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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Pfarrer Heinz Krause  † 4.3.2001

Der Besuch der Könige


in: Der Westpreusse, 5/1990, Seite 3 und 4



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Ein Stück Thorner Zeitgeschichte


Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.




Heinz Krause

[3] "Was sein muß, muß sein!" hatte sich der Rat der Stadt Thorn gesagt, als der polnische König August II. seinen Besuch angekündigt hatte. Staatsoberhäupter und Könige müssen königlich empfangen werden, das war damals so und ist heute so. Also rüstete man sich zu einem gebührenden Empfang. Dabei stand den Thornern im Oktober des Jahres 1709 gar nicht der Sinn nach Festlichkeiten und kostspieligen Empfängen. Die Schweden, die das Kulmer Land noch bis in den September hinein besetzt gehalten hatten, waren eben erst abgezogen, nachdem sie 6 Jahre hier ziemlich schlimm gehaust hatten. Bei der Belagerung und der nachfolgenden Eroberung Thorns durch die Schweden im Jahre 1703 war die Stadt schwer demoliert worden, und es war nun noch längst nicht möglich gewesen, alle Häuser und das abgebrannte ehrwürdige Rathaus wieder herzustellen. Jedoch was war zu machen? Man mußte den polnischen König, der ja damals auch die Oberhoheit über das sich als freie Stadt fühlende Thorn hatte, würdig empfangen.

Am 5. Oktober wollte der König, August II., aus dem Posenschen kommend, in Thorn erscheinen. So geschah es auch.

Für die Überfahrt über die Weichsel hatte man dem König ein Schiff, das mit rotem Tuch ausgeschlagen war, an das linke Weichselufer entgegengeschickt, das ihn zur Stadtseite brachte. Hier legte es an der Schiffsbrücke des Brückentores an, und hier empfing eine Ratsdelegation den hohen Gast. Pferde standen bereit damit der König, begleitet von seinem recht ansehnlichen Gefolge, von der Delegation in feierlichem Zuge in die Stadt geleitet werden konnte. Es ging entlang bis zum Seglertor und dann durch dieses über die Seglerstraße bis zu dem mächtigen Bau der Johanniskirche. Davor lag rechter Hand die Niederlassung der Jesuiten. Hier gab der Bischof aus dem nahegelegenen Kujawien ein Festbankett. Noch am selben Tage wurden bei einem Ritt durch und um die Stadt dem König die Schäden, die der Krieg mit den Schweden hinterlassen hatte, vor Augen geführt.

August II. selbst hatte ganz andere Dinge bei diesem Thomer Besuch sich als Ziel gesetzt. Er wollte sich mit dem russischen Zaren, Peter dem Großen, treffen. Der Zar hatte in der Schlacht von Poltawa den Schwedenkönig vernichtend geschlagen und nun galt es, sich über die neue politische Lage zu beraten.

Schon am übernächsten Tage, dem 7. Oktober, machte sich der König auf den Weg, um dem Zaren entgegenzuziehen. August II. wollte den Zaren 5 km stromaufwärts in Kaschorek begrüßen. An diesem Orte hat man einen herrlichen Blick auf den Weichselbogen, durch den der Strom seinen Lauf aus der Süd-Nord-Richtung ändert. In einem eleganten Bogen werden die Wassermassen nun nach Westen gelenkt. Hier konnte man die aus dem Süden kommenden Schiffe schon von weitem ausmachen, denn der Zar hatte die Weichsel abwärts fahrend sich Thorn nähern wollen. Die Ankunft der russischen Flotte verzögerte sich zwar noch um einen Tag, aber dann konnte hier doch die erste Begrüßung erfolgen.

Also am 8. Oktober fand bei Kaschorek auf dem Wasser die erste Begegnung zwischen dem König von Polen und dem Zaren von Rußland statt. Der König fuhr in einem Boot dem Zaren entgegen und dieser sprang von seinem größeren Schiff auf des Königs Boot herab, wo sich beide herzlich begrüßten. Per Schiff ließ man sich Thorn entgegentreiben. Die gemeinsame Fahrt ging bis unmittelbar vor die Stadt. Hier bog die Flotte mit den gekrönten Häuptern und ihrem nicht ganz kIeinem Gefolge nach rechts aus dem Hauptstrom heraus in den kleinen früheren Holzhafen, der zu Füßen des Holztores, auch Jakobstor genannt, ab. Auf der Anlegebrücke, die mit rotem Tuch beschlagen war, hatte sich die Deputation des Rates postiert, um die Könige im Namen der Stadt gebührend feierlich zu empfangen. Dieses geschah mit einer lateinischen Ansprache, wobei man sich fragen muß, ob der Zar so weit diese Sprache beherrschte, daß er alles verstand. Das war wohl auch nicht nötig. Jedenfalls wurde die Feierlichkeit der Stunde so erhöht. Der Zar, weit gereist und vielseitig begabt, fühlte sich sicher besonders geehrt. Gesattelte Pferde standen bereit, um nunmehr, geleitet vom Rat, in die Stadt einzuziehen. Der feierliche Zug ging durch das Jakobstor, vorbei an der altehrwürdigen Jakobskirche auf den Neustädtischen Markt, dann weiter durch die Breitestraße auf den Altstädtischen Markt Südansicht des Rathauses in Thorn, nach einer Zeichnung um 1700 hin zu dem Drei-Kronen-Haus, wo der Zar mit seinem Gefolge Quartier nahm.

Der Zar verweilte über 14 Tage in der Stadt. Die Zeit soll mit Beratungen und Vergnügungen voll ausgefüllt gewesen sein. Gerührt erwähnt der Chronist, daß der Zar gleich am ersten Tage seines Aufenthaltes in Thorn den auf dem Markt versammelten Bürgern ein Faß Ungar-Wein hinstellen ließ und die Bevölkerung aufforderte, auf das Wohl der Majestäten zu trinken. - (J. Wemicke Geschichte Thorns". Bd. II)

Der Zar setzte dann seine Reise per Schiff stromabwärts in Richtung Marienwerder fort, um sich mit dem preußischen König Friedrich I. zu treffen, mit dem das weitere Verhalten gegenüber den besiegten Schweden zu verhandeln war. August II. begleitete den Zaren bis Schwetz, wo eine größere Ansammlung sächsischer Truppen (der polnische König war ja gleichzeitig Kurfürst von Sachsen) besichtigt werden sollte. Während der Zar seine Reise fortsetzte, kam König August nach Thom zurück. Er hielt hier Hof bis weit in den November hinein, wobei er die verschiedensten Delegationen empfing und von allerlei Gesandten sich beraten ließ. Sein Hofstaat verweilte sogar bis in den Januar des nächsten Jahres in Thorn, bis er dann endlich seinem König nach Sachsen folgte.

Als der Rat der Stadt Thorn nach der Abreise der Majestäten die Aufwendung für die Unterbringung, Verpflegung ect. der Gäste und ihres aufwendigen Hofstaates zusammenstellte, kam man auf die für damalige Zeiten horrende Summe von 3516 Talern. Die Aufbringung dieser Gelder samt den an schwedische, polnische und sächsische Truppen gezahlten Kriegs-Kontributionen brachten Thorn an den Rand der Zahlungsunfähigkeit, was hieß, daß die einst so reiche Hansestadt und ihre Bewohner immer mehr verarmten. Trotzdem ließen sich die Ausgaben, wie die Zeiten damals waren, nicht vermeiden oder verringern. Ganz im Gegenteil - der Aufwendungen wurden noch mehr.

Anscheinend hatte es dem Zaren in Thorn so gut gefallen, daß er im September 1711 auf der Reise zur Hochzeit seines Sohnes mit einer Braunschweigischen Prinzessin hier einige Tage mit seinem großen Hofstaat verweilte und sogar die Zarin bis zu seiner Rückkehr im November hier zurückließ.

Außerdem kam der Zarensohn, Großfürst Aleksej, und seine frisch angetraute Gemahlin auf der Fahrt gen Osten nach Thorn. Sie blieben hier den Winter über bis zum Mai des nächsten Jahres. Auch die Kosten für die Aufnahme dieser Gäste einschließlich ihres großen Gefolges mußten größtenteils von der Stadt getragen werden. Daß die Ansprüche der Gäste nicht gering waren, kann man beispielsweise daraus ersehen, daß ein Kleid in der Länge von 44 Ellen goldgelben Stoffes für die Gattin des Zarensohness in Höhe von 501 Florin von der Stadt, als Gastgeberin, mit bezahlt werden mußte. Ebenso war die hinterlassene Rechnung für den angeforderten Wein für die zahlreichen Feste enorm hoch.

Wie mögen Thorns Bürger die vielen Besuche, der hohen Herrschaften nur verkraftet haben?

Heinz Krause



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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 10.08.2007