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Rathausturm mit Copernicus-Denkmal

Schilderung unseres Heimatdorfes

Scharnau

im Kreise Thorn - Provinz Westpreussen

(soweit es geringer Bildungsgrad und mangelnde Kenntnisse ermöglichen)
niedergeschrieben im Jahre 1969
im Zufluchtsort Bramstedt im Kreise Grafsch. Hoya von
Gustav Fehlauer,
geboren am 10. März 1890 in Scharnau

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Die handschriftliche Aufzeichnungen wurden dem Herausgeber zur Verfügung gestellt von Hans Fehlauer, Bassum

 

Die Zahl in blauer eckiger Klammer, z.B.: [23] , bezeichnet in diesem Dokument immer den jeweiligen Seitenanfang im Original.

Bis zum Jahre 1888, dem Jahr, in dem mein ältester Bruder geboren wurde, der später den elterlichen Hof bewirtschaftete, bestand für mein Heimatdorf die polnische Bezeichnung: Czarnowo.

Nach der unglücklichen Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 und dem Zerfall des Deutschen Ritterordens geriet das damalige Preußenland unter polnische Herrschaft. Unter Friedrich dem Großen kam es in den drei Teilungen Polens dann aber in dieses großen Königs Reich, der das menschenarme und verkommene Land wieder besiedelte und zu neuer Blüte führte. Es sollte die Kornkammer seines Brandenburg´s werden. Und das ist es Dank des Königs Energie auch geworden und ist es geblieben für das ganze übrige Deutschland bis zum Ende des 1. Weltkrieges hin.

In dieser Zeit auch, der Besiedlung durch Friedrich den Großen, mögen unsere Vorfahren in dieses Land gekommen sein.

Die Lage des Dorfes: Scharnau lag in der Thorner Stadtniederung, die hier im Weichselknie ihre äußerste westliche Ausdehnung erreichte.

Begrenzt wurde die Gemarkung des Dorfes im Norden, bzw. Nordwesten durch den Thorner Forst (Forstbezirk Steinort), der in seinem süd-westlichen Endteil mit dem schroff zur Weichsel abfallenden Lehmberg oder wie die Schiffer ihn nannten: dem Weißen Berg fast an die von Südosten herkommende Weichsel stieß; im Süden, bzw. Südosten durch die kleine und die Haupt-Weichsel, welche beiden Begrenzungen die Gemarkung nach Westen hin in einem spitzen Winkel auslaufen ließen. Die Ostgrenze bildeten die Gemarkungen der beiden, schon um einige Kilometernäher nach Thorn zu gelegenen Nachbargemeinden Amtal und Ellermühl.

Der Hauptteil unseres Dorfes befand sich an der von der Kreisstadt herkommenden Chaussee, von der Amtaler Grenze bis zur sog. "Ecke", wo Bauernhof an Bauernhof zum weitaus größten Teil unmittelbar an der Straße lagen, und an dem, die Gemarkung in nordwestlicher Richtung begrenzenden Hang, auf dessen Hochfläche der Thorner Forst lag. Hier, in bis zu 1 klm. Entfernung von den Höfen hatten die Bauern ihre Inst- oder wie wir sie nannten: Einwohnerhäuser hingebaut. Am Ostteil des Hanges, auf Ellermühl zu, waren auch ein paar selbstständige Anwesen, darunter als letztes gar ein Bauernhof. Am Westrande des Hügeldorfes, von der "Ecke" an, begann mit dem Außendeichbezirk der Abbau von Scharnau. Nordwärts, der Ecke gegenüber, lag auf der Höhe das hier nur meist etwa 100 m von der Straße entfernten Hanges die Försterei Steinort, auf die Niederung herunterblickend. Rechts an ihr stieg der von der Ecke abbiegende Fordon-, Ostrometzkoer-Weg die ungefähr 20 m hohe Böschung hinan, auf halbem Wege von der Straße den Moorkanal überquerend. Gerade oben kreuzte er den von Hohenhausen - Ellermühl dicht an der Försterei vorbeiführenden Weg nach Steinort, welcher im inneren Waldrande, parallel zum Hang in einiger Entfernung von letzterem, sich hinzog.

Von der Ecke unten in der Niederung nach links, nach Süden im rechten Winkel umbiegend, setzte sich die Straße von Thorn über den Frei- oder auch Querdamm weiter zur Weichselfähre fort. Bei Kilometer 30 (Entfer-nung von der Kreisstadt) ging sie dann, beim Scharnauer Fährkrug, über das Endstück des Haupt-Weichsel-Deiches in die eigentliche, mit Kopfsteinpflaster befestigte Fährstraße über, gleich nach Überquerung des Niederungskanals den Deich in einer schrägen Abfahrt wieder verlassend. Jetzt, im Überflutungsbett der Weichsel, aber noch 600 m weit durch dicht mit Weidenbüschen bestandenen Flächen, die Kämpen, führend, endigte sie in der Fährbuhne, mit ihrem, mit schweren Feldsteinen gepflasterten Buhnenkopf, von wo man einen schönen, freien Blick über den breiten Strom und das Schulitzer Ufer hatte.

In früheren Jahren hatte diese Fährverbindung zu der gegenüberliegenden Stadt Schulitz und dem damals einzigen nächstgelegenen Bahnhof an der Strecke Berlin-Schneidemühl-Bromberg-Thorn-Insterburg einmal größere Bedeutung gehabt als in jüngerer Zeit, wo dann schon durch die später geschaffene Bahnstrecke Bromberg-Kulmsee-Goßlershausen über die Bahnhöfe Ostrometzko und Fordon auch nach der nördlichen Seite hin eine Bahnverbindung zur Außenwelt bestand. Und noch mehr verlor die Weichselfähre an Wichtigkeit, als um 1906 herum die Kleinbahn Scharnau-Thorn gebaut worden war.

Etwas abseits vom Hauptdorf gelegen, befand sich der westlichste Teil des Dorfes Scharnau, der Abbau, in dem ich geboren und groß geworden bin und in dem ich von 1919 an, nach 8 jähriger Soldatenzeit, bedingt durch den 1. Weltkrieg, dann als kleiner Landwirt bis zur Flucht 1945 mit meiner Fa-milie gelebt habe.

Der Ackerboden unserer Dörfer war, abgesehen von demjenigen unseres Abbaues, in welchem mehr leichter bis sandiger Boden vorherrschte, guter Niederungsboden, auf dem neben Roggen, Hafer, Gerste, Kartoffeln und Rüben auch Weizen, Klee und selbst Zuckerrüben mit bestem Erfolg angebaut wurden.

Die zu beiden Seiten des Niederungskanals liegenden Wiesen, begrenzt im Norden durch die langgestreckte flache Erhebung, auf welcher sich die Dorfstraße mit den daranliegenden Gehöften hinzog und dem Weichseldamm im Süden, litten oft, auch in ihrer Güte, unter dem vielen Stauwasser dieses Kanals. Wenn bei Hochwasser der Weichsel das Schleusentor am Austritt des Kanals aus dem Deich geschlossen wurde, so sammelte sich das Wasser im Binnendeich an und trat, je länger - je mehr, über die Ufer. War großes, länger anhaltendes Hochwasser in der Weichsel, so bildete die ganze Niederung einen großen See. Und ja gerade an diesem untersten Ende der eingedeichten Thorner Niederung waren diese Stauwasser-Einwirkungen am nachhaltigsten. Ein Schöpfwerk gab es leider noch nicht, wenn auch schon des öfteren davon gesprochen worden war.

Trotzdem aber weideten des sommers die schönen stattlichen Herden schwarzbunten Niederungsviehes der Bauernhöfe auf ihnen und wurde das Heu für die Winterfütterung dort gewonnen. Die breite, langgestreckte Erhebung, auf welcher die Gehöfte mit der an ihnen vorbeiziehenden Straße lagen, bildete den Ackerbestandteil der Bauernhöfe, unter denen einige, und zwar die beiden Rübner´schen, das Neubauer´sche und das polnisch-katholischen Probsteigut, je über 300 Morgen Gesamtfläche groß waren. Auf allen übrigen waren stattliche Bauernhöfe mit 100 bis 145 Morgen und dementsprechenden Viehbestand.

Nördlich dieser ackertragenden Erhebung zog sich noch einmal eine Senke hin, und zwar die Moorkanalsniederung - wie schon der Name sagt - mehr mooriger Beschaffenheit, durchflossen von dem Moor- oder Oberkanal, im Gegensatz zum Niederungs- oder Unterkanal. Diese Moorniederung wurde begrenzt durch den in nordost-südwestlicher Richtung sich hinziehenden, etwa 15-20 m hohen Hang, auf dessen Hochfläche sich der Thorner Forst ausdehnte, der dann am westlichsten Ende der Scharnauer Gemarkung durch die, aus südöstlicher Richtung kommende Weichsel im steil zum Strom abfallenden "Lehmberg", oder wie die Schiffer ihn nannten, den Weißen Berg, sein Ende fand.

Unterhalb meines Gehöftes, oberhalb des Lehmberges und des Thorner Waldes ging die Moorniederung in die Weichselniederung über. Da die Eindeichung der Thorner Stadtniederung mit dem, zur Weichselfähre führenden Querdamm abgeschlossen war, so war unser Abbau im Aussendeichgebiet und auch die Moorkanalniederung der Hochwasser-Überflutung ausgesetzt. Wo der Hochrücken, auf welchem an der Dorfstraße die Bauernhöfe lagen, endete, da, wo die Straße im rechten Winkel nach Süden umbog, "die Ecke" bildend, sich über den Querdamm weiter zur Fähre fortsetzend, war dem von unten heraufdringenden Hochwasser der etwa 2 klm. entfernt vorbeifließenden Weichsel durch diesen Deich ein Riegel gegen das Eindringen in die Niederung des Unterkanals vorgesetzt. Von der Ecke nach Norden jedoch, da wo der Weg (später, in der polnischen Zeit, die von den Polen nach Fordon gebaute Straße) nach Fordon, bzw. nach Ostrometzko abbog, die in etwa 50 m Entfernung von der Ecke den Moorkanal überquerte und in etwa der gleichen Strecke bei der Försterei Steinort den ungefähr 20 m hohen Hang zur Thorner Forst hinaufführte, in dieser Senke hatte das Hochwasser freien Durchfluß und füllte dann je nach Höhe desselben die ganze Moorniederung. War es im Frühjahr mal besonders hoch, so überflutete es zuweilen auch die Brücke bei der Försterei und erstreckte sich dann nicht selten bis zu den Nachbargemarkungen Ellermühl und Amtal. Wollte man während solcher Zeiten nach Fordon oder nach Ostrometzko, etwa zur Kirche, wohin wir Scharnauer in die Kirchengemeinde gehörten, so musste man den recht weiten Umweg über Amtal-Ellermühl fahren, was für uns aus dem Abbau als hinterstem Winkel, besonders zeitraubend und beschwerlich war.

Als in der Korridorzeit die polnische Verwaltung sich daran machte, von der Ecke an eine feste Straße zur Fordoner Brücke zu bauen, wurde die bisherige Wegführung etwas erhöht, um, allmählich aufsteigend, die bei der Försterei abgetragene Höhe in nun erheblich sanfterer Steigung zum Thorner Wald zu gewinnen. So stellte sich nun den aufwärts strömenden Hochwassern ein Hindernis entgegen. Das durch das enge Loch des Kanaldurchflusses flutende Wasser unterspülte die neue betongebaute Brücke und brachte sie zum Einsturz. Die Polen mussten die Brücke noch einmal bauen, was ihnen diesmal besser gelang. Übrigens war dieser Straßenbau von uns Scharnauern freudig begrüßt worden, brauchte man doch nun nicht mehr den schweren Hang bei der Försterei bei Lastfuhren mit Vorlegen, d.h. vierspännig zu überwinden, und die Pferde bei dem recht langen Weg durch den Thorner, den Boluminer und den Ostrometzkoer Wald, der zum Teil recht sandig war, so abzuquälen, wie bisher.

Der des öfteren erwähnte, in südlicher Richtung verlaufende Querdamm fand nach etwa 700 Metern Anschluß an den Neubauer´schen Wald. Er verband somit die flache Erhebung des Hauptdorfteiles mit der, leichteren Boden aufweisenden flachen Erhebung, auf welcher sich, räumlich mehr zerstreut, die 5 Gehöfte der Abbauern befanden. Diese flache Erhebung leichteren Bodens, gekennzeichnet schon durch Vorhandensein mehrerer, sie durchsetzenden Kiefernwaldstücke, führte eine Teilung der Scharnauer Niederungswiesenflächen herbei, welche etwa ¾ klm. östlich der zur Fähre führenden Straße begann. Während der Niederungskanal inmitten des breiteren südlichen Teiles zum Ende des Hauptweichseldeiches sich hinzog, durch die sog. Schleuse in den Außendeich abfließend, erstreckte sich die schmalere Wiesensenke, durchzogen von einem, teilweise mit Kopfweiden besäumten Abzugsgraben, nördlich der erwähnten Erhebung und südlich des Endteiles der Erhebung mit dem Hauptdorf, zur Moorkanalniederung hin, sich eine kurze Strecke westlich des Querdammes mit dieser vereinend. Diese beiden Senken nun setzten vereint in einem breiten, flachen Wiesental sich zur nicht mehr fernen Weichsel ab. Und wäre der Querdamm nicht gewesen, unsere einzige Verbindung zum Dorf, so hätten wir Abbaubewohner auf einer Insel gesessen.

Die Gehöfte des Abbaues von Scharnau und seine Bewohner:

Das erste Gehöft, das man vom Hauptteil des Dorfes aus, über den Querdeich kommend, antraf, gerade bei Kilometer 30 der Entfernung von Thorn, war der Scharnauer Fährkrug, mit dazugehörigem Bodenbesitz von etwa 90 Morgen Acker, Wald und Wiesen.

Diese Fähre, in früheren Zeiten von großer Bedeutung für den Personen- und Fuhrwerksverkehr nach beiden Ufern, je länger, je mehr an Bedeutung verloren. Nach Erzählungen des alten Herrmann Krause, eines der beiden Einwohner, die auf dem Fährkrug beschäftigt waren, und der daher selbst viel mit dem Fährbetrieb zu tun bekommen hatte, besonders dann, wenn es galt, mit dem schweren Prahm ein Fuhrwerk überzusetzen, sind früher, als die Bahn von Bromberg nach Kulmsee und weiter, noch nicht bestand, die Spiritustransporte der Brennerei Neuhof von ihnen übergesetzt worden, um zu dem damals nächstgelegenen Bahnhof Schulitz zu kommen. Neuhof war ein Vorwerk des zum gräfl. v. Alvenslebenschen Besitz gehörenden Gut Ostrometzko im Nachbarkreis Kulm. - Auch aus meiner Kinderzeit weiß ich noch, dass die beiderseitigen Fährbesitzer gehalten waren, evtl. vorkommende Truppenbeförderungen über die Fähre unentgeltlich auszuführen. - Die Prähm waren vorn spitz - hinten breitgebaute, starkgefügte, flachgehende Fahrzeuge mit ebenem Boden, die Spitze höher, nach dem hintern Ende flachbordiger. In die breite Einfahrt wurde eine Landeklappe eingesetzt, um das überzusetzende Fuhrwerk in den Prahm befördern zu können. War das Fuhrwerk mit den Hinterrädern auf dem Rand der Einfahrtschräge, so wurde ein dicker Klotz an starkem Stiel vor ein Hinterrad gelegt, um ein zu schnelles Herunterrollen des Wagens zu verhindern. Es hatten zwei zweispännige Fuhrwerke mit den Pferden im Prahm Platz. Die Fortbewegung im Strom geschah gewöhnlich mit etwa 5-6 m langen, starken eichenen Rudeln, die am Ende des Blattes einen Eisenbeschlag mit zwei, etwas seitlich gerichteten starken Spitzen aufwiesen, durch die am Grund ein fester Halt gesichert war. Nach Fortnehmen der Landeklappe wurde in die Mitte der Einfahrt eine lange Pautsche als Steuer eingesetzt. Zwei Fährknechte lösten die Haltetaue vom Ufer und ergriffen die langen, schweren Rudel, sie von der Spitze des Fahrzeugs aus an seiner unteren Bordwand in den Grund zu stemmen und nun, mit der dicken Krücke gegen die Schulter, die innere Hand am Rudel, mit der äußeren an der Borte kräftig mitziehend, begannen sie, sich zum hinteren Ende zu bewegen, wodurch der Prahn langsam in Fahrt kam. Waren sie hinten angelangt, hieß es wieder schnell nach vorn, ehe die Fortbewegung des schweren Fahrzeugs nachließ. Die Rudel mussten nun wieder, und auch genügend weit seitab, in den Grund gestemmt werden, sonst konnte es einem passieren, dass der Oberteil des Rudels zu lang wurde und man die Krücke nicht mehr gegen die Schulter bekam. Bei einem zweiten Versuch, es besser zu machen, war schon viel kostbare Zeit verloren und der Prahm kriegte das Abtreiben. Der Mann am Steuer hatte darauf zu achten, dass der Prahm genügend schräg zur Strömung stand, nicht zu steil und nicht zu quer, da er sonst zu stark abtrieb. Das Staken ging solange, wie noch genügend Grund war. Kam man erst in die eigentliche Stromrinne, mussten die Rudel schnell beiseite gelegt und zu einer Pautsche gegriffen werden, die in zwei eingesteckten Dalben rudernd bewegt wurden, um so dem schweren Fahrzeug eine gewisse Fortbewegung zu geben. Bei dem bisherigen Staken musste man aber schon genügend hoch über die jenseitige Fährbuhne gekommen sein, denn in der Hauptstromrinne begann bei der viel stärkeren Strömung das [schwere Fahrzeug bald stark abzutreiben, und es gehörte schon eine ziemliche Kenntnis und Geschicklichkeit dazu, die jenseitige Fährbuhne zu erreichen. War aber einmal passender Wind von unten, d.h. von Westen, was nicht oft vorkam, so hatten die Fährleute leichtes Spiel, dann wurde ein großes Prahmsegel gesetzt, dessen Mast nicht etwa mitten im Fahrzeug, wie bei sonstigen Schiffen, sondern seitlich an der Bordwand in, dazu vorhandenen Halterungen befestigt wurde.] eigentliche Abtreiben. Und wenn die andere Seite glücklich erreicht war, atmete alles, besonders die Fährleute erleichtert auf. - Bei günstigem, stillen Wetter ging das alles noch; doch sehr schwierig wurde es, wenn der Wind von oben stand, aus der Richtung der Strömung, von Osten. Kam der Wind aber von unten, von Westen, so konnte das große Prahmsegel gesetzt werden. Das ging dann schon leichter. - War bei höherem Wasserstand die Fährbuhne überflutet, entfiel die Möglichkeit des Übersetzens von Fuhrwerken. Dagegen war der Personenverkehr mit dem Handkahn selbst bei großem Hochwasser möglich; dann legte der Kahn am Damm an oder eben an einer anderen geeigneten Stelle.

In der polnischen Zeit, von 1920 an, meinten die Polen, alles besser machen zu müssen als es vor ihnen die Deutschen getan hatten.So richtete die polnische Strombauverwaltung zwischen Solex-Kujawski und Czarnowo nun eine fliegende Fähre ein. Das war sehr schön und bequem, denn nun entfiel das so beschwerliche Staken und Rudern des freischwimmenden Fahrzeugs und dessen oft unsichere Anuferung. Die noch geräumigere Fähre mit Ein- und Ausfahrtsmöglichkeiten an beiden Enden, hing in einer Scheere an einem etwa 400 m langen, oberhalb mitten im Strom verankerten Halteseil, das von etwa 8 Booten getragen wurde. Es war ein recht imposanter Anblick, zu sehen, wie die Boote wie auf Kommando alle in die Fahrtrichtung einschwenkten, wenn die Fähre vom Ufer gelöst, durch die Seilscheere schräg gegen die Strömung gestellt, ihre Fahrt zum anderen Ufer begann. Wie stolz da die Fähnchen Weiß-Rot, die polnischen Nationalfarben, auf dem kurzen Trägerstutzen der Boote flatterten, wie bei einer Parade.

Doch die Herren vom Panstwowe-Urzad-Budowlane Wisty hatten die Rechnung ohne die besonderen Verhältnisse des Weichselstromes gemacht: Eine Sandbank, die nämlich anfänglich noch ungefähr 300 m stromauf gelegen hatte, konnte im nächsten Jahr schon um ein beträchtliches weiter stromab gewandert sein, und so kam es, dass eine, im Pendelgebiet der fliegenden Fähre lagernde Sandbank den Fährbetrieb unmöglich machte. - Ein paar Jahre nur hat sie sich gehalten, gerade noch lang genug, dass auch ich sie einmal mit dem Fuhrwerk benutzt habe, um über Schulitz nach Bromberg zu fahren. Sie verschwand sang- und klanglos, und der Betrieb nach alter Weise setzte wieder ein, nun aber nur mehr vom Schulitzer Fährhaus aus; der Scharnauer Fährkrug hatte, schon seit der Einführung der Fliegenden Fähre, seine Bestimmung verloren. Dem damaligen, letzten Besitzer des Fährkruggrundstücks war an dem Verlust der alten Fährgerechtigkeit auch wenig gelegen, da sie ja nichts mehr einbrachte und nur eine Last bedeutete. Er nährte sich von seinem Grundstück (auch die Schankkonzession war durch die polnische Behörde dem Krug entzogen worden) und ging dafür lieber, als alter, abgedankter Förster, heimlich und ohne Jagdberechtigung (die brauchte er nicht.) auf die Jagd. Von seiner früheren Tätigkeit als Gutsförster wurde erzählt, dass er mehr Wild geschossen hätte in seinem Revier als der Gutsbesitzer selbst. So konnte er auch hier schlecht von seiner Gewohnheit lassen. Seine beiden Söhne waren von gleicher Art. Einmal war der Alte auf einer benachbarten Jagd von dem betreffenden Besitzer mit einem frisch geschossenen Fasan betroffen worden und deßhalb vor Gericht gekommen. Hier gab er an, nur in einen Schwarm Krähen geschossen zu haben, und dabei sei zufällig der Fasan heruntergefallen. Bei jeder Neuen im Winter waren die Weinert´s eifrig am Spüren von Fuchs-, Marder- und Otter- und auch sonstigen Fährten und im Stellen von geeigneten Fallen war besonders der Jüngste der drei groß. Einmal an einem Sommersonntag saß eines meiner Kinder, die am Weichselufer unserer Wiese gespielt hatten, in einer Otterfalle, und nur dem Umstand, dass der Nachbar, der Besitzer der Wassermühle in der Nähe am Angeln war, verdankten wir es, dass das kleine Mädel schnell aus dem Eisen befreit wurde. Der trug es auf dem Arm zu uns nach Hause.

Zu meiner Kinderzeit war Besitzer des Fährkruges Wilhelm Gohle, der zweite Mann meiner Großmutter mütterlicherseits, Henriette geb. Dey, verwittwete Fehlauer. Ihr erster Mann August Fehlauer, ein Vetter meiner Großmutter väterlicherseits, ebenfalls August Fehlauer, ertrank bei einer unglücklichen Kahnfahrt, als er mit einem, wohl nicht mehr allzusicheren Kahn einige Leute vom Wassermühlen-Grundstück aus über die hochüberschwemmte Moorkanalniederung zum anderen Ufer hatte übersetzen wollen. Auf der Mitte des Wassers leckte der Kahn bereits so stark, dass die Frauen mit ihren Schürzen schöpfend, das Untersinken nicht mehr aufzuhalten vermochten und alle Insassen ertranken. Vom Wassermühlengrundstück hatte man noch versucht, ausgehobene Scheunentüren zum Wasser zu schleppen, aber die Schimmel des Mühlenbesitzer Dobbrind versagten den Dienst.

Der zweite Mann meiner Großmutter, mein Stiefgroßvater Gohle betrieb neben seiner Landwirtschaft und, damals noch lebhafterem Fährbetrieb auch einen größeren Handel mit Buhnenbaumaterial, dessen Abnehmer der Strombaufiskus war. Es wurde in den Forstenvon Ostrometzko, Bolumin oder dem Thorner Forst der bei Kahlschlägen anfallende Kiefern-strauch aufgekauft und zu Faschinen gebunden. Dann wurden Fuhrleute bestellt, meist kleinere Landwirte aus dem ärmlichen Dorf Waldau, Kr. Kulm, die sich mit ihrem Einspännerfuhr-werk zu ihrer kümmerlichen Ackernahrung gern etwas nebenbei verdienen wollten. Die fuhren die Faschinen aus den Schlägen dann, die Wagen vollbepackt, die mageren Pferde käuchend und schweißtriefend, die Räder in den sandigen Wegen mahlend, zu den jeweiligen Baustellen an die Weichsel. Hier wurden die Faschinen von den Buhnenarbeitern erst mal aufkubikt, da die Strombauverwaltung den Lieferanten nach Kubikmetern bezahlte. Ein paar Flaschen Schnaps sorgten oft dafür, daß die Faschinen im Innern der Buhnen recht locker gepackt wurden, wenn nicht gar hohl. um so recht viele Kubikmeter herauszubekommen, oder vielmehr die erforderliche Kubikmeterzahl, wenn der Strauch wohl mal etwas knapper ausfiel als vorgesehen. Oft auch wurden die Faschinen an eine bestimmte Ablage gefahren, wo Anlandemöglichkeiten für Weichsellastkähne bestand. Dann wurde der Kahn von dem Schiffer beladen, und, man musste schon sagen, kunstgerecht beladen. Nachdem das Innere vollgepackt war, immer unter der Beachtung, daß alle Teile des Schiffes gleichmäßig belastet werden mussten, ging das Stapeln der Faschinen über die Borde hinaus bis zu gut 2 ½ m Höhe, wobei eine Schicht immer eine Kleinigkeit breiter gelegt wurde, als die vorhergehende, sodaß die beihnah obersten Schichten recht weit über die Bordwand hinaus ragten. Die letzten Schichten wurden dann wieder stark eingezogen. So ein Kahn hatte dann eine schöne Last in seinen Planken, und die Fuhrleute hatten so manche Fuhre heranzuschaffen hatten, bis er voll beladen war. So wurden die Faschinen an selbst weit stromabgelegene Baustellen geschafft. Auch die Lieferung der dünnen, etwa ¾ m langen Buhnenpfähle und der dichten Pflasterpfähle besorgte mein Großvater. Dazu kaufte er in den Forsten Kiefernstangenhaufen, die er mit seinem eigenen Gespann heranholen und von seinen beiden Einwohnern dann schälen und verarbeiten ließ, wozu die Buhnenpfähle in einer gewissen Stückzahl gebündelt und an beiden Enden mit je einem Draht gebunden wurden.

Durch diese ständigen Lieferungen - denn es wurde ja viel gebaut an der Weichsel, um den Strom zu begradigen und sein Bett zu vertiefen - war der Großvater zu einem recht vermögenden Mann geworden. Später, im vorgerückten Alter, als die dritte seiner zahlreichen Töchter aus der Ehe mit meiner rechten Großmutter heiratete, übergab er dieser und dem Schwiegersohn Paul Fehlauer den Fährkrug und zog als Rentier nach Dt. Fordon.

Paul Fehlauer war der älteste Sohn unseres altbetagten und angesehenen Dorfschulzen, des Bauern August Fehlauer, einer zweiten in Scharnau ansässigen Linie der Fehlauer´s, die entgegengesetzt von uns, am nach Thorn zu gelegenen Ende von Scharnau wohnten.

Im Jahre 1913 verkaufte jedoch Paul Fehlauer, dem besonders wohl die Last der nichts mehr einbringenden Fährgerechtigkeit über war, das Fährkruganwesen an den ehemaligen Förster des Gutes Siegsruf im Kulmer Kreis, Rudolf Weinert, der uns im Abbau und auch sonst im ganzen Dorf in der Folge kein sehr sauberer Nachbar werden sollte.

Paul und Berta Fehlauer, die meine Halbtante war, zogen nach Gr. Rogau, Kr. Thorn, wo sie einen größeren Bauernhof von etwa 300 Morgen gekauft hatten.

Der Fährkrug von Scharnau diente übrigens auch noch als Wachlokal für die Dammwache, die fast alljährlich im Frühjahrsanfang bei Hochwasser mit drohendem Eisaufbruch und evtl. Eisversetzung zusammengerufen wurde. So war deshalb auch der Krug mit einem Telefon der Strombauverwaltung ausgestattet, über das wir auch sonst zu anderen Zeiten im Jahr, über, die Weichselniederung bedrohende Hochwasser unterrichtet werden konnten. Von der Dammwache, unter einem Wachkommandanten, wurden in gewissen Zeitabständen Patrouillen bis zum nächsten Wachposten, dem auf dem Deich stehenden Amtaler Wachhaus geschickt, die den Deich zu beobachten hatten. Etwa vorkommende Beschädigungen durch Eis oder Unterspülungen durch Maulwurfgänge und demzufolge austretendem Wasser im Binnendeich hatten die Patrouillen zu melden oder auch gleich zu beseitigen. Zu diesem Zweck musste alljährlich im Frühjahr das Dammmaterial angefahren werden, bestehend aus einigen Fuhren Dung, einigen Haufen Pfählen und Brettern. Da der Binnendeichanteil der väterlichen Grundstücke, vom Endstück des Thorn-Scharnauer Deiches umschlossen, recht langgestreckt war, im Gegensatz zu den anderen, größeren Grundstücken des Dorfes, deren Besitz quer zum Damm verlief, hatten wir immer das meiste Dammmaterial zu stellen. Unsere Dammfläche war allein 7 Morgen groß.

Über den Vorplatz des Fährkruges hinweg, nach rechts von der Straße bei klm. 30 abbiegend, führte der Weg um das Fährkrugsanwesen herum in westlicher Richtung zu meinem väterli-chen Grundstück, sich aber gleich noch wieder verzweigend in den im spitzen Winkel nach rechts abbiegenden Mühlenweg, der zu den 3 anderen Anwesen des Abbaues führte. Vom Fährkrug an war man schon im ungeschützten Überschwemmungsgebiet der Weichsel, und es konnte bei besonders großen Hochwasserständen schon mal vorkommen, daß das Wasser bis auf den Vorplatz des Fährkruges reichte, die Fährkähne hier anlegten; der Zufahrtsweg zu unserem und den anderen Grundstücken überflutet wurde, und wir über einen unbequemeren Seitenweg durch die Walstücken fahren mussten, um zum Querdamm zu kommen, zu unserer Ausfahrt zum Dorf.

Über den Vorplatz des Fährkruges hinweg, nach rechts von der Straße bei klm. 30 abbiegend, führte der Weg um das Fährkrugsanwesen herum in westlicher Richtung zu meinem väterlichen Grundstück, sich aber gleich noch wieder verzweigend in den im spitzen Winkel nach rechts abbiegenden Mühlenweg, der zu den 3 anderen Anwesen des Abbaues führte. Vom Fährkrug an war man schon im ungeschützten Überschwemmungsgebiet der Weichsel, und es konnte bei besonders großen Hochwasserständen schon mal vorkommen, daß das Wasser bis auf den Vorplatz des Fährkruges reichte, die Fährkähne hier anlegten; der Zufahrtsweg zu unserem und den anderen Grundstücken überflutet wurde, und wir über einen unbequemeren Seitenweg durch die Walstücken fahren mussten, um zum Querdamm zu kommen, zu unserer Ausfahrt zum Dorf.

Der Zufahrtsweg zu unserem väterlichen Hof teilte den Boden unserer Grundstücke gewissermaßen in den mehr besseren Niederungsboden zur linken, zur Weichselseite hin und den leichteren bis sandigen Boden rechterhand. Gleich hinter dem Fährkrug, nach der Abzweigung des Mühlenweges, kam man an einem kleinen, schütteren Waldstückchen alter Kiefernbäume vorbei, auf einer leichteren Erhebung, in deren Fortsetzung ein Ackerstück sich anschloß. Der Boden dieses Ackers brachte nur Roggen geringer Höhe und somit auch recht geringen Ertrag, wurde aber dessen ungeachtet, immer wieder bebaut. Inmitten des Stückes etwa 15 m vom unten vorbeiführenden Wege entfernt, stand eine uralte Eiche mit weit ausladender Krone, deren verhältnismäßig kurzgedrungenen Stamm wohl kaum drei Mann umspannen konnten. Diese Eiche ist mir bis heute noch der Inbegriff meiner Geburtsstätte. Wieviel Geschlechter mag sie auf dem Wege da unten vom und zum Hof vorüberziehen gesehen haben - - ? Ob sie heute noch stehen mag - ?, denke ich oft im Stillen. Und welcher Art Leute ziehen heut daran vorbei - - - ?

Nach einer geringen Richtungsänderung nach rechts, führte der Weg in flacher Steigung zum etwa noch 250 m entfernten Hofplatz. Der Hof bestand aus Wohnhaus, Stall und Scheune. Das Wohnhaus war ein altes Schurzbohlenhaus mit Stroh- bzw. Schilfrohrdach, am Ostende angebaut ein kleines Endenhaus1) mit dem sog. Endengarten2), wie man solche Bauweise bei den alten Bohlenhäusern öfter fand. Der Stall ebenfalls ein alter Schurzbohlenstall mit Stroh- und auch Rohrbedachung, am westlichen Ende noch eine Scheunendiele mit Scheunenfach. Darüber, oben auf des Daches Ende, ein Storchennest, auf welchem allsommer unser Storchenpaar seine Jungen großzog, bis eines Tages mein Vater den einen Altstorch, der dahintergekommen war, sich von der Pfütze hinter dem Stall die kleinen Entenkücken zu holen, mit seiner Jagdflinte abschoß. Seitdem mieden die Störche das Nest. Und erst nach langen Jahren, als Vater schon tot war, als mein ältester Bruder Friedrich mit unsern beiden Schwestern das Grundstück weiter bewirtschaftete, stellten sich wieder Störche auf dem Nest ein.

Die große oder neue Scheune war ein Balkengerüstbauwerk mit Bretterumkleidung und Pappdach. Im Jahre 1907 ließ mein Vater, Emil Fehlauer, von dem Baumeister Friedrich Fiehsel aus Damerau, Kr. Kulm, ein neues Wohnhaus bauen, und das alte, in dem wir sechs Geschwister unsere Kindheit verlebt hatten und von dem unser Vater erzählte, daß es über 200 Jahre alt sei, wurde abgerissen. Das neue Wohnhaus war von Ziegelsteinen erbaut, verputzt, mit, im Rohbau abgesetzten Hausecken, Türen- und Fensterumrahmungen und ebensolcher Trempeloberbauabgrenzung. Gedeckt war es mit Pappdach. Aus noch brauchbaren Schurzbohlen und sonstigem verwendbarem Holz des alten Hauses ließ der Vater noch einen Scheunenstall mit Schuppen zum Unterstellen von Ackergeräten bauen, sodaß der Hof nun von allen Gebäuden umgrenzt war, während das alte Haus früher mitten im Hof gestanden hatte.

An dem Westgiebel des Stallgebäudes, direkt unter dem Storchennest, führte der Verbindungsweg zum nahe vorbeiführenden Mühlenwege vom Hofe.

Südwestlich vom Hof lag der recht große Obstgarten. Zwischen diesem und dem Südgiebel der Scheune führte die Trift zur Wiesweide vom Hof. Am Ende des Obstgartens, etwa, 80 m, bog die Trift nach Süden, zur Wiese, um. Und hier lag eine Besonderheit unseres Grundstückes, eine Burganlage aus alter Zeit anscheinend, von uns die "Schanze" genannt, was auf ihre angebliche Bedeutung als Schwedenschanze hinweisen sollte. Der Ansicht widersprach aber unser alter Lehrer Brandt, der meinte, dazu sei die Anlage nicht groß genug. Der "Burgberg" hatte, unverkennbar viereckig aufgeführt, an seiner oberen Kante etwa 20 m im Geviert. Er mochte im ursprünglichen Zustand etwas größere Ausmaße gehabt haben und hatte sicher dadurch, daß Vater ihn durch seine beiden Einwohner mehrere Jahre hindurch in seiner oberen Hälfte, soweit Hochwasser nicht hinreichen konnte, hatte umgraben lassen, um Kartoffeln anpflanzen zu können, von seinem oberen Umfang verloren, wogegen der untere Rand des umgearbeiteten Teiles durch die heruntergearbeitete Erde sich merklich rundherum um den Berg gegen den, mit Gras bewachsenen tiefen und breiten Burggraben absetzte. In gleicher Weise war auch der umgebende Wall beackert worden, was auch hier zu einer Verflachung geführt hatte. Außerdem hatte der Vater Burgberg und Wall mit Obstbäumen bepflanzen lassen. In den späteren Jahren unterblieb aber die Beackerung und das Bepflanzen mit Kartoffeln, weil es doch zu umständlich war, und die Flächen vergrasten allmählich. Es wurde nur noch das Obst der Bäume geerntet. Als zu meines Großvaters Zeiten um Burgberg, Wall und Graben noch viel altes Gesträuch und alte hohe Bäume gestanden hatten, welches mein Vater später hatte alles ausroden lassen, um es urbar zu machen, war eines abends mal ein Kalb entlaufen. Die zur Suche ausgeschickten Dienstleute kehrten angsterfüllt von der Schanze zurück: dort spuckt es. Mein Vater ging der Sache auf den Grund und fand dort das entlaufene Kalb. Da dieses von überwiegend weißer Färbung gewesen war, hatten die Sucher es für ein Gespenst gehalten. Seitdem wurde unser abgelegener Winkel auch wohl oft der "Spukwinkel" genannt.

Von dem, den Burgwall umgebenden Wall, welcher von dem ersteren durch einen tiefen, breiten Graben getrennt war, waren trotz der abflachenden Wirkung des Beackerns der Nord- und der Nord- und der Westteil noch gut erhalten. Der an den Hauptobstgarten anliegende Ostteil erschien, wohl hauptsächlich dadurch, daß hier die um den Obstgarten herumführende Wiestrifft verlief, mehr abgeflacht. Von einem Südteil hingegen war nichts vernehmbar. Hier führte ein noch tieferer, breiter Graben als der, den Burgberg umgebende vorbei, der sog. "Trockene Graben". Warscheinlich ist durch seine Anlage (daß es sich durch einen, von Menschenhand geschaffenen Graben handelte, bewiesen die ihn begleitenden niedrigen Wälle zu beiden Seiten, herrührend von dem Grabenauswurf.) dieser Teil des Burgwalles zerstört worden. Nach manchen Erzählungen soll es sich bei dieser "Schanze" um eine Burg des Deutschen Ritterordens gehandelt haben, die zum Schutze seiner, auf der Weichsel fahrenden Schiffe gegen Übergriffe der auf dem linken Ufer wohnenden Polen errichtet war. Bei den ersten Grabarbeiten zur Urbarmachung des Burgberges sind auch ein Rittersporn und ein Beil gefunden worden, die der Vater dem Thorner Museum übergab. Auch handgestrichene Ziegelsteine gab es da auf dem Burgberg. In einem dieser Steine sah man den tief eingetretenen Abdruck einer großen Hundetatze.

[Von hier aus Niederschreibung wieder begonnen am 28. XII.67.]

Der vorerwähnte Trockene Graben begann am Außendeichteil des Unterkanals, ungefähr 200 m nach dessen am Dur[ch]fluß durch die Schleuse im Deich, an seiner ersten, nach links sich wendenden Richtungsänderung, deren es bis zur Einmündung in die nicht mehr ferne Weichsel noch mehrere gab. So schien der trockene Graben wohl früher mal zu dem Zweck begonnen worden zu sein, daß Wasser des Niederungsgrabens in gerader Flutlinie abzuführen. Er zog sich zu seinem größten Teil, in etwa 800 m Länge, durch die elterliche Wiesweide, dicht unter dem schon erwähnten Burgberg vorbei zu den Nachbargrundstücken hin, wo er nach weiteren etwa 500 m im Uferlauf des Moorkanals endete ungefähr 250 m unterhalb der Wassermühle.

Unser Vater hat uns über die Bedeutung dieses recht geräumigen Grabens und die mutmaßliche Zeit seiner Entstehung nichts gesagt, oder nichts sagen können; die Zeit musste wohl schon sehr weit zurückliegen. Daß solch ein Vorhaben aber bei unseren Vorfahren und den damaligen Bauern der Thorner Stadtniederung bestanden haben muß und womöglich ein derartiger Plan bei den betreffenden Behörden in Thorn noch vorhanden gewesen sein mag, beweist der Umstand, daß bald nach Wiedereingliederung unsrer Heimat in den Bestand des deutschen Reiches, 1939, dieser Gedanke wieder bei den übergeordneten Stellen des Deichverbandes aufgegriffen wurde, durch die Endausführung der in alten Zeiten mal begonnenen Vorarbeiten, den vorhandenen Graben für die bessere Wasserabführung aus der eingedeichten Niederung fähig zu machen.

Wie bekanntlich alle neuen Besen gut kehren, so griff auch die N.S.D.A.P. -Regierung große Projekte kräftig an, um die Landesstruktur der wiedergewonnenen Provinz Westpreußen zu verbessern. So arbeiteten riesige Schürfbagger ein wenig unterhalb unsrer Scharnauer Gemarkung auf dem jenseitigen Weichselufer, gegenüber dem Lehmberge, bei den Ortschaften Otteraue und Langenau bis gegen Brahnau hin, in dem großen Weichselknie, an der Verbreiterung des Flussbettes für Hochwasserzustand. Mit dem dadurch anfallenden Erdmassen wurde der, vormals in der polnischen Korridorzeit von den Polen aufgeführte Deich, der die Ortschaften Otteraue, Flötenau und Langenau vor Hochwasser schützen sollte, sich aber in der Folge als zu niedrig erwiesen hatte, erhöht und verstärkt. Durch die Verbreiterung des Hoch-wasserbettes des Stromes wurde ein gefahrloseres Abfließen des Hochwasser- und besonders der Eismassen erreicht. - Als die dort wochenlang in Tag- und Nachtschichten ausgeführten Arbeiten beendet waren, sind die beiden Bagger herübergeschafft worden und begannen auf unsern Wiesen an dem Auslauf des Moorkanals zuerst mit der Verbreiterung und Vertiefung desselben, wobei auf jeder Seite ein Bagger arbeitete, um dann bei der Erreichung des beschriebenen Trockenen Grabens in diesen mit ihren Arbeiten überzugehen. Der Zulauf des Moorkanals wurde beim Beginn der Ausbaggerung des Trockenen Grabens zugeschüttet und der Erstere war kurz oberhalb der Wassermühle in einen anderen Graben abgeleitet und die sowieso unrentable Wassermühle dadurch gänzlich stillgelegt und überflüssig gemacht worden. - Die Baggerarbeiten schritten zügig voran, und bald hatte ich an unserm Hof, einem kleinen Nachbargrundstück von meinem elterlichen Besitz, in das ich mich eingeheiratet hatte, einen respektablen Wasserlauf, in den bei leidlichem Wasserstand der Weichsel auch gut ein großer Weichselfrachtkahn bis unmittelbar an das Gehöft hätte kommen können.

Die Arbeiten sind dann auch noch bis über das Grundstück des Nachbarn Alfred Tober hinaus ins elterliche Grundstück geführt worden; es ist auf meiner Wiese auch noch der Erdaushub in die tiefer gelegenen Stellen verplaniert und ein Teil des totgelegten Moorkanals zugeschüttet worden; ich habe noch Grassaat zum Ansäen der verplanierten Wiesenflächen erhalten und ausgeführt, dann kam alle weitere Tätigkeit am Kanalbau zum Erliegen. Auch eine Brücke war uns noch erstellt worden, damit wir auf unsere Wiese kämen, von der uns nun der Kanal trennte. Die ersten Rückschläge des von unserm hohen "Führer" Adolf Hitler provozierten Krieges machten sich bemerkbar: In Warschau war der polnische Aufstand ausgebrochen; die, die Baggerarbeiten ausführende Firma mit ihren sämtlichen Arbeitern und Gerätschaften wurde abgezogen, wie es hieß: zu Aufräumungsarbeiten nach der polnischen Hauptstadt, und allmählich bahnte sich das traurige Ende der von uns allen so sehr begrüßten Befreiung von der polnischen Herrschaft - das Ende der Wiedervereinigung mit unserm deutschen Vaterland an: - Zu all´ den traurigen Begebenheiten jener Zeit hatte noch - es war 1943 - ein, aus unerklärlicher Ursache entstandenes Feuer unser halbes Gehöft zerstört: Scheune, Stall und die Schuppen verbrannten damals. Nur das Haus, der Rumpf des Stalles, der durch eine Hohlziegeldecke vor der Zerstörung bewahrt blieb und das Backhaus blieben uns. Der große Schaden wäre wieder gut geworden, denn wir beide, meine so tapfere, fleißige Frau und ich waren damals ja noch jung und unsre Kinder auch an Arbeit gewöhnt, wenn auch die Jungens im Kriege - einer sogar schon gefallen war. Aber das Schrecklichste traf uns, als wir dann zu allem Ende die Heimat, Haus und Hof im Stich lassend, verlassen mussten. - Schon einmal - 1939 - als der deutsch-polnische Krieg auszubrechen sich anschickte, hatten meine liebe Frieda und ich mit unsern Kindern, die wir noch zu Hause hatten, Haus und Hof stehen und liegen lassen müssen und ins Altreich müssen fliehen. Aber damals hat uns unser großer "Führer" noch befreit vom polnischen Joch und wir konnten wieder zurück auf unsern Besitz, voller Freude, nun wieder deutsch zu sein. Allerdings war diese Freude nicht ohne bitteren Beigeschmack gewesen: Mein ältester Bruder Fritz auf dem elterlichen Hof war von polnischen Soldaten ermordet worden. Nachdem wir nun fünf Jahre befreit waren von polnischer Herrschaft, verloren wir jetzt, Anfang des Jahres 1945 unsre Heimat, alles was uns lieb an ihr war, wo wir einst geboren und groß geworden, wo wir Hausstand und Familie gegründet, wo wir unsere Eltern begraben hatten, wo seit hunderten von Jahren unsere Vorfahren gelebt, nun für immer. Am 22. Januar 1945 mußten wir: meine Frieda und ich mit unsern drei Töchtern unser Haus und Hof verlassen, nur mit wenigen Habseligkeiten auf dem Wagen und den drei Pferden davor, weil die Russen schon vor Thorn standen. Gott hat uns auf unsrer 9 Wochen dauernden Flucht behütet, daß wir in Niedersachsen, in der Gegend von Bremen wieder untergekommen sind und uns eine leidliche Existenz haben wieder schaffen können, wozu zum größten Teil die Arbeitsamkeit, der ungewöhnliche Fleiß meiner lieben Frau, ihre große Umsichtigkeit und klarer Blick in wirtschaftlichen Dingen beigetragen haben.

Etwas von der Art der Bauernhöfe meines Heimatdorfes, der Lebensweise und der Größe der Grundstücke, ihren Bewohnern, von der Umgebung u.s.w.

Die Bauweise der bäuerlichen Gebäude in Scharnau war sehr verschieden. Sie reichte vom alten Schurzbohlenhaus oder -stall mit Stroh- bzw. Rohrdach, auf dem manchmal auch ein Storchnest vorkam, bis zum Massivbau, der manchmal verputzt, manchmal auch verfugt war. Als Bedachung kam bei den Massivgebäuden neben Ziegelpfannen auf Teerpappe vor.

An den beiden äußersten Enden des über 4 klm Länge sich hinziehenden Dorfes befanden sich noch je ein altes Vorlaubenhaus, die aber in der polnischen Zeit Schadenfeuern zum Opfer fielen.

Die Hoflage war meist frei, unbeengt, in viereckiger Form, entweder das Wohnhaus gegen-über der Hofeinfahrt und rechts und links die Wirtschaftsgebäude oder auch das Wohnhaus seitlich der Einfahrt und zur Seite desselben und gegenüber die Stallungen und Scheune, diese zum überwiegenden Teil im Balkenwerk mit Bretterverkleidung aufgeführt, mit Pappe oder Strohbedachung. Breit und wuchtig, um einen geräumigen Hof gruppiert, machen sich besonders drei Bauernhöfe von über 300 bzw. 400 Morgen aus, die der Familien Neubauer sowie den beiden Brüdern und Junggesellen Rübner gehörten. Auch die meisten übrigen Bauernhöfe waren 120 - 170 Morgen groß, einige wenige unter 100 Morgen. 300 Morgen groß war auch die zur Scharnauer katholischen Kirche gehörige Probstei, auf der ein polnischer Pächter wirtschaftete. Diese, mit der alten, kleinen Kirche lag so ziemlich mitten im Dorf. Die recht unscheinbar, altertümlich und bescheiden aussehende Kirche mit ihrem seitlich stehenden, alten verwitterten Glockenturm mit schon recht bemoosten Brettern bekleidet, auf dem wenig hohen stumpfen Ziegeldach gekrönt von einem Wetterhahn, sollte noch (wohl aus der Endzeit) des Deutschen Ritterordens stammen und etwa 1460 erbaut, worden sein. Der Klang des winzigen Kirchenglöckchens begleitete auch immer die evangelischen Verstorbenen zu ihrem letzten Weg auf den Friedhof, der angrenzend an as Probsteigrundstück neben der dortigen Dorfschule lag, in welcher neben meinen Geschwistern und aller übrigen Dorfjugend von altersher ach ich meine schulischen Kenntnisse erlangt habe. - Die katholische Gemeinde des kleinen Kirchleins setzte sich bis zum Ende des ersten Weltkrieges aus den wenigenpolnischen Inst- und Dienstleuten der Bauernhöfe, aus der polnischen Probsteipächterfamilie, aus einigen sehr wenigen, in den Nachbardörfern Amtal und Ellermühl etwa vorhandenen Polen zusammen, und dann war da aus jüngerer Zeit noch eine polnische Bauernfamilie auf einem bisher deutsch gewesenen Hof inmitten unsers sonst rein deutschen Dorfes, die Familie Zurek, an die der frühere Besitzer Rosenberg sein Grundstück schon einige Jahre vor dem ersten Weltkrieg verkauft hatte. Dieser Zurek ist dann später, als wir unter polnische Herrschaft kamen, unser Vogt geworden, d.h. unser Amtsvorsteher. Er ist uns eigentlich, im Gegensatz zum überwiegenden polnischen Charakter, ein toleranter Vogt gewesen.

Von 1920 an, als der größte Teil von Westpreußen der polnische Korridor wurde, als viele, besonders fast alle deutschen Arbeiterfamilien die Heimat verließen und ins Altreich abwanderten, an ihre Stelle aber die Menschen aus Kongresspolen und Galizien nachströmten, änderte sich das ehemalige Bild der kleinen katholischen Kirchengemeinde bald, wie ja so vieles in unsrer lieben, bisher überwiegend deutschen Heimat.

Wir evangelischen Bewohner von Scharnau gehörten dagegen zum Kirchspiel Ostrometzko im Kreise Kulm. Ostrometzko war ein, dem Grafen v. Alvensleben gehörendes Gut mit fast ausschließlichem Waldbesitz. Das Ostrometzkoer Schloß war für den größten Teil des Jahres auch der Wohnsitz der gräflichen Familie. Zu dem Besitz der Grafen gehörten hier, in der Nähe das angrenzende Vorwerk Neuhof, gleich daneben das kleinere Gut Reptowo, sowie, fast angrenzend an Neuhof die Güter Hirkau und Tannhagen bei Rentschkau, die aber verpachtet waren. Die beiden letzteren, sowie das Gut Glauckau bei Kulmsee lagen in unserm Thorner Kreis. Zum Ostrometzkoer Kirchspiel gehörte noch unser Nachbardorf Ellermühl, dann die Ortschaften des Kulmer Kreises Striesau, Kl. und Gr. Kämpe, Mosgowin, das kleine, einer Familie Boldt gehörige Gut Pien, die Ortschaften Raffa, Janowo, das Gut Kis[s]in, das Dorf Damerau, in dem später aber eine eigene Kirche gebaut wurde, welche jedoch zu Ostrometzko zugehörig blieb und von diesem Pfarrer betreut wurde. Das Ostrometzkoer Kirchspiel, obwohl im Kreis Kulm gelegen, gehörte hinwiederum zum Kirchenkreis Thorn, dessen letzter Superintendant Hermann war. Unser schönes Gotteshaus, die Ostrometzkoer Kirche war ein stattlicher, in gotischem Stil ausgeführter Bau mit hohem schlanken, recht in den Himmel weisenden Turm. Sie stand unmittelbar am Rande der Höhe, die hier zur Kulmer Weichselniederung abfiel. Man hatte von hier aus einen schönen Weitblick über die unten liegenden Kämpen, den dahinter vorbeiziehenden Strom und die jenseitigen Höfen. Etwas nach Westen zu sah man im Hintergrund auf der anderen Seite der Weichsel, dicht am Strom gelegen, die kleine Stadt Fordon mit der Weichselbrücke. Kam man über diese über 1360 m lange Fahr- und Eisenbahnbrücke und richtete den Blick stromabwärts, so bot die auf grünbewaldeter Höhe stehende Kirche und dem daneben sichtbaren alten Schloß der v. Alvenslebens ein schönes Bild.

Der Weg zu unserm Gotteshaus führte fast ausschließlich durch Wald. den Thorner, den Boluminer und - die größte Strecke - durch den Ostrometzkoer Wald, ungefähr 1 Meile weit. Wenn es viel regnete war es nicht schön, und wenn es trocken war, auch nicht; dann war wegen des leichten Waldbodens viel mahlender Sand. So war es bei dem größten Teil der Scharnauer Bauern als Kirchweg wenig beliebt, oder vielmehr: man glaubte, einen triftigen Grund zu haben für den recht mäßigen Besuch des Gottesdienstes. Nur an den hohen Festtagen glänzten alle durch Anwesenheit. Und doch hätte das schöne Gotteshaus mit seinem lieben, gütigen Prediger, Pfarrer Mertner einen besseren Zuspruch verdient. Als dann gar noch ein Streit zwischen dem Kirchenrat und Pfarrer Mertner ausbrach, der selbst nicht durch Vermittlung von Superintenden Hermann zu schlichten war, dankte Pfarrer Mertner und zog sich in den Ruhestand zurück, und unsre Gemeinde verweiste für längere Zeit. Sie wurde notdürftig von Fordon her durch Pfarrer Rutzen betreut, bis Pfarrer Joachim an unsre Gemeinde kam. Doch auch der blieb nicht lange, und wir waren wieder allein, und auf die unvollkommene Betreuung aus der Nachbargemeinde Fordon angewiesen, bis dann Pfarrer Papendorf kam, der unser Seelsorger bis zum traurigen Ende 1945 blieb. Von Pfarrer Mertner sind meine liebe Frieda, Tochter des ehemaligen Stellmachermeisters aus Amtal, Wilhelm Knopf, der dann unser Grundstücknachbar wurde, und seiner Ehefrau Pauline, am 15. Mai 1919 noch getraut worden. Und wie ich mich entsinne, ist, zu meines Vaters Zeiten, Pfarrer Mertner auch der Begründer unsres Scharnauer Raiffeisen-Vereins geworden und dessen langjähriger Vorsteher. Als ich nach dem unglücklichen Ende des 1. Weltkrieges 1919 auf meines verstorbenen Schwiegervaters kleinem Grundstück neben meiner Frieda selbstständig wurde, war Vorsteher unsers Vereins der Bauer Hugo Fehlauer vom jenseitigen Ende unsers Dorfes.

Zur Zeit meines Großvaters August Fehlauer gehörte Scharnau noch zum Kirchspiel Gurske. Doch ich glaube, daß damals die Bauern und sonstigen Evangelischen schon noch eher den weiten Weg dorthin und bereitwilliger werden gefunden haben als zu meines Vaters und zu meiner Zeit den weit kürzeren nach Ostrometzko¸denn die Entfernung nach dem ersteren Ort beträgt 3 Meilen, und die jetzige Chaussee von Thorn her bis zu unserm Ort wird es damals auch noch nicht gegeben haben. Mir ist es so, als wenn diese so um 1886 oder 88 gebaut worden ist, in der Zeit, als der Weichseldeich nach dem letzten Bruch bei Gurske verstärkt und erhöht worden ist.

Die Scharnauer Bauerngrundstücke hatten in der Hauptsache eine besondere, gleichmäßige Lage und Anordnung, so daß man eigentlich zu der Annahme kommen konnte, daß die Aufteilung und Besiedelung in früheren Zeiten zu einem gleichen Zeitpunkt erfolgt sein muß. Die Grenzen der Grundstücke im Hauptteil des Dorfes erstreckten sich meist gleichlaufend, von dem, die Gemarkung im Norden begrenzenden, etwa 20 m hohen Höhenzug, auf dessen Hochfläche der Thorner Wald war, in südlicher Richtung hin zum Deich, und über diesen hinweg bis zu der, fast an seinem Fuß befindlichen Kleinen Weichsel. Diese, ein früherer Nebenarm des Hauptstromes, war durch Buhnenbauten der Strombau-Verwaltung, sogenannten Kuppierungen, die in bestimmten Abständen quer durch ihren Verlauf gebaut waren, für die Wasserführung bei Normalwasserstand still gelegt worden, um dadurch zu einer allmählichen Verlandung zu führen, wogegen für den Hauptstrom die Absicht bestand, diesen durch die zusammengefasste Wasserführung mehr auszuspülen und schiffbarer zu machen. - Doch zurück zu den Grundstücken mit der gleichlaufenden Anordnung der Grenzen: die Grundstücke führten so in mehr oder weniger breiten - je nach Größe des betr. Bauernhofes - langen Streifen vom Hang des Thorner Waldes bis zu den Weichselkämpen, wobei diese Grundstücksbreiten, von Westen nach Osten gesehen, allmählig länger wurden, da die Hochfläche des Thorner Waldes, und somit der die Abgrenzung der Scharnauer Gemarkung bildende Hang in ostnordöstlicher Richtung verlief und sich von der in östlicher Richtung nach Thorn hin verlaufenden Dorfstraße, an der die Bauernhöfe lagen, immer mehr entfernte. Hatte die Entfernung am Querdamm, am Anfang somit des Hauptdorfes, von der Höhe des Thorner Waldes bis zum, hier am Scharnauer Fährkrug sein Ende erreichenden Weichseldeich noch 1 klm betragen (in der äußersten westlichen Ecke unsers Dorf-Ausbaues, am Ende der "Bolu-miner Wiesen" stieß ja der Thorner Forst mit dem hohen Hang des Lehmberges schon an die Weichsel heran) so betrug diese Entfernung am östlichsten Ende von Scharnau, an der Amtaler Seite, schon mindestens 2 klm. Die drei letzten, östlichsten Grundstücke von Scharnau, das Eduard Schmidt´sche, das Fritz Duwe´sche (unser letzter Bürgermeister) und das Otto Lüdke´sche (später Cimoch, ein Kongresspole) waren nicht mehr durchgehend bis an den nördlichen Hang, sondern hier waren an einem Wege, der schräg aus dem Thorner Wald kommend, unmittelbar am Fuß des Hanges entlang zum Nachbardorf Ellermühl führte, ein Eigenkätnergrundstück, das Wessel´sche, ein Kleinbauerngrundstück - früher Kantelberg, dann später Adolf Behnke und als letzters ein Bauerngrundstück, das Gottlieb Brüschke´sche, oder wie gewöhnlich genannt Berg-Brüschke, im Gegensatz zu dem Fritz- später Hermann Brüschke´schen im Hauptdorf. Gottlieb Brüschke, der leider früh verstarb, war ein besonderer Mensch, wohl ein Tüftler und Bastler. Als noch niemand in damaliger Zeit an Motorn dachte, hatte der sich schon einen Motor gebaut zum Dreschen und Hächselschneiden. Wenn irgendwo im Dorf ein Stück Vieh krank war oder eine Kuh nicht kalben konnte, wurde Bergbrüschke geholt. Und der war immer bereit. Dieses Berg-Brüschke´sche Grundstück, von der Witwe und den Kindern weiter geführt, grenzte schon an die Gemarkung Ellermühl, einem Dörfchen mit kleineren Bauerngrundstücken an dem schon erwähnten Wege unter der waldbestandenen Hochfläche, die hier aber schon der Boluminer Wald war - vielmehr gehörte der schmale Waldbestand bis an den oben verlaufenden, den Hang begleitenden Weg von Steinort nach Hohenhausen den an dem unteren Wege wohnenden Bauern von Ellermühl, früher Stanislawken. Während so das Dorf Ellermühl sich zwischen der waldbedeckten Hochfläche und dem Moorkanal hinzog, lag unser anderes Nachbardorf Amtal im Gegensatz dazu südlich, an der Landstraße Thorn - Scharnau. - Das letzte - d.h. von meinem Standpunkt am äußersten westlichen Ende des Dorfes aus gesehen - noch ganz vom Deich bis zum Thorner Wald durchgehende Grundstück in Scharnau war das Hugo Fehlauer´sche, früher August Fehlauer, des letzten Besitzers Vater, der sehr achtbare, langjährigen Gemeindevorsteher meiner Kinderzeit. Der Hof lag, im Gegensatz zu den andern Höfen, etwa 250 m nördlich der Straße, in gleicher Höhe auch der Nachbarhof der Bauern Hermann Brüschke. Zu beiden Höfen führte je eine lange Trift, die im Winter bei Schneetreiben meist sehr verstümt waren. Die Größe diesesr beiden Grundstücke mag um 160 Morgen gewesen sein mit je 4-5 Ackerpferden. Das Ed. Schmidt´sche Grundstück war etwa 100 Morgen groß mit 3 Pferden; das Fritz Duwe´sche, früher Julius Pansegrau, war etwa 80 Morgen und das Otto Lüdtke´sche, später Cimoch, 90 Morgen . An das Brüschke´sche Grundstück schloß sich nach Westen das Grundstück des unverheirateten Hugo Finger an, der mit seiner alten Mutter, Witwe des Hermann Finger, wirtschaftete. Dieses Grundstück, etwa auch 90 Mrg. groß, zog sich gleichfalls wie die östlichsten Grundstücke nicht bis zum Thorner Wald hin, sondern den Raum nahm das etwa 300 Mrg. große Nachbargrundstück ein, und auf der anderen, nördlichen Seite des Moorkanals war noch ein kleines Eigenkätnergrundstück, das mal einem Ludwig Brandt gehört hatte, der es später an einen Ziesmann und dieser dann an die Scharnauer Gemeinde verkaufte, die es als Armenhaus benutzte. Westlich an das Finger`sche Grundstück schloß sich das große, in früherer Zeit Mehl´sche Grundstück an, das zu meiner Kinder- und Jugenzeit einem der Brüder Rübner, Curt, gehörte. Das war schon mehr ein kleiner Gutsbetrieb, mit unsern dörflichen Augen gesehen, wie auch das gleich angrenzende katholische Probsteigut von gleichfalls um 300 Morgen. Hier auf dem Rübner´schen Hof gab es schon eine Dampflokomotive mit großem Dreschkasten u. drgl. mehr. Eine größere Zahl Pferdegespanne und wohl an 20 Milchkühe und neben den Knechten, Mägden und Instleuten einen Wirt zur Beaufsichtigung der Arbeitskräfte. Die gleichen Verhältnisse bestanden auf dem anderen, Alfred Rübner`schen Grundstück, von dem weiterhin noch die Rede sein wird. Curt Rübner verkaufte etwa in der Zeit, oder vor dem ersten Weltkriege, als ich von Hause fort in Bromberg bei der Kavallerie diente, sein Grundstück an einem gewissen Hein, der auch nicht sitzen blieb, sondern, als wir polnisch wurden, an einen, aus Kongresspolen kommenden Deutschen, Nichterlein, verkaufte. Hart an der Grenze zur Probstei, direkt an der Straße, etwas schräg zu dieser stehend, befand sich in der erste Zeit - bis in meine ersten Schuljahre noch ein Bohlenhaus, das sog. Hardtke´sche Haus, anscheinend der Überrest eines früheren Bauerngrundstückes, das dann wohl in das große Mehl´sche Grundstück einverleibt worden ist und zuerst noch als Einwohnerhaus für den großen Hof diente, später aber ganz verschwand. Nur ein kurzes Stückchen weiter westwärts, aber auf der entgegengesetzten, der südlichen Seite der Straße war das katholische Kirchengrundstück mit seiner uralten Kirche. Ihr gegenüber, nördlich der Straße, etwa 100 m abseits war das katholische Pfarrhaus und daneben die Wirtschaftsgebäude der Probstei mit dem kleinen niedrigen und ganz unscheinbaren Wohnhaus der polnischen Pächters. Gegenüber dem Wirtschaftsweg zum Probsteihof, auf der südlichen Seite der Straße, lag das eine Einwohnerhaus des Grundstückes, wie alle solchen Arbeiterhäuser: ärmliches Bohlenhaus mit Strohdach, für zwei, natürlich polnische Familien; das andere Einwohnerhaus der Probstei lag, wie ja alle Einwohnerhäuser der Bauerngrundstücke, unter dem Berge, eben jenem Hang, auf dessen Hochfläche der Thorner Wald war, also weit von den Bauernhöfen ab, am äußersten Ende der Grundstücke. Westlich an das Probstei-Grundstück schloß sich das Dorfschulgrundstück mit dem an den Schulhof anschließenden Friedhof an, auf dem unsre Vorfahren, alle Dorfbewohner evangelischen Glaubens ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, so auch zuletzt noch mein ältester Bruder Fritz, letzter Besitzer unseres Stammgrundstückes, der von polnischen Soldaten bei ihrer Vertreibung aus unserem deutschen Westpreußen durch die deutschen Truppen 1939, am 6. IX. auf der anderen, Schulitzer Seite der Weichsel ermordet worden ist. - Hier in dieser 2-klassigen Volksschule habe ich einmal meine Grundkenntnisse fürs menschliche Leben erhalten, wobei ich vor allem an die mühevolle Arbeit des Hauptleh-rers, des alten Lehrer Brandt denke, eines Mannes von recht stattlicher Größe und Breite mit grauem Vollbart und grimmigem Gesicht, hervorgerufen durch die Bockigkeit und den Wi-derstand der schier unbelehrbaren Dorfjugend, wozu ich leider auch meinen reichlichen Teil beigetragen habe. Heute danke ich ihm seine Mühe. - Das Schulgrundstück mit dem Friedhof war umschlossen von dem, ehemals Ernst´, jetzt Max Pansegrau´schen Grundstück, das in der Hauptsache mit seiner Ostgrenze ans Probsteigrundstück anschloß. Es war eines der größten Grundstücke mit wohl dem besten Niederungsboden im ganzen Dorf.

Ich sehe mich genötigt, meine bisherige, in oft westlicher Richtung aus dem Kopf erfolgte Schilderung der Grundstücke von Scharnau, die ohne die Zuhilfenahme meiner, vor einigen Jahren vorgenommenen Erstschriften erfolgt ist, für im halben Dorf abzubrechen und anhand der Erstaufzeichnungen, die doch ausführlicher damals niedergeschrieben sind, nunmehr in west-ostlicher Reihenfolge, von der Sicht, eines einstmaligen Wohnsitzes aus, dem westlichsten Ausläufer unseres Dorfes, neu aufzunehmen.

Von der Entstehung des Dorfes, das nach seinen so gleichmäßig verlaufenden Abgrenzungen der Grundstücke auf eine gleichzeitig erfolgte Aufteilung und Besiedlung schließen ließ, muß ich nichts zufügen. Nur soviel hat uns unser Vater Emil Fehlauer manchmal erzählt, daß unsre Vorfahren mal eingewanderte Sachsen gewesen wären. Und hier, in Niedersachsen, in Varbitz im Kreise Dannenberg, nahe der Elbe, haben wir eine Bauernfamilie Fehlhaber angetroffen, deren Name eine große Ähnlichkeit mit dem unsern hat. Dort heiratete der Sohn dieser Familie, Besitzer eines großen Bauernhofes, die Tochter eines Mitnachbarn aus Scharnau, namens Herta Wunsch, die mit ihrer Stiefmutter dort auf dem Hof nach Beendigung der Flucht untergekommen war. Ihr Vater Joh. Wunsch war bei Beginn der Vertreibung noch in der Heimat umgekommen. Zu dieser Hochzeit waren meine Frieda und ich eingeladen gewesen mit unsern Töchtern Frieda und Luise, da das Mädchen mal unser Patenkind gewesen war.

Des Weiteren hat uns der Vater erzählt, daß einstmals sechs Familien, neben der unsern noch die Familien Windmüller, Burmeister, Keßling, Hollatz und eine weitere, deren Namen ich nicht mehr weiß, zugleich in Scharnau angesiedelt worden seien, und daß unser altes Wohnhaus, in dem ich als zweites Kind meiner Eltern nebst fünf weiteren Geschwistern, drei Brüdern und zwei Schwestern, geboren bin, ein Bohlenhaus mit Stroh- bzw. Rohrdach mit kleine-rem Endanbau schon - zu unsrer Kinderzeit - 200 Jahre alt gewesen sei. Von den Nachkommen der in Scharnau ansässig gewesenen Familie Brüschke dagegen wird wieder behauptet, daß sie eingewanderte Holländer gewesen. Von den sechs vorgenannten Familiennamen war zu meiner Zeit außer dem unsern nur noch der letzte Träger des Namens Windmüller vorhanden. Der, ein recht großer stämmiger Mann, lebte als Rentier auf seinem etwa 100 m abseits südlich der Straße gelegenen Resthof, bestehend aus einem bescheidenen, schräg zur Straßen-flucht stehenden Bohlenhaus mit Steindach und noch bescheidenerem Stall. Sein Rest-Anwesen ging vom Niederungskanal bis an die Straße, wo als Abschluß fünf oder sechs uralte, hohe Birnbäume standen, daran Früchte, etwas größer als Wildbirnen, zur Reifezeit von uns Schulkindern immer mit großer Begierde aufgelesen wurden, wenn mal eine oder ein paar im Schosseegraben lagen. Später verkaufte Windmüller auch diesen Rest und zog in die Stadt, der Hauptteil des ehemaligen Grundstücks war schon vor der Zeit meiner Erinnerung von den Rübner´s angekauft worden. Von der Familie Keßling war zu meines Vaters Zeiten noch etwas vorhanden. So bestand für das eine große Grundstück der Rübner´s, das in der nach uns, nach Westen zu gelegene Dorfhälfte lag, noch die Bezeichnung "das Keßling´sche", und in unserm Ausbau, an der Moorkanalsniederung, fast am Rande des Thorner Waldes gelegen, war ein ehemaliges Bauerngehöft mit ein wenig, überwiegend sandig, am Ackeranteil, dessen Bestellung, weil am Waldrand gelegen, sehr vom zahlreichen Wild mitgenommen wurde, und größerer Wiesenbestand mehr saurer Beschaffenheit, das zu meines Vaters oder Großvaters Zeit von seinem damaligen Besitzer Keßling an das Gut Bolumin, das nächste Gut auf der Höhe, verkauft worden war. Gleich westlich anschließend befand sich noch ein ehemaliges Bauerngrundstück von ähnlicher Beschaffenheit wie das vorige: der Ackeranteil, der hier schon mehr zum Thorner Waldhochfläche anstieg, war von ziemlich leichter Beschaffenheit und dadurch und besonders, da an dem Forst sich hinziehend, sehr dem Wildfraß ausgesetzt, von sehr geringem Ertrag. Der auch bei diesem Grundstück verhältnismäßig große Wiesenanteil war dagegen besser, da diese Flächen schon vom Hochwasser der nahen Weichsel überspült wurden. Der letzte Besitzer dieses Grundstückes, Zudze, hatte gleichfalls wie der andere, Keßling, sein Grundstück an Bolumin verkauft. Und so war die Bezeichnung "die Boluminer Wiesen" entstanden. Das Gut Bolumin, schon im Kreis Kulm gelegen, war übrigens nur ein Teilstück eines Großgrundbesitzes. Neben diesem gehörten noch vier weitere Güter im Kulmer Kreise: die Güter Golo[t]ty, Zeigland, Baumgart und Stablewitz zum Besitz eines Fürsten v. Bentheim-Teklenburg irgendwo im weiteren Deutschland. - Die Gebäude dieser beiden, im Scharnauer Ausbau an der Moorkanalsniederung und dicht am Thorner Walde gelegenen ehemaligen Bauernhöfe, waren sehr alte Bohlengebäude mit Strohdächern, die Bretterverkleidung der Scheunen teilweise noch mit Holznägeln an dem starken alten Balkengefüge befestigt. Das Wohnhaus der Zudse´schen Hofes, mit dem Stall unter einem Dach, war noch ein sog. Vorlaubenhaus, wie solche in der Weichselniederung manchmal noch anzutreffen waren, wie auch das alte Wohnhaus des Otto Lüdke´schen Grundstücks am entgegengesetzten, östlichen Ende von Scharnau, an der Amtaler Grenze. Zur Haupteingangstür ging man unter einem, von starken Ständern getragenen gleichfalls strohgedeckten Oberbau hindurch, dessen Dach zu dem des Hauptdaches eben im rechten Winkel stand. Beide Häuser sind später Schadenfeuern zum Opfer gefallen. Über die Zudse´sche Hoflage führte ein öffentlicher, selten benutzter Weg, eine Fortsetzung des durch unsere Abbau-Grundstücke führenden Mühlenweges, der beim Scharnauer Fährkrug von dem Wege zu meinem väterlichen Hof abzweigte und zur, mit am äußersten westlichen Ende des Dorfes liegenden Wassermühle führte. Er ging dann weiter, an dieser vorbei durch die Boluminier Wiese, dem Teil der ehemals Zudze´schen Grundstückes den Hang hinauf, über den Hof und, noch mehr ansteigend in spitzem Winkel den Anschluß an den großen Hauptweg gewinnend, der von Hohenhausen und noch weiter herkommend, oben am Rande der großen Waldhochfläche, ziemlich gleichlaufend mit dem Hang zur Niederung, dicht an der Försterei Steinort wobei bis zum Ende des Thorner Waldes, bis zum winzigen Ort Steinort führte. Oft sind wir diesen erstbezeichneten Weg in dunkler Nacht heimgefahren, durch den finsteren Wald, wovon unser Vater von seinem Ansitz, nicht selten mit guter Beute, aus Steinort, das damals noch zum Jagdbezirk von Scharnau gehörte, heimfuhr.

Von den sonst, vom Vater genannten Familien war zu meiner Zeit eben nur noch der Familienname Fehlauer in Scharnau erhalten und zwar in zwei Linien, an unserm westlichen und am östlichen Ende des Dorfes. Bei meinen Nachforschungen nach den Vorfahren, die in der Nazi-Zeit zum Nachweis der arischen Abstammung erforderlich wurden, und die mich zu den evangelischen Pfarrämtern von Gurske, Kokotzko Plutowo, ja sogar bis nach Kulm - auf dem Rade - und selbst zum katholischen Pfarramt in Unislaw geführt hatte, konnte ich unsere Ah-nenreihe bis zu meinen Ur-Urgroßeltern Christian Fehlauer u. Anne, geb. Windmüller.

 

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1) Dieser Begriff scheint auch unter Westpreussen nicht sehr geläufig zu sein. So wußte im Mai 2003 z.B. Hans-Jürgen Schuch mit diesem Begriff - bei einem um Aufklärung bittenden Anruf meines Freundes Erwin Heise - nichts anzufangen. Herbert Geertz (Drewenzwinkel) hingegen kannte ihn und führte ihn auf holländische Ursprünge zurück: Alterssitz, Altenteil, Anbau am eigentlichen Haus, meist verbunden mit einem Stall und einer Scheune sowie 3 Morgen Land, die der Bewirtschaftung durch die Altsitzer vorbehalten war.

2) Siehe Anmerkung 1.

 

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letzte Aktualisierung: 13.03.2004