufen wir; Es ist ein regen und Schnee, welcher nicht leer zurück kehrt, sondern unsere Herzen fruchtbar und wachsend macht, ein Pflaster, welches alles heilet, ein Gold so uns reich macht; ja die Worte Gottes sind köstlicher denn Gold und viel feines Goldes, sie sind süßer denn Honig und Honigseim. Es ist unser Manna, dadurch wir genährt werden, denn der Mensch lebt nicht allein vom Brod, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes geht: Es ist eine Leuchte unserer Füße und ein Licht auf unserem Wege: Es ist eine Richtschnur und Regel, wonach wir einhergehen, und welche Friede und Barmherzigkeit mitbringt: Es ist ein Schwerdt des Geistes, womit wir alle listige Anläufe des Satans zu nichte machen können; Es ist ein Geist und Leben selber: Die Worte, spricht unser Heiland, die ich rede, sind Geist und Leben selber: Die Worte, spricht unser Heiland, die ich rede, sind Geist und Leben. Und ihm antwortet Petrus: Herr wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens: Es ist besser, als das natürliche Leben sein mag, wie die Kinder Gottes aus eigener Empfindung solches gestehen müssen: Als wenn Hiskias spricht: O wie will ich nachreden, daß [17] er zu mir gesagt hat, und thuts auch: Herr davon lebet man, und das Leben meines Geistes stehet gar in demselbigen. Und David: deine Güte ist besser denn Leben, meine Lippen preisen dich. Und in Summa: das Evangelium ist eine Kraft Gottes, seelig zu machen alle, die daran glauben: Es kann, wenn es mit Sanftmuth angenommen wird, unsere Seele seelig machen. Wollen wir aber einen kurzen Begriff des ganzen Wortes Gottes haben, so wird derselbe in unserem heutigen Evangelio uns darin vorgetragen, wenn nehmlich dasselbe uns unterrichtet, wie wir den Lauf unseres Lebens wohl anfangen, behutsam fortstellen, und seelig schließen sollen. Der gute Anfang beruht darin, daß wir mit Christo dem Herrn, uns bald von der zarten Kindheit an, Gott dem Herrn aufopfern, und zu eigen ergeben, nach den Worten Pauli: Ich ermahne euch lieben Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber begebet, zum Opfer, das da lebendig, heilig, und Gott wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst. Oder wie Petrus erinnert: Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priesterthum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum. Der Fortgang unseres Lebens besteht darin, daß wir mit der heiligen Jungfrau Maria stets bemüht sein, uns mehr und mehr zu reinigen, so durch wahre Buße, und tägliche Bekehrung zu Gott geschiehet, als davon Luther recht und wohl schreibet, daß, wenn unser Herr und Heiland Jesus Christus davon spricht, thut Buße, so wolle er, daß das Leben der Gläubigen eine immerwährende und beharrliche Buße sein soll. Ja längst vor Luther, hat nicht allein Bernhardus und andere Kirchen-Lehrer sich solcher Worte bedienet, sondern auch die heilige Schrift selbst redet davon gleich also: Dieviel wir nun, spricht Paulus, solche Verheißung haben meine Liebsten, so lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und Geistes uns reinigen, und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht Gottes. Und abermal: Wir werden nicht müde, sondern, ob unser äußerlicher Mensch verwest, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert. Das Ende unseres Lebenslaufes, wird zum seeligsten gemacht, wenn wir mit Simeon Christum den Herrn nicht allein auf die Arme nehmen, sondern gar tief in das Herz drücken, unser ganzes Vertrauen auf ihn gründen, und also auch an unserem Theil sagen: Herr, nun lässest du deine Diener in Frieden fahren, wie du gesaget hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen. Er schätzet sich nicht allein glückseelig, ja vielmehr recht seelig, daß seine Augen jetzt sehen könnten denjenigen, welchen so viele Könige und Propheten zu sehen ge[18]wünschet, und doch nicht gesehen haben: Sondern er siehet den Herrn auch mit rechten Glaubens-Augen an, wovon David saget: Die den Herrn sehen und anlaufen, derer Angesicht wird nicht zu Schanden. Und Christus der Herr selbst: Das ist der Wille deß, der mich gesandt hat, daß wer den Sohn siehet, und glaubet an ihn, habe das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. O wohl ist hier gewesen, der so wie Simeon entschläft, seine Sünde erkennet, Christum ergreift, so muß man seelig sterben!

Endlich ist hierbei auch nicht zu vergessen, dieselbe Nutzbarkeit der allgemeinen Versammlung in den Gotteshäusern, daß man daselbst so viel kräftiger zu beten und Gott den Herrn anzurufen pfleget. Allhier vernehmen wir, daß die Mutter des Herrn ihr Opfer dem Allerhöchsten Gott, vermöge seines göttlichen Gesetzes, gebracht habe. Nunmehr aber hat zwar Christus der Herr mit seinem einigen Opfer alle anderen Opfer bestätigen, und uns anbefehlen wolle, und unter denen auch das Gebet, von welchem David unter anderm also schreibet: Mein Gebet müsse vor dir zeugen, wie ein Rauch-Opfer, meiner Hände Aufheben wie ein Abend-Opfer. Und solches Gebet sehen wir hier gar deutlich bei dem lieben Simeon, wenn er also singet und saget: Herr [19][20][21][22][23][24][25][26][27][28]


 
zurück: Erste Kirchenweihungs-Predigt 1661: Eingang
weiter: Zweite Kirchenweihungs-Predigt 1761
   

HEIM@THORN Editorial - Inhalt Die Thorner Stadtniederung - Inhalt Das Buch - Inhalt
Quelltexte - Inhalt Anhang - Inhalt Die Links Mein Thorn

© 2000   Volker J. Krueger, heim@thorn-wpr.de
letzte Aktualisierung: 11.12.2004