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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Pfarrer Heinz Krause  † 4.3.2001



Aus der Geschichte des
Kirchspiels Gurske, Kr. Thorn




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Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23], bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.




Heinz Krause

[..] Es war eine gute Nachricht, die uns die Bekannten von einem Besuch in der Heimat dieses Jahr mitbrachten. Bei einem Ausflug von Thorn nach dem etwa 10 km entfernten Gurske in der Thorner Stadtniederung wäre man auch in der Gursker Kirche gewesen, und hätte feststellen können, in wie gepflegtem und gutem Zustand alles gewesen wäre. Natürlich sei die Kirche jetzt katholisch, da es ja dort kaum noch evangelische Christen gäbe, aber der katholische Geistliche habe mit soviel Liebe von "seiner Kirche" berichtet, so daß man sie in guten Händen wisse. Sogar das Grab des hier verstorbenen und neben der Kirche beerdigten früheren ev. Pfarrers Puzig sei in gut gepflegtem Zustand gewesen.

Nun einiges zur Geschichte der Gemeinde dieser Kirche, die einst Gotteshaus für die Bevölkerung der gesamten Thorner Stadtniederung war, also für ein Gebiet, das sich über 30 km bis Scharnau hinzog. Hier gab es fast nur Protestanten, (in Scharnau war noch eine alte katholische Kirche, zu der sich eine kleine Minderheit hielt - meist polnische Arbeitskräfte). Beim Anwachsen der Bevölkerung hatten sich dann neue Gemeinden gebildet, so in Gr. Bösendorf, Rentschkau und Ostrometzko mit eigenen Kirchen. In Pensau, Guttau und Neubruch hatte man Bethäuser errichtet. Immerhin gehörten bis zuletzt zum Kirchspiel Gurske noch die Dörfer Gurske mit Altthorn, Schmolln, Rossgarten, Schwarzbruch, Neubruch, Ziegelwiese und die beiden Gutsbezirke Breitenthal und Wiesenburg. Noch im Jahre 1926 zählte man 1439 Seelen, die zur ev. Kirchengemeinde Gurske gehörten (vorher waren es 2550 gewesen).

Die eigentliche Geschichte der Gursker Kirche geht weit zurück. Auf dem Kirchberg soll schon zur Zeit des Ritterordens eine "Johanneskirche" gestanden haben, in der einige Ritter beerdigt worden seien. Später wäre diese Kirche aber verfallen gewesen, was dadurch belegt ist, daß um 1600 ein Maurergeselle mit achttägigem Arrest und Verweisung aus der Stadt Thorn bestraft worden ist, weil er "ohne Vorwissen und Willen eines Rates der Stadt Thorn über 4000 Ziegel der verfallenen Kirche zu Alt-Thorn an der Weichsel gebrochen und jedes Hundert um 6 Groschen verkauft habe". Die Stadt Thorn, der 1457 Gurske "geschenkt" worden war, bemühte sich für die aus dem Westen eingewanderten Kolonisten, die sämtlich lutherische Christen waren, eine ev. Kirche zu errichten. 1612 wurde der Grundstein für sie auf dem alten Kirchberg gelegt, und 1614 wurde sie eingeweiht. Sehr bald hielt der erste ev. Pfarrer, Simon Kayser (oder Caesar) in Gurske seinen Einzug. Leider wurde diese erste ev. Kirche bei der Belagerung Thorns im Jahre 1658, von polnischen Heerscharen in Brand gesteckt und völlig verwüstet. Die Stadt, als Patronin, ließ die Gursker Kirche 1660 wieder errichten und schon am 17. Januar 1661 konnte sie wieder eingeweiht werden. Der Thorner Senior hielt die Predigt über Luk. 2, 22-32 und sprach von der "Nutzbarkeit der ordentlichen Versammlung und Zusammenkunft in der christli-chen Gemeinde und von dem Amt und Gebühr der Lehrer in den christlichen Kirchen". Sozusagen nichts blieb der Kirche erspart. In dem Choral "Aus meines Herzens Grunde" steht die Bitte um Behüten "vor Feuer und Wassersnot". Auch das kam auf die Kirche zu. Im Jahre 1669 schlug der Blitz zweimal in die Kirche. Einmal traf er die Glocke und schmolz sie an. Das nächste Mal ging der Blitz in den Boden zwischen Altar und Taufstein. Beide Male entstand keine Feuersbrunst. Schlimmer war es mit der "Wassersnot". Die Kirche selbst stand auf der höchsten Erhebung der flachen Niederung, aber die Bewohner der umliegenden Gehöfte und Dörfer wurden manchesmal vom Hochwasser in arge Bedrängnis versetzt, so daß die Kirche von allen Seiten vom Wasser umgeben letzter Zufluchtsort wurde. Der Pfarrer Liebelt berichtet vom Morgen des 24. März 1786: "Um 10 Uhr des Morgens hatte ich vom Kirchenthurm den traurigsten Anblick: Alle Häuser tief im Wasser, die Länder voll Eis - so weit man sehen konnte ....". Noch schlimmer war es im Jahre 1871, zumal die meisten Männer im Deutsch-Französischen Krieg eingezogen waren. Im Bericht eines Gemeindegliedes heißt es: "... Nur mit großer Lebensgefahr und Kraftanstrengung gelang es mir, uns alle auf den Kirchberg zu retten; es war die höchste Zeit, denn gleich darauf wurden unsere sämtlichen Gebäude ... vom Eise fortgerissen. Auch das Pfarrhaus blieb vom Wasser nicht verschont; im Untergeschoß stand es 1 Meter hoch. Der erkrankte Pfarrer Lambeck mußte im Bett zur Kirche getragen werden, wo er nebst einigen hundert anderen vorläufig eine sichere Zuflucht hatte." Den letzten Krieg hat die Gursker Kirche ohne Schaden zu nehmen überstanden und steht, wie anfangs erwähnt, gut erhalten da. Im Grundriß handelt es sich bei dem Bauwerk um ein Rechteck einfacher Form mit einigen kleinen Nebenräumen. Der Schmuck des Gebäudes ist der zierliche Glockenturm, der erst in späterer Zeit (1687) installiert wurde. Die Innenausstattung der Kirche kam allmählich zusammen. Das älteste Stück scheint der Taufstein zu sein, der wohl im 14. Jahrhundert angefertigt wurde und mit seltsamen Tierornamenten geschmückt ist. Woher er stammen mag, weiß man nicht.

Älteren Datums ist auch die feingegliederte Renaissancekanzel (1608). Der kunstvoll holzgeschnitzte Altar wurde am Himmelfahrtsfeste des Jahres 1727 eingeweiht. Er ist eine Stiftung des königlichen Burggrafen Gerhard Thomas, der im Zusammenhang mit dem Prozeß, der zu dem Thorner Blutgericht (1724) führte, abgesetzt worden war und der Gursker Gemeinde als Beweis seiner Glaubenstreue erschien. Sehr viel für die Ausstattung des Inneren der Kirche hat eine "Predigerfrau" Marianne Prochnau, geb. Pitiskus, getan. Sie stiftete die Orgel, ließ den Chor rechts vom Altar errichten und die ganze Kirchendecke mit gehobelten Brettern versehen. Letztere wurden auf ihre Veranlassung mit Gemälden aus der biblischen Geschichte geschmückt. Sie sind so geordnet, daß einem Bilde aus dem Alten Testament ein Bild aus dem Neuen Testament zugeordnet ist, - vier Paare von großen Rundbildern in orangefarbener Umrahmung auf blauem Hintergrund. Die Auswahl soll der damals dort amtierende Ortspfarrer Schönwald getroffen haben. Wenn schon die Ausschmückung der Decke seiner Dorfkirche mit Gemälden eigenartig ist, so gibt uns auch die Gestalt der Spenderin Rätsel auf. Wer war diese "Predigerfrau" Marianne Prochnau, die um 1700 solch ein Interesse der Gursker Kirche zuwandte? Es ist nicht die Frau des Ortspfarrers, auch in Thorn und der näheren Umgebung gab es um diese Zeit keinen Pfarrer mit dem Namen Prochnau. Merkwürdigerweise trug diesen Namen aber ein späterer Pfarrer in Gurske. Im Jahre 1717 wurde Heinrich Prochnau hier in die Pfarrstelle eingewiesen, die er dann 34 Jahre lang betreute. Ob es dabei Zusammenhänge gibt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls ist jener großzügigen Spenderin viel zu danken. Gerade jetzt bei der Renovierung der Gursker Kirche sind die Deckenbilder in das Blickfeld vorgerückt: Es gibt niemand, der in der Lage ist, die alten Bilder aufzufrischen. Ob sich doch jemand finden wird? Wir würden es der Kirche und dem jetzt dort amtierenden katholischen Geistlichen, der sich so sehr um die Kirche und ihre Erhaltung müht, wünschen.

Nun noch ein abschließendes Wort über die letzten evangelischen Pfarrer in Gurske. Im ganzen haben an dieser Kirche seit ihrer Erbauung im Jahre 1614 bis zu ihrem Verlust im Jahre 1945 27 evangelische Pfarrer amtiert. Das Grab des am 15. Mai 1909 nach nur sechsjähriger Amtszeit verstorbenen Pfarrers Johannes Puzig wurde schon anfangs erwähnt. Sein Nachfolger war Ernst Basedow. Er trat die Stelle in Gurske 1910 an und blieb bis 1919. Er stammte aus der Mark Brandenburg und mochte nach dem unseligen Kriegsausgang hier nicht bleiben. Noch im selben Jahr übernahm in schwieriger Zeit die Arbeit Pfarrer Georg Anuschek, ein gediegener und aufrichtiger Mann, der es sich und auch andern bei der Durchsetzung seiner Glaubensgrundsätze nicht immer leichtmachte. Er blieb in Gurske bis 1930, um dann die Pfarrstelle in Schönsee zu übernehmen, zumal die Nachbargemeinde Gr. Bösendorf, die von Gurske mitzubetreuen war, nun wieder einen eigenen Pfarrer hatte. Pfarrer Kurt Krause, Gr. Bösendorf, mußte jetzt Gurske vertreten bis zur Neubesetzung der Stelle. Diese konnte des Pfarrermangels wegen erst 1937 erfolgen. Der neugewählte Pfarrer Gerhard Dietrich hatte nur wenige Jahre Gelegenheit, die Kirchengemeinde Gurske zu versorgen. Er wurde sehr bald Soldat und ist kurz vor Kriegsschluß 1945 gefallen. Vertretungsweise half in den letzten Kriegsjahren ein alter baltischer Pfarrer, August Hermann von zur Mühlen, aus. Ihm stand in hervorragender Weise der Älteste Brüschke zur Seite, der auch die gesamte Kirchbuchführung (Arierscheine aus den alten Kirchenbüchern ab 1614) übernommen hatte. Bis zum Jahre 1945 ging und lebte ein Stück evangelischen Kirchentums mit und in dieser schönen alten Dorfkirche in Gurske. Es hat hier aufgehört - nach Gottes unerforschlichem Ratschluß. An der Kanzel der Gursker Kirche steht in lateinischer Sprache der Spruch Joh. 8,51: Quisquis sermonem meum servaverit, mortem non videbit in aeternum. Wer meine Rede bewahren wird, der wird den Tod in Ewigkeit nicht sehen. Das soll unser Trost sein. Des Herrn Wort bleibt.

Heinz Krause



Literatur:
E. Basedow "Festschrift ... der ev. Kirche Gurske" 1911
E. Basedow "Festschrift ... der ev. Gemeinde Gurske" 1914
F. Just "Die Kirche des Glaubens" 1926
H. Maercker "Geschichte des Landkreises Thorn" 1899
Bau und Kunstdenkmäler des Kreises Thorn 1880
Bernh. Schmidt, Bericht an die Prov. Kommission für Museen, Danzig 1912.




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© 2000  Volker J. Krüger, heim@thorn-www.de
letzte Aktualisierung: 13.03.2004