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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Pfarrer Heinz Krause

† 4.3.2001

Thorn und Friedrich der Große


in: Der Westpreusse, 1/1988, Seite 5 - 6



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Warum der Preußenkönig in der Weichselstadt kein Denkmal bekam


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Heinz Krause

[5] Bromberg, die Stadt am Netze-Brahe-Kanal, setzte dem großen König ein Denkmal. Sie hatte auch allen Grund dazu, denn sie verdankte dem Preußenkönig ihr Aufblühen. Nicht nur der Kanalbau, der eine Wasserstraße zur Oder hin schuf, entsprang des Königs Fürsorge, nein, auch sonst förderte er die Stadt, wo er nur konnte. So wurde Bromberg bald nach der Übernahme durch Preußen eine Stadt, die von überragender Bedeutung für die ganze Region wurde. Die Bromberger sahen deshalb auch immer wieder zu dem Denkmal des "Alten Fritz", wie er da auf dem Friedrichplatz auf seinen Stock gestützt dastand, mit Dankbarkeit empor.

Und Thorn? Es galt seit Jahrhunderten als Königin des Weichsellandes und war die beherrschende Magistrale gewesen. Es war 1772 nicht zu Preußen gekommen. Das lag nicht an Friedrich, ganz im Gegenteil. Er hätte Thorn zu gern mit übernommen, wovon noch zu berichten sein wird. Aber da Rußland dem sich widersetzte, um die alte Festung mit dem Restpolen in seinem Machtbereich behalten zu können, mußte Preußen zunächst auf Thorn verzichten.

Die alte, einst so reiche Hansestadt war in den letzten Jahrzehnten vor den Teilungen Polens infolge der Kriegswirren, der polnischen Mißwirtschaft und der inneren Zerrissenheit der polnischen Adelsrepublik in große finanzielle Bedrängnis gekommen. Die Schulden der Stadt betrugen die für damalige Verhältnisse ungeheure Summe von fast einer halben Million Talern. Das führte dazu, daß man die Besoldung der Beamten und Angestellten herabsetzen mußte und gezwungen war, das Kapital der "milden Stiftungen" anzugreifen. Der Handel schrumpfte immer mehr zusammen. Die Bevölkerung war unzufrieden und wanderte teilweise ab, so daß Thorn, das einmal an 20 000 Einwohner hatte, jetzt (1772) kaum 9000 Menschen in seinen Mauern beherbergte. Und nun nahm die preußische Besetzung 1772 der Stadt noch das Hinterland weg. Dieses wurde preußisch, Thorn blieb unter der polnischen Oberhoheit. Dieses Herausreißen Thorns aus seiner natürlichen Landesverbindung mußte das Unglück der Stadt nur noch größer machen.

Bei der ersten Grenzziehung beließ man alle thornschen Ortschaften der Stadt, "setzte aber die Grenzpfähle an die äußersten Grenzen derselben", wie Wernicke in seiner "Geschichte Thorns" berichtet (E, 537). Nicht lange danach erging aber auf ausdrückliche Anordnung des preußischen Königs die Weisung, die Grenzkommission habe die Grenzpfähle bis an das Weichbild Thorns heranzurücken. So wurde der Stadt nur das Territorium eine Meile weichselabwärts und eine halbe Meile landeinwärts gelassen. Die Einschnürung ging aber noch weiter.

Zollstationen kontrollierten die Ein- und Ausfuhr und erhoben ganz erhebliche Zölle, so daß der Handel, Thorns größte Einnahmequelle, immer mehr zum Erliegen kam und die Stadt sich dem Ruin näherte. Wernicke (s.o.) sagt über diesen Zeitabschnitt, "Thorn glich einem Greise, der mit langsamen Schritten den Schauplatz verläßt, auf dem er einst in jugendlicher Kraft und Fülle eine glänzende Role zu spielen bestimmt war" (S. 540). Kein Wunder, daß Thorn am Rande dieser traurigen Episode (1793, H. Teilung Polens) nur noch eine Bevölkerung von 5570 Einwohnern hatte, ein unbedeutendes Städtchen!

Preußens König wollte sicherlich nicht böswillig Thorn (und ebenso Danzig, das ganz ähnlich abgeschnürt war, da Friedrich es auch 1772 nicht hatte erhalten können) ruinieren. Genau im Gegenteil, er hoffte mit diesen harten Maßnahmen, den Wert und das Eigenleben der Städte herabzusetzen, so daß sie doch würden an Preußen angegliedert werden müssen.

Wie stark Friedrich an der Einnahme Thorns wirklich interessiert war, mag eine kleine Episode erläutern, die sich auf einer der Fahrten des Königs durch das Kulmer Land abgespielt hat (Friedrich besuchte fast jedes Jahr seine neu erworbene Provinz Westpreußen). Am 10. Juni 1782 kam der König auf der Rückfahrt aus der neuen Provinz nach Scharnau im Kreise Thorn, um sich hier nach Schulitz über die Weichsel übersetzen zu lassen. Der Wagen, von zehn Pferden gezogen, mußte an der Fähre warten. Da schaute der König gen Osten die Weichsel hinauf und fragte, ob man von hier aus nicht Thorn sehen könne. Das war nicht der Fall, denn von Scharnau sind es noch ca. 30 km bis Thorn. Die Stadt war außer Sichtweite, aber allezeit im Blickfeld des Königs. Das Gespräch zeigte seine Interesse an einem Ort, der in den Überlegungen Friedrichs durchaus eine Rolle spielte. Erst nach dem Tode des großen Königs ging sein Wunsch, doch noch Thorn in preußischen Besitz zu bekommen, in Erfüllung.

Nachdem am 23. Januar 1793 in Petersburg der Vertrag zwischen Preußen und Rußland unterzeichnet worden war, bekam der General Graf Schwerin den Befehl, unverzüglich Thorn zu besetzen. Als sich der General mit den preußischen Truppen der Stadt näherte, ereignete sich etwas Merkwürdiges, uns heute schwer Verständliches: Der Rat der Stadt gab Anweisung, die Stadttore zu verschließen. Was sollte das bedeuten? Eine Verteidigung der Stadt mit den knapp 50 stadteigenen Soldaten war sicherlich nicht beabsichtigt. Es mußte andere Gründe für eine solche unfreundliche Geste gegeben haben. Es stand dahinter wohl auch nicht die Verärgerung über die schlechte Behandlung Thorns in den letzten 20 Jahren durch Preußen. Ganz bestimmt wollte man auch nicht zum Ausdruck bringen (wie polnische Forscher meinen), daß man weiter zu Polen gehören wollte. Thorn war ja seiner Bevölkerung nach eine deutsche Stadt, was es ausdrücklich anläßlich der Huldigung auch betonte. Allenfalls wollte man vielleicht zum Ausdruck bringen, daß man nicht ohne eigene Befragung von dem alten Oberherrn getrennt werden könne. Der eigentliche Grund dieser merkwürdigen Maßnahme scheint mir aber der zu sein, daß man befürchten mußte, die alten Privilegien, die man jahrhundertelang gegen den Orden und gegen das Königreich Polen unter schweren Opfern verteidigt hatte, verlieren würde. Thorn sah sich selbst immer noch - ähnlich Danzig - als freie Stadt an, die sich freiwillig seinerzeit un[6]ter die polnische Obrigkeit begeben hatte unter Wahrung aller seiner Rechte. Und dies sah man nun gefährdet.

Der preußische General, der mit seinen Truppen vor dem geschlossen Kulmer Tor im Norden Thorns stand, ließ die Tore gewaltsam am 24. Januar öffnen und zog unbehelligt in die Stadt ein. Ein königlicher Erlaß vom 2. Juni 1793 verfugte, daß man Thorn das bisherige "Kulmische Recht" und die alte "Willkür" belassen sollte. Jedoch hob ein weiteres "königliches Patent" schon am 20. März 1794 den vorigen Erlaß auf, und Thorn wurde eine preußische Kreisstadt ohne die Sonderrechte, die jahrhundertelang bestanden hatten. Preußische Kommissare übernahmen die Verwaltung Thorns und richteten einen Magistrat ein, dem ein Oberbürgermeister, der aus Gumbinnen gekommen war, vorstand. Die Privilegien und Sonderrechte waren dahin, aber die Stadt begann wirtschaftlich aufzublühen. Die Finanzen wurden geregelt, Handel und Wandel wuchsen zusehends, so daß sich ein gewisser Wohlstand wieder einzustellen begann. Die Einwohnerzahl hatte sich um das Jahr 1805 schon wieder auf 8035 Seelen erhöht. Schnell sollte diese Erholungszeit für die Stadt zu Ende gehen (sie hatte keine 14 Jahre gedauert)!

Am 17. November 1806 standen Napoleons Heere vor Thorn. Sie belagerten die von preußischen Truppen verteidigte Stadt 'bis zum 6. Dezember, um sie dann einzunehmen. Nunmehr wurde Thorn dem Herzogtum Warschau zugeteilt und eine Verwaltung nach französischem Vorbild eingerichtet. An die Spitze stellte man einen Municipalpräsidenten. Große finanzielle Lasten wurden der Stadt und den Bürgern auferlegt. Dann kam die Niederlage Napoleons und der Rückzug aus Rußland mit seinen schlimmen Folgen. Am 22. Januar 1813 waren die Russen vor Thorn angelangt und schlössen die Stadt mit der französischen Besatzung (und bayrischen Hilfstruppen) ein. Wieder kam es zur Belagerung. Sie dauerte bis Mitte April. Dann wurde die ausgehungerte und ausgepowerte Stadt an die russischen Truppen übergeben, die nun ihrerseits 2000 Soldaten als Besatzung zurückließen. Die Russen blieben bis zum September 1815 in Thorn, also wieder zwei Jahre fremde Einquartierung! Armes Thorn!

Erst der Wiener Kongreß setzte dem Elend ein Ende. Und hier war es der preußische König (Friedrich Wilhelm EL), der Thom den Russen abhandeln konnte. Am 19. September 1815 rückten preußische Truppen unter dem Befehl des Obersten von Beneckendorf und Hindenbuig in Thorn ein - jubelnd von der Bevölkerung empfangen - um nahezu für ein Jahrhundert Frieden und Aufblühen zu bringen. Die Stadt wuchs bis zum Jahre 1920 auf 46 000 Einwohner an.

Friedrich dem Großen konnte Thorn kein Denkmal errichten - er hatte es zu sehr bedrängt. Dafür wurde ein anderer preußischer König in Thorn mit einem Denkmal geehrt: Wilhelm L, der spätere deutsche Kaiser. Das Leben unter seiner Herrschaft war wohl eine der schönsten Epochen in der langen Geschichte Thorns. Das Monument wurde auf dem wichtigsten Platz der Stadt, auf dem Altstädtischen Markt, vor der imponierenden Fassade des ehrwürdigen Rathauses aufgestellt und stand dort, bis Thorn wieder polnisch wurde (1920). Das Denkmal war ein Zeichen des Dankes an Preußen für seine Fürsorge und Hilfe.

Heinz Krause



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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004